Umstrittenes Heizwerk wird immer umstrittener

Nach viel Aufklärungsarbeit durch Karl Schönbauer und dem Miesbacher Ingenieurbüro EST wurde das umstrittene Kraftwerk im Rahmen einer EU-Ausschreibung auf die nächste Stufe gehoben. Doch das sorgt für hohe Kosten. Und die Unsicherheit, ob das Projekt so jemals kommt, steigt weiter.

So soll das Heizwerk hinter dem Badepark aussehen / Gemeinde Bad Wiessee

Lange wurde um den Standort am Badepark gerungen. Besorgte Nachbarn überlegen noch juristische Schritte. „Das Heizwerk hat schon ziemlich viel Feinstaub aufgewirbelt“, klagte vor einigen Monaten Wiessees Bürgermeister Peter Höß. Doch er zeigte sich auch überzeugt davon, dass das Heizwerk mit Fernwärmenetz ein Beitrag zur Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen wäre. Zudem würde es die Luft verbessern und dem Ort helfen, sein Prädikat als heilklimatischer Kurort zu sichern.

Die Vorarbeiten dazu lieferten Karl Schönbauer vom Arbeitskreis Tegernseer Tal Energie und Klimaschutz (ATTEK) und Michael Brünner, Chef des Miesbacher Ingenieurbüros EST (EnergieSystemTechnik). Das Kraftwerk würde, so die Idee, zu 80 Prozent mit Holz aus den Wäldern rings um die Gemeinde versorgt. Der Knackpunkt aber sind konkrete Zusagen von potentiellen Abnehmern.

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Ein Bunker am Badehaus

Bisher gibt es nämlich nur Absichtserklärungen. Was fehlt ist ein Schlüsselkunde wie das Hotel-Großprojekt der Familie Strüngmann am Seeufer. Definitiv abgewunken haben bereits die Schweizer Investoren von SME, die einen Steinwurf weit entfernt vom geplanten Heizwerk ihr Aktivitätshotel auf dem ehemaligen Jodbad-Gelände errichten wollen. Sie sollen sich für eine „unabhängige Wärmeversorgung über ein eigenes Blockheizkraftwerk entschieden“ haben. Damit wird auch immer unsicherer, ob das Großprojekt jemals umgesetzt werden kann.

Geplant ist ein 17,50 mal 17 Meter großes, sechs Meter hohes Gebäude mit Flachdach, an den Badepark angebaut. Der Bunker für 310 Kubikmeter Hackschnitzel ist vier Meter tief in der Erde. Eine zweistufige Rauchgasreinigung durch einen sogenannten Multizyklon und einen Elektrofilter soll dafür sorgen, dass „oben aus dem Kamin nur Wasserdampf herauskommt“, so Brünner vom einstigen Planungsbüro EST, das die Kosten auf rund 6,2 Millionen Euro kalkuliert.

Im Norden des Badeparks sollen Heizkraftwerk und Brennstofflager entstehen / Grafik: Ingenieurbüro EST

Unabhängig davon aber treibt die Gemeinde die verpflichtende EU-weite Ausschreibung voran und hofft, dass sich mit der Zeit ein regionaler Betreiber für das Heizwerk interessieren wird. Auf der letzten Wiesseer Gemeinderatssitzung beklagte jetzt der für Peter Höß kommissarisch leitende Vize-Bürgermeister Robert Huber von der SPD, dass der Zwang der EU-Ausschreibung “ein bürokratisches Monster auslösst”.

So sind bisher – alleine für die Vorbereitung des Ausschreibung – rund 65.000 Euro für Juristen, Projektkoordination und technische Unterstützung angefallen. So betonte Huber:

Mir ist wichtig, dass die Öffentlichkeit weiß, was eine europaweite Ausschreibung bedeutet.

Dabei ist die erste Stufe des Prozesses bereits durch. Fünf Unternehmen, so die Gemeinde, hätten es in die zweite Runde geschafft. Die Frist laufe noch bis Dezember. Bereits Anfang nächsten Jahres könnte dann die Vergabe an einen „Contractor“ erfolgen. Ist dessen Nachweis einer Wirtschaftlichkeit erfolgt, wäre der „offizielle Projektstart spätestens Anfang 2021 zu erwarten“, das erklärten die Verantwortlichen vor Monaten.

Die erste Wärme, so die damalige Prognose, könnte dann ab dem Sommer 2022 erfolgen. Bei endgültiger Vergabe und Realisierung dieses Projektes gehe die Verantwortung an den jeweiligen „Contractor“ des Nahwärmenetzes über. Doch ob das überhaupt jemals so kommt, steht in den Sternen. So gibt es auch aktuell keine Zusage von Strüngmann. Und Wiesssees Vize Huber erklärte in der Sitzung, dass noch weitere Gespräche mit möglichen Abnehmern geführt werden müssten.

Interessenskonflikt oder Sicherheit?

Da sich das sehr unkonkret anhört, und die Gemeinde auf dem Invest sitzen bleiben könnte, regt sich weiter Widerstand gegen das Projekt. So betonte Ingrid Versen (CSU), dass Sie nicht nachvollziehen könne, warum sich die Gemeinde seit zehn Jahren nur noch von der Münchner Rechtsanwaltskanzlei Noerr beraten lasse. Einer der wichtigeren Anwälte bei Noerr ist SPD-Gemeinderätin Klaudia Martini. Ein klassischer Interessenskonflikt, so wittern Gegner seit Jahren.

Dagegen betonte Gemeinderat Rolf Neresheimer (ranBW), dass er vom Hackschnitzelwerk weiterhin begeistert sei und es gut finde, “dass der Gemeinderat das Projekt auf den Weg gebracht hat.” Gleichzeitig stellte er sich klar hinter die Entscheidung auch bei diesem Projekt mit der Anwaltskanzlei zu arbeiten: “Noerr gibt uns die Sicherheit, die wir brauchen.”

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