Teile und herrsche an Kirwa/Kirta/Kirchweih

Kirwa: Oma und Opa werden ausgeführt, abgefüllt und angebettelt. Ein Comedy-Drama über Erbschleicherei vom Tegernsee. Wird Burschenschafter Jonas das Geld für sein Start-Up zusammenkratzen können?

Ein Comedy-Drama von Glückskolumnist Martin Calsow.

Am Wochenende ist Erbschleicher-Zeit hoch über dem See. Dann kommen aus München und dem Umland die SUV-Familien mit Senioren an Bord. Das Jungvolk erhofft sich über einen Ausflug in eines der feinen Restaurants einen Vorteil beim Erbe. Oma und Opa werden ausgeführt und abgefüllt, alte Geschichten, tausend Mal gehört, werden ertragen, nur damit die Eltern oder Großeltern, das Erbe nicht dem Tierheim, der AfD oder der freundlichen Pflegekraft aus Polen oder Gabun geben. Hier ein Gespräch, welches unsere Redaktion zugespielt bekam:

Ein Restaurant hoch oben über dem Tegernsee. Familie Schmaitzel aus Gräfeling fährt mit ihrem BMW-E-SUV (Dienstwagen von Vatti, Referatsleiter Verkehr, Stadt München) die Serpentinen hinauf. Stimmung ist angespannt. Kinder kamen nicht rechtzeitig aus dem Bett. An Bord befinden sich:

Anzeige

Vatti Johannes, 55, schütteres Haar, trainiert für Triathlon, Magenprobleme wegen Hausbau und jüngerer Freundin aus Nachbar-Referat “Gleichstellung”

Mutti Henriette, 53, Generation “Labialfalte”, halbtags Lehrerin an einer Bogenhausener Privatschule (Französisch/Biologie), gibt Shakrakurse am Staffelsee und macht viel Yoga in Schwabing

Sohn Jonas, 28, zwei Mal das Studienfach gewechselt, jetzt an einer Privatuni, studiert Sport-Management. Will Start Up gründen. Ihm fehlt Geld. Burschenschaftler

Tochter Liv, 18, engagiert bei fridays for future, wünscht sich Intim-Piercing und BMW-Mini zum Geburtstag. Will Mutti nur erlauben, wenn sie nicht durchs Abi fällt.

Oma Sigrid, 89, Witwe vom legendären Schuh-Großunternehmer Schmaitzel aus Kassel, schwerhörig aber millionenschwer, unter anderem existiert ein Landhaus in Rottach-Egern, muss zusammengeschoben werden. Dann ist Platz für einen Vierspänner im Luxussegment, glaubt der Sohn. Omas Wohlwollen ist der eigentliche Grund für den Ausflug. Sie darf vorne beim Sohn sitzen, während der Rest hinten eingezwängt Platz genommen hat.

Oben angekommen

Vatti: “Verdammt, wo ist die Aufladestation hier? Hinterwäldler allesamt hier”
Mutti: “Jonas, hilf der Oma mal”.

Jonas verdreht die Augen, schlurft zur Beifahrertür. Er ist missmutig. Der Janker, dem ihn seine Mutter aufgedrängt hat, juckt und müffelt.

Oma: “Ach, du trägst Manfreds Janker auf. Wie schön! Den hat meine Schwiegertochter also nicht weggeworfen…”

Lächeln zu Henriette, die verkniffen zurückgrinst.

Vater: “Schau Mama, wie schön der Tegernsee da. Die Einheimischen feiern Kirwa…”
Oma: “Wie bitte?”

Liv: „Wasn das für ne Abkürzung?“
Vater: “Der Tegernsee, da…unten…wie schön…”
Oma: “Jaja, mit dem Manni war ich oft hier oben. Da war der Gunther Sachs noch am Leben. Ein toller Mann. Mit dem wäre ich auch…Ich bin ja damals…”
Vater: “Ja, wissen wir doch. Komm, nimm den Arm vom Jonas. der hilft dir gern.”
Oma: Zeigt nach Gmund.
“Da drüben hat der Himmler gewohnt…”
Liv: leise zur Mutter murmelnd:
“Die ist voll Nazi.”

