Erst dicke, später reine Luft

Das Projekt „Heizkraftwerk“ hat Feinstaub aufgewirbelt, sagte Wiessees Bürgermeister Peter Höß gestern. Nicht zuletzt deshalb sah sich die Gemeinde veranlasst, die „Luft im Ort“ entgegen aller Widerstände mithilfe der Presse zu reinigen.

Wiessees Bürgermeister Peter Höß (links) mit Karl Schönbauer (rechts) von ATTEK, der das Projekt “Heizkraftwerk” präsentierte. / Foto: N. Kleim

Wie berichtet ist zwischen Badepark und Breitenbach ein Heizkraftwerk geplant. Der erste Kamin steht schon, ein zweiter soll folgen. Protest gab es vor allem von Anwohnern, die eine massive Lärmeinwirkung durch den zu erwartenden LKW-Verkehr ebenso befürchten wie eine Verschandelung des Ortsbildes.

Bei dem Projekt gehe es nur um wirtschaftliche Interessen, argumentierte Hans-Gerd Lau, Sprecher der Interessengemeinschaft und ehemaliger Beschwerde-Beauftragter der Gemeinde Bad Wiessee. 80 Unterschriften hatte er deshalb von Anliegern gesammelt und zuletzt juristische Schritte angekündigt.

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Aktueller Projektstatus

„Es gibt immer noch Leute, die Widerstand leisten“, sagte Wiessees Bürgermeister Peter Höß gestern im Sitzungssaal des Rathauses. Weil „viele Dinge nicht sauber argumentiert werden“, habe man entschieden, die Presse über den aktuellen Projektstatus am umstrittenen Standort neben dem Badepark aufzuklären.

Mit dabei waren die Gemeinderatsmitglieder Bernd Kuntze-Fechner (SPD), Rolf Neresheimer (RAN) und Florian Sareiter (CSU) sowie Michael Brünner, Chef des Miesbacher Ingenieurbüros EST (EnergieSystemTechnik), und Karl Schönbauer vom Arbeitskreis Tegernseer Tal Energie und Klimaschutz (ATTEK). Das Heizkraftwerk sei Wiessees Beitrag zur Energiewende, begann Höß seine Argumentation und fügte hinzu:

Die Luftreinhaltung ist für einen heilklimatischen Ort wie Bad Wiessee von entscheidender Bedeutung. Durch das Heizkraftwerk kann eine deutliche Verbesserung der Luft erzielt werden.

Aus den Kaminen werde auch kein Rauch aussteigen, sondern Wasserdampf. Der Standort Badepark sei deshalb am vorteilhaftesten, weil dort bereits ein Gas-Blockheizkraftwerk im Badepark vorhanden sei. Auch andere heilklimatische Luftkurorte wie beispielsweise Reit im Winkl hätten „ihre Dunstwolke mit einer Hackschnitzelanlage in den Griff bekommen“, sagte Höß. Nichtsdestotrotz nehme man die Anregungen der Anlieger sehr ernst, betonte Karl Schönbauer.

Betreiber für Heizkraftwerk fehlt noch

Zur Umsetzung der vereinbarten Klimaschutzziele wie Energieunabhängigkeit, Energieeinsparung und Energieeffizienz sei die Gemeinde bis 2035 verpflichtet. Im Interesse der Bürger, aber auch der Urlaubsgäste müssten diese „mit Nachdruck“ verfolgt werden. Mitte März soll das Projekt dem Landratsamt vorgestellt werden. Zwar habe man noch keinen Betreiber für das Heizkraftwerk, so Schönbauer, sei aber dafür in der Kundenakquise schon einen Schritt weiter.

Von links: Rolf Neresheimer, Florian Sareiter, Bernd Kuntze-Fechner und Bürgermeister Peter Höß lauschten dem Vortrag von Karl Schönbauer. / Foto: N. Kleim

Schlüsselkunden wie beispielsweise das Autohaus Kathan oder Strüngmanns Firma Athos GmbH hätten bereits ihre Bereitschaft signalisiert, dem Nahwärmenetz vertraglich beizutreten. Unternehmer Thomas Strüngmann könne allerdings erst mitmachen, so seine Aussage, wenn sein Hotelprojekt an der Wiesseer Seepromenade konkret werde. „Ohne ihn wird’s schwierig“, gab Michael Brünner zu.

