„Unglaubliche Zustände“ herrschten gestern in von der BOB eingesetzten Ersatzbusse zwischen Schaftlach und Gmund. Das teilt ein Fahrgast mit, der aufgrund der Baustelle in Finsterwald auf den Schienenersatzverkehr ausweichen musste. Man sei „wie Sardinen eingezwängt“ gewesen.
Dieser Zustand ist allerdings alles andere als temporär und beginnt schon viel früher – nämlich am Münchner Hauptbahnhof. Steigt der Ausflügler dort – insbesondere am Wochenende – in die BOB, um mit dem Zug zum Tegernsee oder nach Schliersee zu fahren, muss er entsetzt feststellen: Die Anzahl der Sitzplätze ist viel geringer als die Anzahl derer, die einen suchen.
Volle Busse und Züge
Wer im Dickicht der Reisenden unterzugehen scheint, dem widerfährt oft folgendes Szenerio: Er kann gar nicht mehr darauf achten, was am Zug angeschrieben steht. Und so steigt er zu allem Überfluss auch noch in den falschen Waggon. Statt im Zug zum Tegernsee oder nach Lenggries zu stehen, landet er in einem, der über Miesbach zum Schliersee bis nach Bayerischzell fährt. Endstation.
Die Züge sind ausgelastet. Alle wollen an den Tegernsee. An den Wochenenden fahren sie etwa alle halbe Stunde. Eine engere Taktung ist auf der teils einspurigen Strecke nicht möglich. Genau diese Eingleisigkeit verhindere mehr Züge, sagt BOB-Chef Bernd Rosenbusch, und er fügt hinzu:
Wir arbeiten ja an neuen Zügen, die hoffentlich ab 2020 fahren und noch mal mehr Sitzplätze bieten.
Am Wochenende seien alle verfügbaren Züge im Einsatz gewesen, die „auf die Gleise passten“, beteuert der Pressesprecher. Aktuell hat die BOB 17 Züge des Modells Integral auf den Schienen, neun Züge eines anderen Modells. Technische Probleme hatten die Züge des Modells Integral von Beginn an. Weil die Herstellerfirma pleiteging, wurden auch keine neuen nachgebaut, geschweige denn die alten nachgebessert. Rosenbusch: “Die heutigen Züge gibt es nicht, kann man also auch nicht nachbeschaffen.”
Bis zur geplanten Elektrifizierung will man sich deshalb neue Dieselfahrzeuge anschaffen (wir berichteten). Diese wolle man, sofern alle Rahmenbedingungen stimmen, im September bestellen, sagt Rosenbusch, sodass im Mai 2020 mit ihnen gerechnet werden kann.
Das wäre für die Qualität ein Quantensprung. Einwandfreie Klimatisierung, mehr Sitze und nur ein Zugtyp, was den Betrieb erleichtert.
Bei noch mehr Zügen müsste der Halbstundentakt ausgeweitet werden, so Rosenbusch. „Das ist aber ein Fahrplanthema und liegt nicht bei uns.“ Vor allem müsste das Netz ausgebaut werden. Man brauche da mehr Begegnungsstellen, um eben die Eingleisigkeit an den Stellen auszuhebeln.
Und als Zwischenalternative längere Züge mit mehr Waggons einzusetzen geht schon allein aus dem Grund nicht, weil die Bahnsteige – wie beispielsweise in Schaftlach – dafür zu kurz sind. Etwas länger ist anscheinend der Informationsweg, wenn Ausflüger, so wie am Wochenende ab Schaftlach, in überfüllte Busse ausweichen mussten. Rosenbusch zeigt sich überrascht:
Nach unserer Erkenntnis musste kein Fahrgast zurückbleiben. Wir achten da sehr stark drauf und steuern immer kurzfristig nach.
Wenigstens kamen die Fahrgäste stehend von A nach B. Vor etwa vier Wochen blieben 64 Schüler der Quirin-Regler-Grundschule ab Holzkirchen weinend auf dem Bahnsteig zurück, weil die BOB keine Kapazitäten mehr hatte, sie zu befördern. Und das, obwohl sie ihre Fahrt angemeldet hatten. Einen zusätzlichen Zug habe man nicht anhängen können, so hieß es, da alle Züge an diesen Ausflugstagen bereits unterwegs gewesen seien.
In einem Leserbrief hatte sich Rosenbusch öffentlich entschuldigt. „Es waren schlicht schon aus München kommend zu viele nicht angemeldete Schülergruppen in den Zügen. Wie man sich vorstellen kann, sind die nicht bereit, den Zug dann in Holzkirchen zu verlassen.“ Eine Verweigerung des Eintritts in München oder gar eine „Räumung“ in Holzkirchen, eventuell noch mit Polizeieinsatz, hätte Stunden gedauert, so Rosenbusch weiter, und wäre auch nicht angemessen gewesen.
„Alle Appelle an mehr als 100 im Mai angeschriebene Schulen, sich anzumelden, haben leider nicht gefruchtet.“ Und noch einmal macht er deutlich, dass mehr Fahrten als alle halbe Stunde im Oberland wegen der Eingleisigkeit der Strecken unrealisierbar seien. Ein Ausbau der Strecken liege zudem in der Hand des Bundes – und nicht bei der BOB.
Mehr geht nicht
Überrascht sei Rosenbusch von der Aussage gewesen, dass das Krisenmanagement bei der BOB nicht funktioniert habe. Man habe sofort einen Bus bereitgestellt, der einen Großteil der Kinder sogar direkt bis zu ihrer Unterkunft gebracht hat. Alle weiteren konnten eine Stunde später mit der nächsten BOB ohne Probleme weiterfahren.
Die Rückfahrt sei einwandfrei verlaufen, sagt der Pressesprecher. Die Stimmung im Zug sei bei den von der BOB verteilten Süßigkeiten und Spielen „sehr gut“ gewesen. Man bemühe sich intensiv um alle Kunden, aber manchmal sei dies schlicht unmöglich.
Nach 20 Jahren bei der Eisenbahn könne er behaupten, so Rosenbusch weiter, dass das Krisenmanagement-Personal „extrem schnell und unbürokratisch“ reagiere. So seien nach 60 Minuten alle Schüler fast am Ziel oder wieder unterwegs gewesen. Mehr ginge schlicht nicht.
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