Internationales Musikfest Tegernsee
Tastenzauber am Tegernsee – von Armstrong bis Youn

Heute Abend eröffnet das Internationale Musikfest Tegernsee. Helge Augstein, Leiter des Festivals, spricht über Akustik, Twitter und lässige Pianisten.

Zu Gast bei uns in der Redaktion – Helge Augstein freut sich auf die nächsten Wochen. Foto: Julia Jäckel.

Wie herausfordernd ist es, gute Orte für klassische Musik hier im Tal zu finden?

Extrem, – extrem schwierig, weil wir wollen natürlich einerseits eine Festivalatmosphäre, Sommerfestival-Atmosphäre erreichen; aber andererseits brauchen wir eine bestimmte Größe. Also, der Barocksaal ist mir zu klein. 200, knapp 200 Personen, das reicht nicht für unsere Konzerte. Ich brauche schon 400, und das habe ich direkt am See – im Moment eben – tatsächlich nur im Seeforum oder in der Tenne.

Sind Sie zufrieden mit der Akustik im Seeforum?

Anzeige

Vor- und Nachteile gibt es in beiden Sälen. Es gibt die optimale Akustik, – sehr selten. Die Berliner Philharmonie hat sie, das Gewandhaus in Leipzig, der Konzertsaal in Birmingham, – die Elbphilharmonie schon nicht. Hier in der Tenne haben wir eigentlich grundsätzlich eine sehr gute Akustik, aber wir liegen direkt an der Bundesstraße, die man manchmal natürlich etwas hört. Wenn laute Autos vorbeifahren oder knackende Motorräder, das ist nicht komplett schallisoliert, … also, ich höre das.

Im Seeforum ist das nicht. Da hab ich eine Klimaanlage, da habe ich perfekte Technik, fantastische Bestuhlung – da ist die Atmosphäre etwas anders und auch die Akustik, weil die Decke niedrig ist und der Saal eher breit. Dadurch ist die Akustik trockener; nicht schlecht, das darf man immer nicht vergessen. Sie ist nur anders.

Aber ich sage immer, dass nach 20 Minuten – Quatsch, 20 Sekunden, nach 20 Sekunden guter Musik vergisst man das völlig, ist das komplett weg.

Wie gehen Sie bei der Programmauswahl vor? Gehen Sie vor allem nach den Interessen des Publikums?

Ich versuche erst mal das Programm, ohne den Gedanken an ein Publikum, zusammenzustellen. Man muss erst mal Künstler finden, die in der Zeit überhaupt können – die verfügbar sind. Also die, die ich möchte, sind nicht unbedingt frei. Und dann gibt es natürlich einige – nicht mal so wenige –, die sagen: Tegernsee? Konzert? Nee, zu klein, zu unbedeutend.

Ich meine, wir sind nicht das Schleswig-Holstein-Festival, wir sind nicht die Ludwigsburger-Schlossfestspiele und schon gar nicht Salzburg.

Wie anspruchsvoll ist das Publikum hier?

Also das Tegernseer Publikum ist schon sehr anspruchsvoll. Es ist natürlich vergleichbar mit dem münchner Publikum, weil hier sehr viele Münchner ihre Ferienhäuser haben oder einfach oft nach München fahren, das hat natürlich am liebsten bekannte Namen. Sicher sein; dass sich Konzerne gut verkaufen, kann ich nur, wenn ich Stars einlade – und wenn ich jetzt ganz junge Leute einladen, die noch keiner kennt, ist es ein sehr großes Risiko. Das Gleiche gilt für zeitgenössischer Musik. Wenn ich Werke ins Programm nehme, die für die Leute sehr modern wirken oder die ihnen schräg vorkommen, dann ist der Kartenverkauf natürlich davon beeinflusst. Das ist ganz klar. Trotzdem machen wir natürlich sehr viel mit jungen Künstlern.

Ein Highlight ist sicher die Musikerin, Julia Fischer, die morgen spielt. So jemand zieht dann sicher?

