Seit einem Jahr führt Hilmar Danzinger (48) das Jodschwefelbad in Bad Wiessee. Die Traditionseinrichtung am Westufer des Tegernsees erzeugt neben Heilwasser auch kräftige Defizite für die Gemeinde. Seit einem Jahr sitzt nun der Geschäftsleiter der Kommune dem Bad vor. Und: es hat sich einiges geändert. Vor allem die Höhe des Defizits.
Herr Danzinger, das Jodschwefelbad (JSB) ist ein Betrieb mit herben Verlusten. Warum leisten wir uns so eine Einrichtung?
Weil der Gesundheitsstandort Bad Wiessee dieses Heilbad braucht. Es steht im Ortsnamen. Ein Heilbad wird zunächst immer Geld kosten, daher gibt es keine privaten Betreiber für solche Einrichtungen. Nicht umsonst finanziert der Freistaat Bayern fünf bayerische Staatsbäder. Wenn Verluste über Jahre steigen, dann kann ich den Frust darüber allerdings gut verstehen. Wir, die Mitarbeiter des JSB, haben uns in den letzten zwölf Monaten sehr viel Mühe gegeben, um positive Entwicklungen zu erreichen. Das von ihnen angesprochene Defizit konnte stark reduziert, unser Angebot ausgebaut und unsere Bekanntheit deutlich gesteigert werden.
Das heißt konkret?
Wir haben unseren Umsatz zu 2022 um bis zu 30 Prozent steigern können. Die Auslastung aller Abteilungen im Bad wurde deutlich verbessert. Wir haben im Durchschnitt der letzten elf Monate 45 neue Gäste – pro Woche. Und in den „guten Bademonaten“ waren die Badeabteilungen zuweilen komplett ausgelastet. Lag der Fehlbetrag im Jahr 2022 noch bei rund 750.000 Euro, wird er 2023 bei unter 500.000 Euro liegen. Eine Reduzierung dieser Größenordnung darf als durchaus beachtliche Gemeinschaftsleistung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betrachtet werden.
Gut, 2022 aber ließ die Pandemie weniger Kundschaft zu. Insofern ist der Vergleich natürlich schwierig.
Nicht unbedingt. Durch unsere abgeschlossene Wannenbad-Situation konnten auch während der Pandemie risikoaverse Gäste zu uns kommen. Aber entscheidend ist der Aufwärtstrend, die Steigerung der Umsatz- wie auch die Gästezahlen. Nach schwierigen Anfangsjahren kann das der Beginn dafür sein, stolz zu sein auf eine derart hochwertige Heilwassereinrichtung in gemeindlicher Hand im Tegernseer Tal.
Was haben Sie in ihrem ersten Amtsjahr denn anders gemacht?
Wir haben zunächst die Preisstruktur geändert, dann die Öffnungszeiten stark ausgeweitet und die Massage- und Physiotherapieabteilung verstärken können. Letzteres ist in der heutigen Zeit keine Selbstverständlichkeit mehr, da sich die Therapeuten ihre Arbeitgeber aussuchen können. Wir konnten in diesem schwierigen Marktumfeld wachsen, was uns sehr freut. Zudem haben wir Anfang November neue Produkte eingeführt und konnten damit den Produktumsatz, im Vergleich von November 2022 zu November 2023, mehr als verdoppeln.
Weg vom trutschigen Wannenbad, hin zu Luxus-Wellness?
All diese Möglichkeiten finden ja in einem besonderen Umfeld statt. Das JSB ist in seiner neuen Ausgestaltung nicht mehr mit dem klassischen Wannenbad in Fliesenumgebung vergleichbar. Unsere Räumlichkeiten, der Innenausbau hat mit den alten Kurbädern nichts mehr gemein. Der Schwerpunkt „Heilung“ muss heute „Wellness“ beinhalten, sonst kann er nicht mehr erfolgreich sein. Das wünscht der Kunde und dem kommen wir gerne nach.
