Bad Wiessee: das Entscheidungsgremium wächst
Kostenmonster Badepark

2020 schloss der Badepark in Bad Wiessee. Zwei Jahre später wurde er abgerissen. Die Neueröffnung ist für 2026 geplant.

Wo übt die Wasserwacht im Winter?

Erst einmal ist da ein Loch. Wer heute in Bad Wiessee das Jod Schwefel Bad passiert, ist von Brachen umgeben. Rechts verkümmert das SME-Areal, links letzte Trümmer des einstigen Badeparks.

Wo lernen Talkinder schwimmen?

Der Badepark war einst der Ort, an dem Generationen von Talkindern das Schwimmen erlernten. Hier konnte die Wasserwacht im Winter für ihre Einsätze im Sommer trainieren. Das ist seit drei Jahren vorbei. Ein neuer Bau soll den alten Kasten, der sinnlos Energie fraß, ersetzen. Ein Bürgerentscheid versprach einen schnellen Aufbau. Die Bürgerinnen und Bürger stimmten für den Abriss.

September 2020 – Bürgerentscheid zum Abriss des Badeparks

Aber schnell bemerkten die Verantwortlichen eine Finanzierungslücke. Einen Neubau mit den dazugehörigen Betreiberkosten kann Bad Wiessee nicht allein stemmen. Also ging man mit dem Klingelbeutel durch die Nachbargemeinden. Da ist das reiche Tegernsee mit seinen E-Werk-Einnahmen, südlich davon Rottach-Egern, ebenfalls finanziell gut ausgestattet, und auch Gmund hat gut gefüllte Taschen. Aber wer zahlt, schafft an. So einfach Geld für ein 30 Millionen Euro-Bad hergeben?

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So muss Robert Kühn, quasi ein König Ohnegeld, die Bürgermeister-Kollegen im Tal mitschnabeln lassen. ‘Wenn ich nicht mehr weiter weiß, gründe ich einen Arbeitskreis’, sagt man bei solchen politischen Situationen. Hier heißt das Konstrukt: ‘Die interkommunale Arbeitsgruppe’. Dort wurden aus einem Entscheider fünf. Das reicht aber nicht. Die Bürgermeister-Kollegen brachten noch kompetente Ratsmitglieder mit. Ratzfatz hatte die Entscheidertruppe die Größe einer Fußballmannschaft erreicht. Bislang waren es fünf Bürgermeister und neun Gemeinderäte. Jetzt kommt noch der Bürgermeister von Waakirchen, Norbert Kerkel, mit dazu, der bringt sicher auch ein paar Kumpels mit. Vielleicht stößt später noch Warngau mit einer Gesandtschaft dazu. Hauptsache, sie bringen Geld mit.

Der neue Badepark steht in den Sternen

Je größer der Kreis, desto stärker der Redebedarf der Einzelpersonen. Selbst dem Naivsten wird klar: ein neuer Badepark 2026? Niemals. Eher 2030 dürfen Rentnerinnen ihre Bahnen ziehen, Kinder ihre Schwimmabzeichen machen. Warum zahlen die Rottacher zum Beispiel nicht einfach? Bürgermeister Christian Köck hat in seinem Ort ein eigenes Warmwasserbad. Und das ist teuer, muss bald renoviert werden. Klar, dass Köck erst einmal vor der eigenen Haustür kehren will, und nicht Geld in Nordwesten umleiten möchte.

Noch etwas: So ein Hallenbad, egal wie nüchtern es gestaltet wird, bleibt ein Kostenmonster. Es wird nie lukrativ sein, wird fast immer teurer als geplant. Das sagen selbst die Kommunal-Kollegen aus Geretsried, die ihr Jahrzehntprojekt ‘Baden für Alle’ hinter sich haben: Da vergingen erst einmal über elf Jahre, ehe man sich grundsätzlich für einen Neubau des interkommunalen Hallenbads entschied.

Das sagen selbst die Kommunal-Kollegen aus Geretsried, die ihr Jahrzehntprojekt ‘Baden für Alle’ hinter sich haben: Da vergingen erst einmal über elf Jahre, ehe man sich grundsätzlich für einen Neubau des interkommunalen Hallenbads entschied.

2010 hat sich der Rat erstmals für einen Neubau des Schwimmbads ausgesprochen. Ein Dutzend Gemeinden wurden an den Tisch geholt. Auch dort viele Gespräche, viele Sitzungen: Dann sollte tatsächlich 2020 das erste Kind ins Wasser springen. Es kamen einige Unvorhersehbarkeiten dazu: Insolvenzen, Corona und ein Brand im Edelstahlbecken verzögerten das Großvorhaben. 2017 schätzte man die Kosten auf etwas mehr als 15 Millionen Euro ein. Ende 2022 lagen sie bei über 18 Millionen Euro. Dazu kommt: Nicht allein die Entstehungskosten sind hoch. Steht der Bau werden die Betreiberkosten Löcher in die Gemeindekassen fressen. Wer will das schon?

Pressemitteilung kündigt … nichts an

Aufschlussreich ist da eine gestern veröffentlichte Pressemitteilung aus dem Kreis der Arbeitsgemeinschaft: Wir zitieren: “Diese hat zum Ziel, MÖGLICHST ZEITNAH  (Großschreibung im Original!) ein neues Hallenbad im Tegernseer Tal in Betrieb zu nehmen.” Und dann geht es harmonisch und wortreich weiter: Es beginnt mit einem ‘Was bisher geschah’:  “Anfang Dezember war die erste Arbeitssitzung. Mitte Mai kam die Arbeitsgruppe schon zum 4. Mal zusammen und hat zudem bereits ein erfolgreiches Modell eines interkommunalen Hallenbades, jenes in Geretsried, besichtigt. Zum letzten Treffen wurde eine Kommunalberatungsfirma, die auf eben solche Projekte spezialisiert ist, eingeladen und es wurde entschieden, dass diese Firma den herausfordernden Prozess moderieren möge; gleichsam wurde eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben.”

