Freispruch nach Massenprügelei in Rottacher Asylunterkunft

Im Juni 2016 gingen rund 30 Asylbewerber in ihrer damaligen Unterkunft, der Traglufthalle in Rottach-Egern, aufeinander los. Ein 26-jähriger Afghane stand im Verdacht, bei der Massenprügelei einen Christen attackiert zu haben. Doch am Ende fehlten die Beweise.

Im Juni 2016 eskalierte ein Streit unter Asylbewerbern in der Rottacher Traglufthalle. / Quelle: Archiv

Im Sommer 2016 waren rund 99 Flüchtlinge in einer Traglufthalle am Rottacher Birkenmoos untergebracht. Wegen des Fastenmonats Ramadan hatte sich im Juni eine Gruppe muslimischer Gläubiger erst spät in der Nacht zum Essen und Diskutieren versammelt. Dadurch stieg der Lärmpegel in der Unterkunft, was einige der anderen Asylbewerber störte. Der Streit eskalierte, als rund 15 bis 20 Mitbewohnern nach dem Drei-Uhr-Gebet in das Zimmer eines zum Christentum konvertierten Mitbewohners gegangen sein sollen. Es kam zu einer Massenschlägerei unter rund 30 Asylbewerbern (wir berichteten).

Ein 26-jähriger Afghane musste sich nun vor dem Miesbacher Schöffengericht verantworten. Er stand im Verdacht, den Christen attackiert zu haben. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft: Gefährliche Körperverletzung. Das Gericht hatte zunächst die Verhandlung unterbrochen, um zwei weitere Zeugen zu hören. Einer der beiden geladenen Zeugen fehlte allerdings. Wie der Merkur berichtet, muss sich der Mann einer Ärztin zufolge zunächst in therapeutische Behandlung begeben, da er aufgrund des Vorfalls in der Asylunterkunft unter anderem Suizidgedanken habe.

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Verurteilter 24-jähriger Zeuge sagt widersprüchlich aus

So konnte am zweiten Verhandlungstag letztlich nur ein 24-jähriger Afghane aussagen. Er wurde aufgrund dieses Vorfalls bereits zu einem Jahr und sechs Monaten auf Bewährung verurteilt. Er soll damals den zum Christentum konvertierten Mitbewohner ebenfalls attackiert und gerufen haben, den Christen zu töten. Als Zeuge stand der 24-Jährige in der Fortsetzungsverhandlung nun unter Wahrheitspflicht. „Es kann Ihnen nichts passieren, wenn Sie noch einmal die Wahrheit sagen“, erklärte Richter Klaus-Jürgen Schmid. „Sie sind ja schon verurteilt worden.“

Doch bei seiner Aussage verstrickte sich der 24-Jährige immer wieder in Widersprüche. „Ich bin erst 30 Minuten nach allen anderen in das Zimmer des Opfers“, so der Zeuge. „Ob der Angeklagte dabei war, habe ich nicht gesehen.“ Auch den verletzten Christen will er nicht gesehen haben. Aufgrund seiner Verurteilung wurde diese Aussage allerdings bezweifelt. Richter Schmid setzte eine Unterbrechung an, um dem Zeugen eine weitere Chance zu geben, seine Aussage zu ändern – doch das tat der 24-jährige Afghane nicht. Daraufhin ließ Schmid den Mann vereidigen.

Am Ende fehlten die Beweise

Letztlich wurde der angeklagte 26-Jährige freigesprochen.„Die Vorwürfe gegen den Angeklagten haben sich heute nicht bestätigt“, so der Staatsanwalt in seinem Plädoyer. Dem Beschuldigten könne nicht nachgewiesen werden, dass er jemanden „mit Gegenständen abgeworfen“ hat. „Der einzige Zeuge, der das widerlegen könnte, ist nicht zu sprechen.“ Die logische Folge sei ein Freispruch. Schmid schloss sich dem Staatsanwalt an, sprach den 26-Jährigen frei und beendete die Schöffensitzung mit den Worten: „Es gibt nicht genügend Beweise für eine Verurteilung.“

Ursprünglicher Artikel vom 25. September 2019 mit der Überschrift: „Angriff auf einen „ungläubigen Christen“?“

Im Sommer 2016 lebten rund 99 Flüchtlinge in einer Traglufthalle am Rottacher Birkenmoos. Im Juni kam es in der Unterkunft zu einer Massenschlägerei. Die Beteiligten – darunter afghanische und iranische Staatsangehörige – seien, so die Wiesseer Polizei damals, zwischen 21 und 29 Jahre alt gewesen. Der Schlägerei zugrunde lag eine Meinungsverschiedenheit um die Nachtruhe.