Beim Essen

Mutter: “Oma, der Jonas ist ja jetzt bald mit dem Studium fertig, der peilt seinen Bachelor an…”
Oma: “Ja, endlich mal. Mein Manfred hat in seinem Alter ja schon fast hundert Arbeiter beschäftigt.”

Jonas schaut aus dem Fenster. Liv scrollt durch ihr Insta-Profil. Vater fragt nach einem Weißwein. Erntet einen bösen Blick der Gattin, bestellt eine Holunderschorle für Siebenfuffzig. Mutter trinkt mit einem Hieb ihr mit Eiswürfel und Chardonnay gefülltes Glas leer. Sie muss ja nicht fahren. Zudem steht am Abend noch eine Diskussion mit dem Gatten über diese Trulla aus der Gleichstellungsabteilung an, die ihm nachstellt…

“Also, der Jonas, der will so werden wie dein Manfred, der will ein Unternehmer werden.”
Oma: “Ja, nur zu. der hat ja alles, was man braucht.”
Mutter: “Also, Jonas. Erzähl doch mal…”

Schaut auffordernd zu ihrem Sohn, bedeutet mit einer Handbewegung, laut zu sprechen.

Jonas: “Ja, also wir, ein Kumpel und ich von der WHU, wir wollen stylische Sportschuhe verticken über ein Portal…Da brauchen wir Anlaufkapital…”

Stille am Tisch. Alle schauen zu Oma, die eifrig ihre Suppe schlürft.

Vatti: “Mutter, hast Du gehört. Der Jonas, der…”
Oma: “Dein Sohn will mein Geld.”

Peinliche Stille. Der Ober steht plötzlich wie aus der Erde gewachsen erwartungsvoll am Tisch, reicht die Miniatur-Speisekarten. Vatti sucht nach der Lesebrille. Mutter lacht Henriette etwas hektisch.

Mutter: “Nein, er will einen Kredit. Aber er ist ja so jung. Und da dachten wir, dass Du unseren Jungen vielleicht unterstützen willst.”
Oma: “Ach, der Junge hat doch schon alles. der schafft das doch auch so. Unser Manfred hat immer gesagt: Hilf Dir selbst, dann hilft dir Gott. Ja, so war er. Unser Manfred. Kam aus dem Krieg. Mit nichts. Und dann war die Firma seines Vaters quasi nicht mehr da. Ausgebombt. die Fremdarbeiter alle weg. Schlimme Zeit. Aufbauen. Wieder richtige Löhne zahlen müssen. Schwielen hatte ich an den Fingern. Aber der Manfred hat am Abend immer gesagt: Bald sind wir so reich, da schenke ich Dir einen Mohren.”

Tochter Liv verschluckt sich an ihrem Wasser. Jonas checkt seine Emails, schickt eine Nachricht an seine Buddies: “Voll irre alle hier. Vielleicht doch Bankkredit?”

Vater: “Nein, nicht was Du denkst, Liv. Das war so ein Holzmohr, der hielt die Hände auf. Da konnte man die Schlüssel reinlegen. der steht noch bei uns im Keller. Total witzig.”
Oma: “Genau, der Roberto. So haben wir den genannt. Wie den Roberto Blanco.”
Mutter: “Naja, es geht ja um eine relativ kleine Summe. Nichts Großes. So eine Anlaufsache, bis Jonas Idee am Markt…”

Oma greift in ihre Tasche. Eltern schauen sich überrascht freudig an. Kommt jetzt der Scheck? Wird Henriette die Nerven behalten, wenn die Gleichstellungstrulla am Nebentisch auftaucht? Bekommt Liv das Piercing? Zweiter Teil folgt in wenigen Tagen.

SOCIAL MEDIA SEITEN

Anzeige
Aktuelles Allgemein