Zum Freispruch des Unternehmers Much:
Wenn du nicht mehr lässig bist

Etwas mehr Durchatmen täte uns allen gut. Ein, sagen wir, Gmunder Unternehmer, stellt Herrenwitz-Plakate auf. Alters- und geschlechtsgemäß. Aber warum zeigt man den Mann an? Die Rechnung kam prompt: Ist Meinungsfreiheit. Dabei gäbe es anderswo wirklich Anlass zur Sorge und Staatseinsatz …

Medienrummel inklusive. So geht das. Foto: Julia Jäckel

Ein Kotelett-Gesicht. Ein schiefes Grinsen: Ein Mann feiert seine 15 Minuten Ruhm. Er hat Plakate aufgestellt. Über den Humorfaktor lässt sich trefflich streiten: Er liegt irgendwo zwischen Playboy-Witz und Fix & Foxi-Grafik. So wie sich viele eben Humor vorstellen. Platt und mit viel Körperspott. Das alles ist nicht neu. Helmut Kohl wurde als Birne denunziert, als Walz aus der Pfalz usw. Von wem? SPIEGEL & Co aus Hamburg, die es dem Mann aus der Provinz nie verziehen, rechtzeitig aufgrund ihrer Berichterstattung zurückgetreten zu sein. Oder Strauß.

Merz und Titanic

Jeder, der in den Achtzigern etwas auf sich hielt und Nicaragua-Kaffee trank, klebte sich den Stoppt Strauß-Aufkleber auf seinen R4. Und auch da reagierte die Staatsregierung absurd empfindlich. Friedrich Merz wurde von der TITANIC übel verhöhnt. War das alles witzig? Eher selten. Es diente der Triebabfuhr und der Selbstvergewisserung. Man stand auf der richtigen Seite und fühlte sich den Mächtigen irgendwie subversiv gegenüber.

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Jetzt wechselten die Seiten. Die einstige Opposition links von der Mitte, hat nun Regierungsverantwortung und ist Establishment. Und prompt macht sie, was Machthaber halt so machen: Sie reagieren auf alles, was sie lächerlich macht, statt entspannt Gmunder Unternehmer Geld aus dem Fenster werfen zu lassen. Denn das, was da hing und stand, ist in der Tat nur Meinung. Die kann man unterschiedlich bewerten. Aber mehr ist es nicht.

Morddrohungen und Boykott sind rote Linien


Das alles hat nichts mit den Morddrohungen, den Übergriffen gegen grüne Politiker zu tun. Das ist wohl strafbar und muss geahndet werden. Und da haben Gerichte in der Vergangenheit munter weggesehen oder die Bedrohung heruntergespielt. Es wächst schon lange im Netz eine wohl orchestrierte Gruppierung heran, die sich auf Protestbewegungen setzt, die sie dann für eigene Zwecke missbrauchen will. Aber die Protestbewegung selbst, die ist erst einmal richtig und wichtig. Es braucht gegen jede Regierung, gleich welcher Farbe, eine Opposition, auch und vor allem jenseits der Parteienlandschaft. Die wollen aus naheliegenden Gründen gern jeden Protest eingehegt sehen, wollen das Heft des Handelns im politischen Alltag behalten. Da stören schon mal Klimaschützer, wütende Bauern oder Handwerker. Aber es braucht den Streit, es braucht die Gegenrede. Es braucht nicht den Ausschluss, den Boykott. Ein Arzt! in Baden-Württemberg weigert sich, einen AfD-Abgeordneten zu behandeln. Ein Handwerker aus Rottach-Egern boykottiert Mitarbeiter der Tegernseer Stimme. Das alles sind keine Heldentaten, sondern kleingeistige, beifallsheischende Trotznummern. Dürfen sie das? Ja – bis auf den Arzt.

Aber man klagt nicht. Man geht eben woanders hin. Lässt die kleinlichen Proteste ins Leere laufen, denn diese sind erlaubt. Wird daraus eine Boykottwelle, muss man unter Umständen anders reagieren. Aber auch die Plakate in Gmund hätten ignoriert werden können. Die Anzeige gegen den Fix & Foxi-Unternehmer war sinnlos und pumpte dessen Ansehen nur unnötig auf. Nun ist die Luft wieder heraus. Ich bin sicher, dass es bald bei dem einen oder anderen schick sein wird, Aufkleber mit gleichen Motiven durch die Landschaft zu fahren. Aufkleber haben Strauß nicht gestoppt. Sie werden auch aktuellen Politikern nicht schaden. Deshalb: Etwas mehr Lässigkeit im Umgang miteinander täte uns allen gut. 

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