Schon seit Juni kursieren Gerüchte, dass die Netto-Filiale hinter dem Wiesseer Rathaus zum Ende des Jahres schließt. Rund zehn Jahre war der Supermarkt im Ortskern Versorger für viele Einheimische. Bald hätte Wiessee dann also nur mehr zwei Edeka-Märkte an beiden Enden des Ortes zur Nahversorgung zu bieten.
Netto selbst will auf Nachfrage immer noch keine konkreten Aussagen treffen. „Unserer Kenntnis nach hat sich einer der beiden Vertragspartner wohl dazu entschieden, das Vertragsverhältnis zu beenden bzw. nicht weiter zu verlängern“, erklärt Hilmar Danzinger, Geschäftsleiter der Gemeinde Bad Wiessee, auf Nachfrage.
Schon im Juni hatte Robert Kühn als SPD-Ortsvorsitzender appelliert, sich Gedanken zur örtlichen Nahversorgung zu machen und hier vor allem Bürgermeister Peter Höß in zur Verantwortung gezogen. Für Kühn und seinen Verein „Aktive Wiesseer“ schade jeder weitere Leerstand „massiv den noch verbliebenen Händlern“. Man brauche keine Einkaufsmöglichkeiten, die man nur mit dem Auto, sondern welche, die man zu Fuß oder mit dem Rad erreichen könne. „Dies trägt zudem zur Entlastung des Verkehrs und zur Nachhaltigkeit bei“, so Kühn im Offenen Brief an Höß und den Gemeinderat im Juni.
Gemeinde Bad Wiessee wird Vorgang nicht bewerten
Seitdem haben sich Höß und seine Gemeindeverwaltung nicht zum Thema geäußert. Geschäftsleiter Danzinger erklärt auf Nachfrage: „Wir als Gemeinde werden diesen Vorgang nicht bewerten, sondern nehmen ihn so zur Kenntnis.“ In einer Marktwirtschaft würden sich – in den allermeisten Fällen – wirtschaftliche Verhältnisse von selbst regeln, ohne dass sich eine staatliche Institution hier ins Spiel bringe – und das sei auch gut so, ist er überzeugt.
Es sei natürlich bedauerlich, wenn ein Lebensmittelversorger in einem Ortszentrum schließe. Trotzdem kann Danzinger die Situation durchaus nachvollziehen, wenn es um moderne und wirtschaftliche Anforderungen hinsichtlich Ladengröße und Anzahl von Stellplätzen gehe. Im vergangenen Jahr hatte Bad Wiessee ein Einzelhandelsgutachten in Auftrag gegeben. Es soll eine Entscheidungshilfe für die weitere Entwicklung im Ort sein.
„Das von uns in Auftrag gegebene Einzelhandelsgutachten empfiehlt nachdrücklich, zusätzlich zu den Versorgungsmöglichkeiten im Norden und Süden von Bad Wiessee, einen Vollsortimenter in der Ortsmitte“, erklärt Danzinger. Das Areal des ehemaligen Hotels Ritter, welches in privater Hand liege, biete sich hier auch bestens an. „Soweit uns bekannt ist, gibt es hier auch mögliche Verkaufsabsichten, die allerdings noch kanalisiert werden müssen“, so der Geschäftsleiter weiter. Die Forderungen der Aktiven Wiesseer seien in diesem Sinne höchst nachvollziehbar.
Die Gemeinde werde daher auch, soweit es in ihrer Hand liege, einen möglichen Verkaufsprozess unterstützen und auf eine bedarfsgerechte Entwicklung dieses Schlüsselgrundstücks in der Ortsmitte größtes Augenmerk legen. Robert Kühn sieht das Vorgehen der Gemeinde dennoch kritisch:
Über dem Netto hängt schon seit Jahren ein Damoklesschwert. Da hätte die Gemeinde früher geeignete Maßnahmen ergreifen müssen, um einen Leerstand zu verhindern.
Außerdem könne die Gemeinde seiner Meinung nach sehr wohl etwas gegen das Aussterben des Ortes tun, und zwar, indem sie eigene freie Flächen und Bauten in Gemeindebesitz zur Verfügung stellt und mit Handelsvertretern spricht. „Mit diesen kann sie dann auch für kleinere Flächen geeignete Konzepte ausarbeiten“, ist sich Kühn sicher. Seiner Meinung nach habe die Gemeinde es frühzeitig versäumt sich Gedanken über die Entwicklung des Ortszentrums zu machen. “Es ist Aufgabe der Gemeindeführung, für eine ortsnahe Versorgung und einen lebendigen Ortskern zu sorgen”, betont er abschließend.
Offen bleibt, was in den Räumlichkeiten des Netto-Marktes entstehen wird. Wie berichtet, hat kürzlich auch der Bäcker Müller am Lindenplatz geschlossen. Auch hier stehen die Verkaufsflächen nun erst einmal verlassen da.
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