Sing, mein Schwarzer, sing

Der Medienhype ist gigantisch, die Aufmerksamkeit (unangemessen) hoch. Gedanken zur aktuellen Berichterstattung über einen singenden Nigerianer im Tal von unserem Kollegen Martin Calsow.

Der Tegernseer Liederkranz beim Proben. Klicken für den Beitrag der Die Welt.
Der Tegernseer Liederkranz beim Proben.
Klicken für den Beitrag der “Welt”.

Ein Kommentar von Martin Calsow:
Ein nigerianischer Flüchtling singt beim Liederkranz Tegernsee. Er trägt eine blaue Trachtenjoppe, marschiert beim Festzug mit und gibt zusammen mit den Chorkollegen bayrisches Liedgut zum Besten – und alle drehen durch. Zumindest die Medien.

Zwischen Bildern der drohenden Apokalypse mal was Positives mit Farbe. ARD, ZDF und RTL reisen mit Kameras an. Auch überregionale Zeitungen lassen sich nicht lumpen und berichten. Der Bayerische Rundfunk vermeldet, wie „rührend“ der singende Afrikaner in der Tegernseer Liederrunde sei. Doch in alleine vier Berichten in der Heimatzeitung ist nicht einmal ein Satz von dem Mann selbst zu lesen. Dafür viel über ihn. Und von den anderen.

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Warum ist das Erstaunen so groß?

Der Gesangsverein hat alles richtig gemacht, seine Türen geöffnet, trotz Sprachbarrieren jemanden in seine Reihen aufgenommen. Davor ist der Hut zu ziehen. Ebenso vor dem jungen Mann, der sich etwas traut. Aber warum wird so freudig erregt darüber berichtet? Warum ist das Er- und Bestaunen so groß?

Weil der Mann eine andere Hautfarbe hat? Weil man es putzig findet, dass ein Nigerianer deutsche Lieder singt? Man kommt nicht umhin zu denken, dass hier der lustige Schwarze in der Tracht ausgestellt werden soll. Und man erinnert sich milchig an das Jahr 1964, als der Portugiese Armando Rodrigues de Sá als millionster „Gastarbeiter“ in Köln-Deutz mit einem Mokick begrüßt und vor Dutzenden Journalisten zur Schau gestellt wurde.

Keine Sensation, sondern Realität

Unser Umgang mit Flüchtlingen ist Langstrecke. Und es wäre hilfreich, wenn wir alle dabei etwas weniger aufgeregt vorgingen – egal bei welchem Thema. Wir sollten uns allmählich daran gewöhnt haben, dass deutsche Staatsbürger längst nicht mehr nur Quercher und Schlickenrieder heißen, sondern auch Arslan, Petrovic, Posztos und Saadawi.

Deshalb sollten wir es heute als bereichernd, aber eben auch als normal betrachten, dass die Menschen, die jetzt zu uns kommen, über kurz oder lang mit uns zur Schule gehen, unsere Arbeitskolleginnen und -kollegen werden, mit uns Fußball spielen oder mit uns im Chor singen. Denn das ist keine Sensation, das ist Realität.

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