Wegen des Fastenmonats Ramadan hatte sich eine Gruppe muslimischer Gläubiger erst spät in der Nacht zum Essen und Diskutieren versammelt. Dadurch stieg der Lärmpegel in der Unterkunft. Dies störte einige der anderen Asylbewerber, darunter einen zum Christentum konvertierten Mitbewohner. Nach wechselseitigen Pöbeleien und Beleidigungen eskalierte der Streit nach dem Drei-Uhr-Gebet vollends. Es kam zu einer Massenschlägerei unter rund 30 Asylbewerbern (wir berichteten).

Nun stand einer der Beteiligten vor dem Schöffengericht in Miesbach – ein 26-jähriger Afghane. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft: Gefährliche Körperverletzung. So soll der zum Christentum konvertierte Asylbewerber in der Nacht zu dem Angeklagten gegangen sein und ihn darum gebeten haben, für Ruhe zu sorgen. Die gewünschte Reaktion blieb allerdings aus.

Schlag mit Maßkrug ins Gesicht

Stattdessen sollen sich die jungen Männer aus Afghanistan und dem Iran empört haben, der „ungläubige Christ“ habe ihnen nichts zu sagen. Laut Staatsanwaltschaft sei der 26-jährige Afghane mit 15 bis 20 Mitbewohnern nach dem Drei-Uhr-Gebet dann in das Zimmer des „Ruhebedürftigen“ eingedrungen, um sich für die Beschwerde zu revanchieren.

Wie der Merkur berichtet, soll eine Ohrfeige in das Gesicht des Schlafenden der Anfang der Prügelei gewesen sein. Als der Geschädigte wach wurde und sich wehren wollte, soll ihm ein Maßkrug mit solcher Wucht ins Gesicht geschlagen worden sein, dass er einen Nasenbeinbruch erlitt. Die anderen Asylbewerber, die in dem Zimmer schliefen, wurden durch den Streit aufgeschreckt und ebenfalls Opfer der Übergriffe.

Laut Anklageschrift erlitt einer von ihnen eine Platzwunde – ebenfalls durch einen Schlag mit dem Bierkrug. Ein weiterer Asylbewerber, der nur zu Hilfe kommen wollte, sei mit einem Stuhl geschlagen worden und trug eine Kopfverletzung sowie Prellungen davon. Die Situation eskalierte laut Staatsanwaltschaft vollends, als jemand den Satz schrie:

Bringt den Christen um, weil sein Blut unrein ist.

Daraufhin sollen die Angreifer den Mann von seinem Bett gezerrt und derart ins Gesicht geschlagen haben, dass er ein Schädel-Hirn-Trauma erlitt – das berichtet der Merkur. Gegenstände wie eine Pfanne und Stühle sollen als Waffen missbraucht worden sein. „Was genau, war im Nachhinein nicht mehr zu ermitteln“, räumte die Staatsanwältin diesbezüglich ein. Fakt sei aber, dass alle geeignet gewesen seien, „erhebliche Verletzungen“ herbeizuführen.

Verteidiger des Afghanen bestreitet die Vorwürfe

Laut Merkur bestritt der Verteidiger des Afghanen, dass sein Mandant, der in der Jugendvollzugsanstalt Stadelheim in Haft sitzt, an der Prügelei überhaupt beteiligt war. „Er war mit dem Geschädigten befreundet, sie haben zusammen Fußball gespielt“, so der Anwalt. Nach dem Gebet habe der Angeklagte die Unruhen mitbekommen und daraufhin versucht, zu deeskalieren. „Er hat definitiv nicht geschlagen oder etwas geworfen.“ Diese Schilderungen bestätigte auch ein Zeuge, der die Massenschlägerei miterlebte.

Das Opfer selbst konnte sich nicht vor Gericht äußern. Wie der Merkur berichtet, ist seine Aufenthaltserlaubnis erloschen und er hat Deutschland mit unbekanntem Ziel verlassen. Ein weiterer Zeuge konnte ebenfalls nicht aussagen – er leidet seit der fraglichen Nacht unter einer posttraumatischen Belastungsstörung und wird therapeutisch behandelt. Anfang Oktober soll die Verhandlung vor dem Miesbacher Schöffengericht fortgesetzt werden.

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