„So schnell lassen wir uns hier nicht rausschmeißen“

In der letzten Woche überraschte die Gemeinde Waakirchen mit der Nachricht, in Schaftlach Wohnungen und eine neue Gaststätte zu bauen – genau dort, wo sich früher die beliebte Pizzeria Romolo befand. Die Freude war auch bei den Lesern groß. Bis uns eine Nachricht auf Facebook irritierte. Was ist da los?

Diese Gebäude werden Abgerissen – das schockiert vor allem die Mieter.

In der vergangenen Woche verschickte die Gemeinde Waakirchen eine Mail mit großen Neuigkeiten: „Die Gemeinde Waakirchen hat das Anwesen am Michael-Schreiber-Weg 2 (ehemalige Pizzeria) in Schaftlach erworben.“

Besonders die Nachricht, dass nach dem Abriss des Altbestandes sowohl eine Gaststätte als auch günstiger Wohnraum für Schaftlach geplant wird, fand in den sozialen Medien große Zustimmung. Doch dann kommentierte ein Facebook-User unseren Bericht so:

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Man sollte auch mal die Mieter fragen, was die denken und fühlen. So schnell lassen wir uns hier nicht rausschmeißen.

Bekannt war, dass die Voreigentümerin noch in dem Gebäude über der ehemaligen „Pizzeria Romolo“ wohnt. Aber von aktuell noch bestehenden Mietverträgen mit weiteren Parteien war in der Pressemeldung der Gemeinde keine Rede.

Vor Ort in Schaftlach wird schnell klar: Hier wohnen noch einige Menschen. Denn hinter dem von der Straße aus sichtbaren Haus befindet sich noch ein großes Gebäude mit zahlreichen Mietwohnungen. Im Hof treffen wir auf eine Mieterin, die aber anonym bleiben möchte. Die junge Frau erzählt sichtlich angefressen:

Klar wohnen hier noch Leute. Und wir haben auch nicht vor, einfach zu gehen. Das können wir gar nicht.

Insgesamt sollen in dem Haus, angebunden an die ehemalige Gaststätte, noch drei Familien mit Kindern und zwei Alleinstehende wohnen. Sie haben vor drei Wochen einen Termin mit dem Bürgermeister gehabt. „Der hat uns über den Kauf und die Pläne der Gemeinde unterrichtet“, berichtet die Mieterin und ergänzt: „Uns war bis dahin nicht bekannt, dass wir raus sollen.“

Sanierung nicht wirtschaftlich

Das bestätigt auch Markus Liebl, Geschäftsleiter der Gemeinde Waakirchen, auf unsere Anfrage hin. „In dem Bauantrag der Erbengemeinschaft Kohl im Jahr 2019 ging es nur um den Abriss und den Neubau des Vordergebäudes.“ Erst als sich die Gemeinde 2020 entschloss, das Areal zu erwerben, habe man sich dazu entschieden, auch den hinteren Anbau dazu zu nehmen. Liebl erklärt:

Sofort nach dem Notartermin zur Bestätigung des Kaufes haben wir den Kontakt zu den Mietern gesucht. Denn beide Gebäudeeinheiten befinden sich in einem baulich bedenklichen Zustand.

Der Waakirchener Geschäftsleiter macht deutlich, dass eine Sanierung des Bestandes nicht wirtschaftlich sei. Zumal es für einen Neubau attraktive Förderungen von Land und Staat gebe. Daher habe man den Mietern bei dem Treffen vor drei Wochen auch angeboten, später in die neuen Wohnungen zurückzukehren. Für die Übergangszeit biete man den Mietern eine Unterbringung in anderen Gemeindewohnungen in Marienstein und Waakirchen an.

Ohne Auto wird’s schwer

Aber da genau liegt nach Ansicht der Mieter ein Problem, wie die junge Frau betont: „Ich arbeite in München und habe kein Auto. Wie soll ich bitte von Marienstein zu meinem Job kommen? Und meine Kinder zur Schule?“ In Schaftlach habe sie die direkte Anbindung mit dem Zug. Das sei auch die Schwierigkeit für die anderen Mieter.

Als weiteres Problem macht sie die wohl deutlich höheren Mietkosten für eine Neubauwohnung aus. „Wie sollen wir uns die Mehrkosten für eine Neubauwohnung leisten können? Das sind doch bestimmt wie in Bad Wiessee 12 Euro pro Quadratmeter. Zudem planen die ja Seniorenwohnungen. Wir aber haben Kinder!“

Gemeinde will Lösungen suchen

Das Problem ist auch der Gemeinde Waakirchen bekannt. So sei man bemüht, betont der Geschäftsführer, zusammen mit den derzeitigen Mietern Lösungen zu finden. „Leider haben wir im Gemeindegebiet Schaftlach aktuell keinen entsprechenden freien Wohnraum“, erklärt er.

Die schwierige Situation der Mieter habe man in der Gemeinde durchaus verstanden, aber Fakt sei, dass die Wohnungen nicht mehr dem aktuellen Standard entsprechen und dringend saniert werden müssen. Dabei sei die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum eine vorrangige Aufgabe, der sich Waakirchen stelle. Zurzeit gebe es 42 Gemeindewohnungen, sagt Liebl stolz und ergänzt noch:

Stellen Sie sich doch mal vor, was passiert wäre, wenn nicht wir, sondern ein Investor das Grundstück erworben hätte. Dann könnte hinterher bestimmt niemand mehr die Mieten zahlen, oder?

Kein Trost für die Mieter. Denn momentan leben sie zwar nicht in Vorzeigewohnungen, doch ermögliche ihnen die vergleichsweise niedrige Miete in der Heimat zu bleiben: „Glauben Sie wirklich, dass wir hier in der Nähe eine Wohnung mit einem vergleichbaren Mietpreis finden?“, fragt die Mieterin abschließend.

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