Und die Öffnungszeiten haben sich geändert…
Zudem haben wir mit unserem zwanzigköpfigen Team unsere Öffnungszeiten den Wünschen der Gäste angepasst. Wir haben nun von Montag bis Freitag von 9 bis 19 Uhr und am Samstag bis 18 Uhr geöffnet. Der Sonntag fällt schon seit Jahresbeginn weg, weil es recht schnell ersichtlich war, dass sich hier keine ökonomisch sinnvolle Auslastung ergibt.
Und dann war da die Anzeigenkampagne mit einem ortsbekannten Fischverkäufer …
Ja, richtig. Für die Außensicht haben wir mit einer, wie wir meinen, witzigen, aufmerksamkeitsstarken Werbekampagne im Tegernseer Tal erfolgreich unser etwas angestaubte Image des “Heilbads” modifiziert, und …
Wir reden von Anzeigen mit Christoph von Preysing, Champagner-Fischer und Wiesseer Gemeinderat …
… wir wollten Aufmerksamkeit. Die haben wir mit Christoph bekommen. Übrigens – er hat das honorarfrei gemacht. Es war schnell Tagesgespräch. Vielleicht haben die ein oder anderen die Nase gerümpft. Aber nicht wenige jüngere Menschen fühlten sich davon angesprochen. Es ist der Kampagne mit Christoph geschuldet, dass wir den Altersdurchschnitt unserer Badegäste um mehr als drei Jahre senken konnten. Das hört sich vielleicht nicht viel an, aber es zeigt doch die Zukunftsfähigkeit des Konzeptes von einem „Private SPA“, dessen Anbieter wir ja sind. Insgesamt werden wir, mit unserem vielfältigen Wellness-Angebot, im Tal und darüber hinaus nun wahrgenommen. Teilweise so stark, dass wir an einigen Tagen schon komplett an unsere Auslastungsgrenze gekommen sind. Somit: Danke Christoph!
Wird er sicher gern hören. Bleibt Preysing jetzt als Marken-Maskottchen?
Nein, irgendwann hat sich auch eine gute Idee totgelaufen. Christoph hat als Testimonial eine wichtige Rolle für die Wahrnehmung unseres Heilbades gespielt. Jetzt sind wir aber an einem Punkt angelangt, an dem wir unsere Kernbotschaften verkaufen müssen: die Heilkraft unseres besonderen Heilwasser. Daher haben wir unser Marketing 2024 auf Zauberwasser® verlagert und dieses, in hervorragender Zusammenarbeit, mit Katharina Bourjau entwickelt. Das Marketing wird auch wichtig bleiben müssen; vor allem im Tegernseer Tal, da erfolgreiche ansässige Unternehmen hierfür viel Geld in die Hand nehmen und auch wir einen Anteil am „Aufmerksamkeitskuchen“ haben möchten. Und uns im Übrigen die Rechte für diese Wortmarke gesichert.
Wer ist Ihre Zielgruppe? Der Rentner mit viel Tagesfreizeit, der gestresste Großstadtbürger, der extra für das JSB an den See fährt?
Nein, uns war von Anfang klar, dass wir das JSB erst einmal wieder im Tegernseer Tal und in der näheren Region bekannt machen müssen…
Moment, das JSB existiert seit Jahrzehnten. Und jetzt müssen Sie es bekannt machen?
Ja, das müssen wir. Obwohl Wiessee seinen Titel ‘Bad’ dem JSB verdankt, haben viele Menschen in unserer Heimat den Wert dieser einmaligen Quellen nicht wahrgenommen oder nicht wahrnehmen wollen. Schließlich – und ich kann das gut verstehen – war es zu seinen Glanzzeiten nicht in heimatlicher Hand. Nach der Gesundheitsreform im Jahr 1989 wurde es dann recht schnell zum Verlustbringer und die privaten Eigentümer haben die Ambitionen verloren. Die Gemeinde – wer sonst – musste einspringen und trägt nun bereits seit ca. 30 Jahren die Verluste. Der Gemeinderat 2014 bis 2020 stand schließlich vor der Entscheidung: „gescheit“ machen oder bleiben lassen. Er hat sich, und dafür braucht man auch einiges an Mut, für ein zukunftsfähiges Modell entschieden, dessen Potential noch nicht mal ausgeschöpft ist. Schließlich haben wir noch einen 4. Kubus im Bad, der bis dato noch nicht in Betrieb ist. Mal schauen, wie es weitergeht, ich bin gespannt. Aber richtig ist: Wir mussten und müssen das JSB in das Bewusstsein der Einheimischen zurückholen. Ein kleiner Schritt hierzu dürfte uns ja schon gelungen sein.
