Whisky wird geschaukelt – nicht geschüttelt

Der Tegernsee scheint die Fantasie der Menschen immer wieder zu beflügeln. Auch im Haushamer Norden träumt der Unternehmer Anton Stetter immer noch seinen Whiskytraum. Nicht gerührt, sondern geschaukelt soll das edel destillierte Gebräu dem Tegernsee entspringen. Erst auf einem Nordseekutter, jetzt auf einer in die Jahre gekommenen, heimischen Dame. Eine Kolumne.

Zwei total in die Jahre gekommene alte Damen und ein edler Tropfen, der nur geschaukelt werden will. Wer macht das Rennen?

Eine Kolumne von Sabiene Hemkes

Der Nordseekutter „The Angels’ Share“ sorgte im letzten Juli für einen der Aufreger im Tegernseer Tal. Der erfolgreiche Spirituosen Unternehmer aus dem Nachbartal gab bekannt, einen abgetakelten, norddeutschen Seelenverkäufer (wie wir im Norden sagen) aus dem „seelenverwandten Sylt“ an den Strand des Tegernsees zu bringen. Auf dem Kutter sollte der edle Sylter Whisky SILD seine letzten Reifungsmonate verbringen. Immer leicht schaukelnd mit der Seedünung. Dies sei besser geeignet, als der raue Seegang in der Schwester-Edel-Tourismus Region.

Havarie der The Angels’ Share stellt Titanic in den Schatten

Doch wie so oft landen eigentlich ganz spannende Ideen im Tegernseer Tal schnell mal in der Hackpresse. So auch diesmal. Bevor auch nur eine Planke auf dem maroden Kahn renoviert werden konnte, war das ambitionierte Projekt schon krachend abgesoffen. Aus der stillen Whiskyreife ist ein Eventboot geworden. Das darf es zwar auf Stetters angestammten Schliersee geben, aber doch nicht auf dem heiligen Tegernsee.

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Weder die beteiligten Seegemeinden Tegernsee und Bad Wiessee noch die allgegenwärtige Schutzgemeinschaft Tegernseer Tal konnten den tollen Plänen des Whiskybrauers auch nur irgendetwas positives abgewinnen. Das mediale Sommerloch half dem Sprit-Mann aus dem armen Osten auch nicht gerade. Seine Idee besetzte die lokalen Schlagzeilen und fiel krachend in den See.

Dieses Schiff sollte den Whiskey der Sylter Destillerie GmbH von Hausham sanft reif-schaukeln bevor er in den hohen Bedenkenwellen des Tegernsees absoff/ Quelle: Lantenhammer

Nicht nur die mögliche Ruhestörung der schutzbedürftigen tierischen wie menschlichen Seeuferanwohner am geplanten Liegeplatz nahe des Terrassenhofs, sondern auch die Kommunikation des Tonis aus Hausham sorgte für Unbehagen. Es entspann sich ein bizarrer politischer Streit über das Thema „wer mit wem hätte erstmal reden müssen“ und wer eigentlich überhaupt mit wem geredet hat und wer sich noch an was erinnern konnte. Naja – wieder mal ein wenig absurdes Theater am anderen Seeufer. Man gewöhnt sich dran, nicht?

Stetters Schaukel-Comeback Oskar mit Tegernseer Lady

Die Pläne verschwanden nach nur wenigen Wochen in den Haushamer Schubladen. Was aus der „The Angels’ Share“ wurde ist übrigens nicht überliefert. Doch wahrscheinlich wären die Haushamer nicht so erfolgreich mit ihren „boarischen Varianten“ des Rums, Gins und Whiskys, wenn sie nicht eine gewisse Sturheit besäßen.

Und wer sagt’s denn: Wie Oskar aus der Kiste kam der Stetter im Frühjahr 2022, mitten in der fünften Corona-Depression, wieder auf seinen feuchten Whiskytraum zurück. In der lokalen Zeitung verkündete der Ostkreisbewohner jetzt eine richtige, alte „Tegernseer Lady“ gefunden zu haben, die bestens geeignet sei, den Job des „Whiskey-Schaukelns“ zu übernehmen. Und einen angestammten und einen für Naturschutzbeauftragte absolut unverdächtigen Liegeplatz habe das Kultschiff des Tegernsees auch schon.

Eine Schande am Seeufer – Die 1925 erbaute MS Bad Wiessee (Archivfoto nach dem großen Regen 2020) fristet ein trauriges Dasein am Ufer vor der ebenfalls verlassenen Villa am See in Tegernsee.

Dabei zeigt sich der Haushamer Musterunternehmer durchaus lernfähig. Seine Schaukel-Lady ist beileibe keine Unbekannte, sondern die MS Bad Wiessee aus Tegernsee. Diesmal ist das Schiff auch nicht nur in der Flur „Tegernsee“, sondern auch auf der südlichen Stadtseite festgemacht – sogar nahe dem touristischen Sondergebiet Schwaighofstraße 55-57 am (noch) freizugänglichen Seeufer.

Ein genialer Vorschlag von Stetter. Mit dem maroden Ex-Motorschiff (der Motor ist weg) schlägt er zwei Fliegen mit einer Klappe. Hagn ist nach einer Aussage bei den lokalen Kollegen schon seit Kindertagen Fan des „leider total verfaulten“ Kahns. Und auch Angela Brogsitter-Finck, Frontfrau der Schutzgemeinschaft, sollte es freuen, dass die „alte Lady“ des Tegernsees doch nicht entsorgt wird. Im Jahr 2006 sammelte die Heimatschützerin 3.066 lokale Unterschriften für den Erhalt der MS-Bad Wiessee auf dem Tegernsee.

… wenn da mal nicht die böse Tal-Investorfalle lauert

Alles gut – könnte man meinen. Oder eben doch nicht. Der Sylter-Whisky-Mann im Landkreis hat die Rechnung ohne den „neuen“ Wirt gemacht: Die De Lago GmbH als neuer Investor der Villa am See. Dieser gehört seit 2018 auch das Objekt Stetters Begierde – die MS Bad Wiessee. Sie war als Beigabe beim Verkauf des ehemaligen Gourmettempels und Hotels ganz oben drauf gelegen und wurde seitdem, wie der Rest des Areals, in der Investorenkiste noch lebend begraben.

Zeigte sich der Investor aus München laut Stetters Aussage zu Beginn noch angetan von dem Werben um das im Sommer 2020 fast abgesoffene Schiff, scheint nun das große Schweigen eingekehrt. „Wir hatten gute Gespräche, doch nun kommt von denen gar nichts mehr“, berichtet der Haushamer Unternehmer noch vor zwei Wochen. Auch Tegernsees Bürgermeister Hagn scheint den direkten Draht irgendwo in den letzten fast viereinhalb Jahren verloren zu haben.

Selbst wir von der Presse beißen uns (fast) die Zähne am Investoren aus. Es heißt, man sei noch mitten in den Planungen. Na sauber! Bei dem Tempo der Projektentwicklung säuft da bestimmt bald alles ab und die unschuldige MS Bad Wiessee gerät in die taltypische Investoren-Geiselhaft. Fortsetzung garantiert.

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