Ein Zuckerl für Anschlussnehmer

Das Schweizer Unternehmen SME hingegen, das mit dem Kauf des Jodschwefelbades ein Aktivitätshotel mit 121 Zimmern realisiert, ist laut Schönbauer nicht zu einer ökologischen Lösung bereit. SME sei der Meinung, mit Gas künftig günstiger zu fahren. Insgesamt hätten jedoch 29 potentielle Anschlussnehmer eine mündliche Zusage getroffen.

Allein mit den Zusagen und Absichtserklärungen könnten 540.000 Liter Heizöl ersetzt werden. Für alle (Frei-) Willigen winkt zudem die Chance auf ein besseres Internet. Quasi als „Zuckerl“ verspricht die Gemeinde eine mit bis zu 50.000 Euro geförderte Verlegung von Leerrohren für Glasfaserkabel direkt bis zum Haus der Anschlussnehmer.

Anschlussbereich wird eingegrenzt

6,5 Millionen Euro koste das Projekt insgesamt, so Schönbauer. Nach Abzug der staatlichen Förderung in Höhe von 530.000 Euro und der kalkulierten Einnahmen in Höhe von 1,07 Millionen Euro würden netto vier Millionen Euro übrigbleiben, die der künftige Betreiber zu finanzieren habe. Während die Gemeinde ihren Beitrag in Form des zur Verfügung gestellten Grundstücks leiste, welches mit 300.000 Euro veranschlagt ist.

Eingegrenzt werden soll der Nutzungsbereich des Nahwärmenetzes auf das ehemalige Spielbankgelände bis hin zum Rettungszentrum. Hier mache nur ein konzentrierter Energiebedarf Sinn, um die ökologische Wärme optimal nutzen zu können, erklärte Brünner und fügte hinzu: Der künftige Betreiber, der noch per Ausschreibung gesucht werde, müsse langfristig planen und anfangs mit geringer Rendite rechnen. Im Idealfall stelle man sich jemanden aus der Forstwirtschaft vor, der zusammen mit der Gemeinde eine Betreibergesellschaft gründet.

Klimaschutz, regionale Wertschöpfung und die Sicherung von Arbeitsplätzen sollen langfristig mit dem Projekt gewährleistet werden. Das für das Kraftwerk benötigte Hackgut holt man sich aus den Wäldern – im Umkreis von etwa 30 bis 40 Kilometern. Vorrangig soll Abfallholz verwendet werden.

Wenig Materialkosten durch kurze Anfahrtswege

Allein mit dem Wald aus der Gemeinde Bad Wiessee könne man zweieinhalb Hackschnitzelanlagen nachhaltig versorgen, erklärte Brünner. Sieben Heizkraftwerke könne man mit dem Baumbestand aus dem gesamten Landkreis bedienen. Der Entladevorgang des Schüttguts am Heizkraft dauere etwa fünf Minuten, wiegelte Brünner den Lärmvorwurf ab. Diesen „Lärm“ gleiche die reine Luft wieder aus. Mit einem Geräuschpegel zwischen 35 und 40 Dezibel sei allerhöchstens zu rechnen. Das könne man in etwa mit dem Geräusch einer Spülmaschine vergleichen, so Brünner. „Der Breitenbach dahinter ist lauter“.

Michael Brünner (links) unterstützte die Ausführungen von Karl Schönbauer (rechts). / Foto: N. Kleim

Durchschnittlich zwei Lkw-Fahrten seien pro Tag zu erwarten, ergänzte er. Das wären im Schnitt 338 Fahrten pro Jahr. Angedacht sei ein Zeitfenster für die Anlieferung von 9 bis 12 Uhr oder 15 bis 18 Uhr. Die Ausschreibung für einen Betreiber der Anlage soll bis zum Sommer über die Bühne gehen. Danach könne man das Projekt starten, sodass – wenn alles glatt läuft – die Anlage Ende 2019 beziehungsweise Anfang 2020 in Betrieb gehen könnte.

Die moderne Heizwerk-Anlage – mit Multizyklon zur Abgas-Vorreinigung und Elektrofilter – sei ein „Quantensprung im Feinstaub-Auffang“ und für die gesamte Region von Bedeutung, stellte Karl Schönbauer abschließend fest. Rolf Neresheimer ist davon überzeugt, dass sich dieser „ökologische Fußabdruck“ entsprechend vermarkten lasse. Erfolgreich sei das Projekt aber nur, wenn sich sowohl Hotellerie als auch Privatleute der Anlage anschließen würden, machte Florian Sareiter am Ende der Veranstaltung noch einmal deutlich. Und natürlich, wenn Strüngmanns Zusage kommt.

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