Julia Fischer ist ein etablierter Star, das ist gar keine Frage. In Anführungsstrichen zieht sie auch, wobei … zwei gleichwertige Künstler haben nicht die gleichen Karrieren. Das liegt ausschließlich am Marketing. Also, das ist ganz erstaunlich. Kit Armstrong (spielt in der zweiten Woche, Anmerkung der Redaktion) zählt für mich zur absoluten Weltspitze der Pianisten. Der interessiert sich überhaupt nicht für Marketing, der macht keine schicken Fotos, der legt keinen Wert auf Interviews. Dem ist das alles vollkommen egal.

Dann muss er sehr, sehr gut sein …

Nein, er ist phänomenal, er ist wirklich phänomenal, aber dem ist das egal. Ich werde auch nie vergessen, bei seinem ersten Konzert, hat der Bayrische Rundfunk mitgeschnitten, das war noch in Schliersee. Er hat mich gefragt, soll ich ein paar Worte sagen? Stellt der sich hin und hält der einen musikwissenschaftlichen Vortrag.

Er hat mich gefragt, soll ich ein paar Worte sagen? Stellt der sich hin und hält der einen musikwissenschaftlichen Vortrag.

Es war mucksmäuschenstill. Es war phänomenal; und dann spielte er – und hinterher kam dann der Bayerische Rundfunk und hat gesagt: Wir haben da zwei, drei Stellen, die wir gerne nachschneiden würden. Sagt er: wieso? Live-Mitschnitt – bleibt so! Tschüss! Und ich hab gedacht, wie erfrischend; wie schön.

Natürlich kennen den alle, und er hat eine tolle Karriere. Aber, wenn der jetzt noch wollte und eine Marketing-Agentur beauftragen würde – hätte er noch eine ganz andere. Wie zum Beispiel Igor Levit, der der Weltmeister in twittern ist, der in allen Talkshows sitzt. Ich persönlich halte – ich meine, man soll ja nicht vergleichen – der Armstrong ist der bessere Pianist. Aber Levit ist der Bekanntere.

Julia Fischer?

Wir hatten sie ja zweimal schon, als Geigerin, sie ist ja weltberühmt. Aber dieses Jahr ist halt dieses besondere Konzert, wo ein Weltstar an der Geige, den man nur als das kennt, – was oft ist, dass Instrumentalisten noch dirigieren. Das gibt es ja ganz oft, weil die glauben dann irgendwann, sie können auch dirigieren. Einige wenige können das auch, die meisten können es eher nicht.

Das gibt es ja ganz oft, weil die glauben dann irgendwann, sie können auch dirigieren. Einige wenige können das auch, die meisten können es eher nicht.

Aber Julia Fischer spielt ja bei uns auch noch Klavier. Sie spielt ein Streichquintett, erste Geige, und beim Klavier-Quintett spielt sie den Klavier Part, – und das ist etwas so Außergewöhnliches –, dass ein Künstler auf zwei Instrumenten hervorragend ist. Das ist was Einmaliges. Das kriegt man vielleicht alle 20 Jahre. Erstaunlicherweise ist das nicht das Konzert, das am besten verkauft ist.

Welches ist denn am besten verkauft?

Die Eröffnung.

Wo ist es noch mau?

Insgesamt ist das Seeforum schwächer verkauft. Allerdings ist das der zweite Block. Das verändert sich noch. Deswegen ist auch ganz gut, wenn die ersten sehr gut verkauft sind und die später nicht so gut, weil dann hat man halt noch was. Andersrum ist schlecht.

Herzlichen Dank für Ihre Zeit!


Zum Programm des Internationalen Musikfest. Karten gibt es auch an den Abendkassen. Weiterlesen über das Internationale Musikfest geht auch.

SOCIAL MEDIA SEITEN

Anzeige
Aktuelles Interview

Diskutieren Sie mit uns
Melden Sie sich an und teilen Sie
Ihre Meinung.
Wählen Sie dazu unten den Button
„Kommentare anzeigen“ aus

banner
Share via
Copy link