Warum gerade am Vatertag viele Männer in Trikots nach Bad Wiessee kommen
Vatertag oder was Lourdes mit Uli Hoeneß zu tun hat

Heute kommen wieder Männergruppen nach Bad Wiessee. Sie ziehen schnaufend hinauf zum Freihaus. Ziel der Herren: das Anwesen des einstigen Bayern-Präsidenten Ulrich Hoeneß: das Lourdes der Foto-Fans. Warum bloß?

Probieren auch gern die Tegernseer Rindsbratwurst (v.l.): Susanne und Uli Hoeneß am Seeadvent in Bad Wiessee. / Quelle: Ellmaier (REO)

Zu den Absonderlichkeiten menschlichen Tuns gehört der Wunsch, sich mit Prominenten ablichten zu lassen. Da wird einem Schauspieler oder Fußballer das Handy hingehalten und gemeinsam grinst man in die Linse. Und speziell heute, wenn Mutti nicht aufpasst, zieht es den Mann und Vater gruppenweise ins Tal. Erst Hoeneß, dann Bräustüberl. Es sind meist Fans anderer Vereine, aber das ist nur ein Eindruck. Klar, wer weiß schon, wo der Präsident des VFL Bochum oder Holstein Kiel wohnt?

Oben angekommen, schleichen sie um das Haus, starren auf den großen Nadelbaum, suchen vergebens nach einem Salzteig-Türschild, um es als Fotobeweis hinaus in die digitale Welt zu senden. So was wie “Hier wohnt die Susi, der Uli und der Hund”. Aber da steht nur eine Schranke. So steht der fussballaffine Papi-Trupp in seinem Polyester/Elastan-Trikot und schaut verstohlen über den Zaun. Irgendwo muss er doch sein, der Uli. Es wird munter auf Haus und Garten draufgeknipst. Die Einfahrt hochgelaufen.

“Darf ich. Habe ich in dem Internetz gelesen (“Ihre Rechte als Promidussel”).” Fragt man höflich, ob man das auch akzeptierte, wenn jetzt der Hoeneß unangemeldet bei den Papis in Pfaffenhofen oder Peine vor der Doppelhaus-Tür stünde, wird nur gehässig gelacht. Privatsphäre? “Ach was. Der ist doch Promi.” Ich bin ausdrücklich kein Fan des FC Bayern München. Und mir ist die PR-Brillianz des Herrn Hoeneß durchaus bekannt. Aber auch hier gibt es eben Grenzen. Sein Haus und seine Familie gehören dazu. Diese Distanzlosigkeit ist abstoßend und bedarf viel grundsätzlicher Liebe zur Menschheit, um ertragen zu werden. Aber nicht nur Weltmeister-Promis sind von der “Ich will dich knipsen” Sucht betroffen.

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Vor einiger Zeit saß ich in einem bekannten Gasthof im Tegernsee. Zufällig saß am Nebentisch ein Bundespolitiker, der mit seiner Familie einfach nur einen ruhigen Abend haben wollte. Nebenan saß eine Gruppe mittelalter Menschen, die erst verstohlen aus der Hüfte Fotos vom Nebentisch machten, ehe sie alle Hemmungen verloren, aufstanden und einen Meter vom Politiker entfernt, drauflos knipsten. Kein Fragen, kein Entschuldigen, einfach so. Die Familie des Politikers ertrug diesen Eingriff in die Privatsphäre stoisch, aber angespannt, bis der Wirt des Gasthofs dazwischenging. Noch beim Bezahlen zeterte die Gruppe, Politiker seien alle gleich. Wollten gewählt werden, aber bei Fotos seien sie pingelig.   

Der Tegernsee hat das nicht nötig. Er war schon immer Heimat diverser Persönlichkeiten. Aber vor Einführung des Smartphones blieb den Promi-Geilen meist nur die Bitte um ein Autogramm. Heute wird das Telefon mit Kamera diesen Menschen vor die Nase gehalten. Der fehlende Respekt vor anderen Personen führt nach meinem Dafürhalten zu immer mehr unhöflicher Distanzlosigkeit, mündet auch gern in Beleidigungen und Angriffen.

Es wäre schön, wenn man mit dem Fotografieren der Landschaft und des eigenen Gesichts genug zu tun hätte. Speziell die Motive über den gesamten Verlauf eines Vatertags bieten in den Folgetagen genug Anlass zum Schmunzeln …

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