Spannungsfeld Tourismus im Tegernseer Tal
Geht das auch in Grün?

Am Freitag trafen sich die Grünen im Hotel Maier zum Kirschner. Dabei waren auch die DEHOGA und Vermieterinnen aus dem Tal. Sie tauschten sich über Wege zum nachhaltigen Tourismus aus. Anlass war der Besuch des Bundestagsabgeordneten Dieter Janecek.

maier kirschner
Das Hotel Maier zum Kirschner. Auch ein Familienbetrieb kann mächtig sein. Foto: Redaktion

Der Ort könnte kaum besser gewählt sein für eine Diskussion über die Zukunft des Tourismus im Tegernseer Tal: Das Hotel Maier zum Kirschner ist ein Familienbetrieb in sechster Generation. In den 50er Jahren war hier Landwirtschaft, erzählt Daniela Maier, die das Hotel zusammen mit ihrem Mann Franz führt. Neben dem Kirschner rangieren Muldenkipper in einer Kiesgrube. Hier soll bis 2026 das 5-Sterne-Hotels Severin*s entstehen. Direkt nebendran.

Raus aus der grünen Blase

Die beiden Häuser stehen stellvertretend für ein Dilemma des Tegernseer Tourismus: Hier familiäre Gastfreundschaft, dort veredelter Luxus. Da eine Familie, hier ein Großinvestor. Hier Geld, dort Erbschaftssteuer. Hier ein freundlicher Händedruck zur Begrüßung, dort ein futuristischer Avatar.

Diese Gegenüberstellung mag vereinfacht sein, doch sie spiegelt die Fragen wider, die alle beschäftigen. Alle, das sind an diesem Freitag im holzvertäfelten Gastraum des Maier zum Kirschner an die 20 Leute: Grüne, Gemeinderäte, Vermieter, Gründerinnen. Von der Tegernseer Tal Tourismus GmbH (TTT) ist keiner da.

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Ein paar bauchige Kaffeekannen stehen auf dem Tisch, ein paar bunte Moderationskarten liegen vor Thomas Tomaschek, Vorsitzender der Grünen im Ortsverband Tegernseer Tal und Gemeinderat in Rottach-Egern.

Zu Besuch ist Dieter Janecek

Zu Gast ist der Münchner Dieter Janecek. Er ist Mitglied im Deutschen Bundestag und koordiniert in der Bundesregierung das Thema Tourismus. Das Treffen in Rottach-Egern hat er noch kurz vor seinem Sommerurlaub reingequetscht. Ein ruhiger, diplomatischer Typ, hochgewachsen, mit Drei-Tage-Bart. In München kennt man ihn unter anderem, weil er die Klage gegen die Feinstaubbelastung in München vor den Europäischen Gerichtshof brachte und gewann.

Neben ihm sitzt Christian Bär, Hotelier in Murnau am Staffelsee und oberbayerischer Bezirksvorsitzender des Deutschen Hotels und Gaststättenverbandes (DEHOGA). “Wir schauen ganz viel hierher,” sagt Bär. Das ist keine Drohung, sondern die Klarstellung, dass der Tegernsee eine Premiumdestination ist. Eine Blaupause für den Erfolg – und manchmal auch fürs Scheitern.

Vergangene Visionen und ein Mangel an neuen?

Erst vor ein paar Wochen hat der Tegernseer Stadtrat dem Almdorf den Stecker gezogen, nachdem das Bauprojekt über 13 Jahre nicht in Schwung gekommen war. Nicht mehr als eine Kiesgrube erinnert an die Vision eines Almdorfes. Verhindert wurde es nicht durch einen politischen Beschluss, sondern durch einen Verwaltungsakt. Der Stadtrat Tegernsee lehnte erst vor ein paar Wochen eine weitere Verlängerung der Baugenehmigung ab.

Tourismus hängt an Überthemen

Dieter Janecek berichtet aus Berlin und hat Beispiele mitgebracht. So soll die Digitalisierung helfen, dem Fachkräftemangel zu begegnen: Etwa mit Apps, die schnell und zuverlässig alle Gasthäuser und ihre Öffnungszeiten aufführen. Was das finanzielle Polster für Investitionen angeht, ist er klar: “Die Kassen sind leer und das wird vermutlich auch die nächsten zwei Jahre bleiben”.

Daten und Fakten: Bayern spielen die Hauptrolle

Die Hälfte des gesamten Tourismus im Landkreis Miesbach spielt sich im Tegernseer Tal ab: Mit 1,5 Millionen Übernachtungen und 353.765 Ankünfte im Jahr 2023. Insgesamt verzeichnet der Landkreis Miesbach 741.335 Ankünfte.