Was ist Ihr Ziel für das nächste Jahr?
Ich bin zunächst sehr stolz auf die Arbeit des gesamten Teams. Wir haben in diesem Jahr zusammen viel geschafft, hatten, wofür ich sehr dankbar bin, den Rückhalt des gesamten Gemeinderats und des Bürgermeisters Robert Kühn, der uns von Anfang an bei der Neu-Positionierung unterstützt hat. Das JSB hat aber nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine soziale, eine gesellschaftliche Komponente. Ich möchte das an einem Beispiel deutlich machen: Das JSB muss für Kassenpatienten zugänglich bleiben. Derzeit machen diese etwa 25 Prozent der Gäste aus. Wir bekommen für Kassenpatienten rund 23 Euro für ein Wannenbad. Privatpatienten hingegen zahlen 65 Euro und stellen 15 Prozent der Gästeschaft dar. Es verdeutlicht aber auch, dass wir ein Bad, ein Gesundheitsangebot für alle Schichten sein wollen. Die fehlenden 60 Prozent unserer Gäste sind schließlich Selbstzahler. Kunden somit, die die Leistungen unseres Heilbades für sich und ihre Gesundheit gerne in Anspruch nehmen. Für diese haben wir attraktive Paketpreise geschnürt, die um 20 Prozent unter (!) den Vorjahrespreisen liegen und damit, anders als bei anderen in der TegernseeCard enthaltenen Leistungen, für Einheimische eine deutliche Preisreduzierung beinhalten.
Wie wollen Sie dennoch wachsen, wenn sie schon jetzt an Kapazitätsgrenzen kommen?
Momentan haben wir schon mehrere Standbeine: die 14 Wannenbäder, die Aerosolabteilung mit Inhalationen und Augenbäder, die Physiotherapie, den Massagebereich und unsere Pflegeprodukte, die, über den Onlineshop erhältlich, übrigens ein tolles, regionales Weihnachtsgeschenk sind. Allerdings haben wir noch rund 180 m² ungenutzte, beste Fläche im Haus, für die wir an die Gemeinde, nebenbei bemerkt, ordentlich Pacht bezahlen.
Was könnten Sie sich hier vorstellen?
Das muss der Gemeinderat, somit der Eigentümer, entscheiden. Es ist, wie vieles im Entscheidungsbereich einer Kommune: soll eine Weiterentwicklung gewinnmaximierend – bzw. verlustminimierend – sein oder nicht? Entscheidet man sich für eine Verlustminimierung, dann muss man nur schauen, was uns erfolgreiche private Investoren vormachen – und was zu einem Heilbad passen würde.
Das bedeutet aber zum einen eine weitere Investition und möglicherweise eine Konkurrenz für bestehende Angebote auf der anderen Seeseite.
Mir ist nicht bekannt, dass es auf der anderen Seeseite ein Heilbad gibt. Wenn sich der Eigentümer dafür entscheidet, dass er ein möglichst umfangreiches Angebot für Heilung und Wohlbefinden im JSB schaffen will, dann kann man das wohl kaum als Konkurrenz beschreiben. Vielmehr würde die Erweiterung eines hochklassigen Angebotes im Tegernseer Tal auch die Nachfrage erhöhen. Das ist ein in der Praxis bewiesenes neoklassisches Theorem und findet sich schön abgebildet in der Rottacher Seestraße, wo ein Sternerestaurant neben dem nächsten ist. Wir haben mit unseren Zahlen in diesem Jahr jedenfalls aufzeigen können, dass das JSB mit der richtigen Strategie wachsen kann. Den Weg kann man weiter gehen, so man möchte.
Herr Danzinger, wir danken für das Gespräch.
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