Die heutige Gemeinderatssitzung hat es offenbar in sich. Während es im öffentlichen Teil bereits um die Vergabe von Gewerken für das neue Jodbad und der Quellensanierung bis zu einer Gesamtsumme von 10,3 Millionen Euro geht, was damit trotz damaligen Dementis des Bürermeisters erstmals dokumentiert wäre, scheinen wohl auch im nicht-öffentlichen Teil dicke Bretter gebohrt zu werden. Doch die Unterlagen zu den brisanten Themen vermisst die streitbare CSU-Gemeinderätin Ingrid Versen. Sie behauptet, vergangenen Freitag nur ein Kuvert mit der Ladung und Unterlagen für zwei Tagesordnungspunkte erhalten zu haben.
Wiessees Geschäftsleiter Hilmar Danzinger erklärt dies so, dass Versen im Gegensatz zu allen anderen Gemeinderäten nicht am Ratsinformationssystem teilnehme. „Weil sie das nicht möchte“. 15 Gemeinderäte würden die Post, ob Niederschriften oder öffentliche Sitzungspunkte, elektronisch auf ihr Tablet bekommen. Schon im Juni 2014 beschloss der Gemeinderat, die Papierflut durch Tablets zu ersetzen. „Frau Versen werden die Vorlagen seitdem in Papierform zugestellt. Dies ist auch zuletzt geschehen“.
Wiesseer Gemeinderat berät heute die „größten Brocken“
Versen begründet ihren Verzicht der elektronischen Post auf ihr kleines Tablet mit Kopfschmerzen, die sie schon nach kurzer Zeit beim Lesen erleide. Zuhause arbeite sie an einem großen Bildschirm. Deswegen bekomme Versen seit Jahren die Ladungen mit den Anlagen nach eigener Aussage immer per Post.
Dies klappte auch immer, so dass ich mich an den Wochenenden davor einarbeiten konnte.
Bei der Fraktionssitzung der CSU am Dienstagabend erfuhr sie dann, dass ihre Kollegen über 50 Seiten in ihrem Ratsinformationssystem zu acht wichtigen Punkten des nicht-öffentlichen Teils vorliegen hatten. Denn am Donnerstag gehe es um die „größten Brocken“ im Ort. „Ich stand da, wie der letzte Depp. Daraufhin schickte ich umgehend noch eine Mail ins Rathaus“.
Post an Versen „wird dokumentiert“
Es sei wirklich so, bekräftigt Danzinger auf Nachfrage, dass Versen immer die öffentlichen Sitzungsunterlagen erhalte. „Da sie aber mindestens jedes dritte Mal behauptet, die Unterlagen nicht erhalten zu haben, sind wir dazu übergegangen, den Briefeinwurf mit einem Handyfoto zu dokumentieren“. Für Danzinger ist dies möglicherweise ein „sehr seltsamer Zufall“. Denn die Unterlagen würden von ihm zusammengestellt und zur Poststelle gebracht.
Dieser Vorgang werde seit Jahrzehnten so praktiziert. “Mit keinem Gemeinderat gibt es Probleme, außer mit Frau Versen“. In gleichem Atemzug räumt Danzinger aber ein, dass er Versen als Person und wegen ihres „gesunden Rebellentums“ sehr schätze. Sie sei auch im Gemeinderat immer gut vorbereitet, „weil sie sich in die Geschichten richtig reinhänge“.
Versen droht Ordnungsgeld
Als dann Versen ankündigte, der Sitzung des Gemeinderats fernzubleiben, da sie nicht informiert sei, eskalierte die Lage wohl. Wenn sie aus Protest nicht komme, so Danzinger, sei dies ein unentschuldigtes Fehlen. Dann könne ein Ordnungsgeld verhängt werden, wenn der Beschluss des Gemeinderates entsprechend ausfalle.
Zu allem Überdruss bekam Versen gestern Post von der Gemeinde. „Ich dachte, es wäre noch geregelt worden. Doch es waren 59 Seiten für den Bauausschuss der nächsten Woche, dem ich gar nicht angehöre“. Sie finde das System, wie es jetzt sei, „unmöglich“. Danzinger kann nur bekräftigen, dass er mit den Unterlagen zur Bauausschuss-Sitzung nichts zu tun habe, „das macht die Bauverwaltung“.
Nach letztem Stand kommt Versen heute wohl doch zur Gemeinderatssitzung, denn Danzinger wollte noch am Mittwochabend die fehlenden Unterlagen persönlich bei ihr vorbeibringen. Um des lieben Friedens willen.
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