Die meisten Gäste kommen aus Deutschland, 46 Prozent aus Bayern (Quelle: Jahresbericht 2023 REO). Dahinter reiht sich Nordrhein-Westfalen (14 %) und Baden-Württemberg (12 %). Rheinland-Pfalz reißt, wie auch die Zahl der ausländischen Gäste, nicht mal die Fünf-Prozent-Hürde.

“Innerhalb von zwei Jahren sind die Kosten extrem aufgeschraubt. Das können die Unternehmen nicht stemmen”, sagt Bär und meint unter anderem die Energiepreise. Schnell schiebt er Forderungen der DEHOGA an die Bundesregierung ein: Etwa die Senkung der Mehrwertsteuer und Bürokratieabbau. Beispiel? Dass ein Küchenchef mehr Zeit mit der Auflistung der Allergene aufwenden muss, als mit der eigentlichen Kochplanung.

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Baustelle Severins; hier entsteht ein Hotel mit Zimmern im Chalet-Style. Foto: Redaktion

Anne Rösel von der Eismanufaktur Tegernsee ist wütend, dass die Mehrwertsteuer mit ihrer Idee von Nachhaltigkeit nicht zusammengeht. Sie hätte gern Mehrwertgeschirr an ihre Kundinnen ausgegeben. Dann wäre jedoch ihre siebenprozentige Besteuerung futsch. Jetzt also Einwegbecher: “Das ist ein Riesenmüllberg, das ärgert mich enorm.”

Birgit Trinkl (FWG), zweite Bürgermeisterin von Bad Wiessee, vermietet Ferienwohnungen. Ihr machen aktuell die Corona-Nachzahlungen zu schaffen. Auf die Randbemerkung Tomascheks, dass Bad Wiessee komplett umgegraben sei, erklärt sie sich. Der Rat hat vor zwei Jahren Leitlinien für den Umgang mit Großprojekten beschlossen: “Wir wollen keine Käseglocke, aber nicht weiter Neues planen”.

Bad Wiessee: Zahlen

Bad Wiessee ist nicht nur in Sachen Tourismus mehrfach auf dem ersten Platz in der Region Tegernsee und Schliersee: Was Übernachtungen angeht (567.683), die Aufenthaltsdauer (fünf Tage, im Schnitt sind es drei) oder auch die Anzahl der Betten (3.426) (Quelle: REO Jahresbericht 2023). Mit drei großen Rehakliniken (Kirinus, Hubertus, Jägerwinkel) hat Bad Wiessee eine Sonderstellung im Tal, aber auch mit seinen Bauprojekten: Ortsmitte, das Hotel Seegut, der Gasthof zur Post.

Gerade die vielen Baustellen am Tegernsee würden die Touristen irritieren. So erzählt es Tomaschek, der auch als Heimatführer unterwegs ist. “Die Touristen sind teilweise schockiert.”

Ressourcen und Verkehrsprobleme

Gerade die langen Bauentwicklungen führten dazu, dass vieles aus der Vergangenheit nicht mehr in die Jetztzeit passe. Etwa, was den Umgang mit endlichen Ressourcen angehe. “Ob wir uns später einmal verteidigen müssen, wenn wir unseren Enkeln erzählen, dass wir unsere Toiletten mit Trinkwasser gespült haben? fragt Tomaschek zynisch auf eine Anmerkung, warum man nicht zukünftig bei Bauprojekten auf Grauwasser setze …

Klima, Personalmangel, Wohnungsbau, Grundstückspreise, Digitalisierung ranken sich um den “nachhaltigen” Tourismus im Tegernseer Tal. Diskussionen, die weit über den See hinausreichen: Auch die Frage nach dem Verkehrsaufkommen im Tegernseer Tal ist unvermeidlich. Im Sommer rollen Touristen und Einheimische in Schrittgeschwindigkeit um den See. Die Diskussion darum wird erst am Schluss eindringlich von Rösel eingefordert. Sie hat auch eine Idee: “Wie wär es mit einer Maut? Verbunden mit einem Parkhaus in Dürnbach?”

Das wird abgewiegelt. Wurde alles schon angedacht. Gehe so nicht. Auch Bär macht frühzeitig in der Diskussion klar, ob man sich die Fragen gestellt habe, wie viele Gäste man noch wolle? Schließlich erlöst Daniele Maier die Diskutanten und lädt zur Führung durchs Haus.

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