Kurz zusammengefasst: Vier Mal getroffen, einen Betriebsausflug gemacht, noch einen Bürgermeister aufgesammelt und eine Beraterbude ins Boot geholt.

Dabei dürften Studien und Beraterbude wohl nicht das Teuerste bei diesem Projekt sein. Hallenbad-Fachkräfte hinzuholen, ist smart. Lieber echte Experten als gefühlige Ehrenamtliche. Warum? Es ist immer wieder die schneckenartige Langsamkeit der Entscheidungen, die kommunale im Tal und auch anderswo kostenseitig explodieren lässt. Und dann kommt ein Satz in der Pressemitteilung, der es in sich hat: “Wer die Prozesse, die das öffentliche Recht betreffen, kennt, weiß: Arbeitsergebnisse brauchen Ihre Zeit.” Ach? Wieso eigentlich? Ist das ein Naturgesetz? Tarifverhandlungen werden binnen Wochen abgeschlossen, betreffen Millionen, und sechs kleine Gemeinden bekommen nicht binnen weniger Monate einen Bau-Auftrag auf die Reihe?  An dieser Stelle bekommen Bürgermeister wahlweise Schnappatmung oder seufzen resigniert. Gern kommt dann ein, “Wie soll es denn besser laufen?”

Tegernseer Gemeinden – Ein Drittel der Einwohnerzahl von Bogenhausens, dreimal mehr Selbstbewusstsein.

Nehmen wir einmal an: Fünf oder sieben Bürgermeister, allesamt hauptberuflich in diesem Amt tätig, kommen zusammen, einigen sich an vier Wochenenden auf einen festen und nachhaltigen Fahrplan. Mit dabei die Kämmerer, vielleicht noch ein moderierender Berater. Bis Datum X muss eine Lösung her. Diese Lösung geht durch die Ratssitzungen, ebenfalls mit Zeitlimit. Danach folgt eine talweite Bürger-Veranstaltung, dort wird das Ergebnis der Kommunal-Konklave verkündet, verteidigt und vielleicht auch noch nachgebessert. Aber dann wird gebaut. Schmucklos und schnell. So etwas geht nur in einer idealen Welt, die frei von kommunalen Eitelkeiten und Spiegelfechtereien ist.

So werden bis zum Bau noch Jahre vergehen, die Einweihung werden viele Menschen wohl auch nicht mehr erleben. Andererseits: Manche der heutigen Entscheider, Grüße gehen raus nach Tegernsee, dürften dann mit einem Seniorenpass die Örtlichkeit nutzen.

Die Pressemitteilung im Wortlaut:

“Wie Sie wissen, hat sich im letzten Jahr eine interkommunale Arbeitsgruppe, bestehend aus den fünf Bürgermeistern des Tegernseer Tals sowie neun Mitgliedern der einzelnen Talgemeinden zusammengefunden.

Diese hat zum Ziel, MÖGLICHST ZEITNAH ein neues Hallenbad im Tegernseer Tal in Betrieb zu nehmen. Anfang Dezember war die erste Arbeitssitzung. Mitte Mai  kam die Arbeitsgruppe schon zum 4. Mal zusammen und hat zudem bereits ein erfolgreiches Modell eines interkommunalen Hallenbades, jenes in Geretsried, besichtigt. Zum letzten Treffen wurde eine Kommunalberatungsfirma, die auf eben solche Projekte spezialisiert ist, eingeladen und es wurde entschieden, dass diese Firma den herausfordernden Prozess moderieren möge; gleichsam wurde eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben. Viele Talbürgerinnen und Talbürger sind an dieser Thematik sehr interessiert: die Eltern, die die Sorge haben, dass Ihre Kinder nicht oder nicht sicher genug schwimmen lernen, ältere Mitbürgerinnen und Mitbürger, die sich durch schwimmen fit halten möchten und nicht zuletzt die Vereine, die ehrenamtlich arbeiten und die ein Hallenbad zur Erfüllung ihrer wichtigen Aufgaben dringend benötigen. Allen Mitgliedern dieses Arbeitskreises, zuvorderst den Bürgermeistern, ist dies bestens bewusst. Die Mitglieder der AG betonen, dass sie nach Kräften bemüht sind, zielstrebig, gewissenhaft und schnell voran zu kommen, um den rund 25.000 Bürgern des Tegernseer Tals Kommunales Schwimmen wieder zu ermöglichen. Die Bürgermeister sind zudem auf die Gemeinden Waakirchen und Warngau zugegangen und haben sie gebeten, diesen Prozess zu begleiten. Eine abschließende Zusage gibt es zwar noch nicht, allerdings hat die Gemeinde Waakirchen zugesagt, sich an den Kosten der Machbarkeitsstudie zu beteiligen. Ein sehr dankenswerter und respektvoller erster Schritt, so die fünf Tal-Bürgermeister. Wer die Prozesse, die das öffentliche Recht betreffen, kennt, weiß: Arbeitsergebnisse brauchen Ihre Zeit und sind mit großer Beharrlichkeit voranzutreiben. Und dies ist der Fall. Beispielsweise hat man sich bereits darauf geeinigt, dass das neue Hallenbad wieder am angestammten Platz stehen wird: in der Wilhelminastraße, neben dem Jod-Schwefelbad. Nun gilt es, einen ambitionierten Rahmenterminplan zu erstellen. Die Entscheidung, das neue Bad auf dem Areal des ehemaligen Badeparks entstehen zu lassen, spart schon einmal viele Monate Verfahrenszeit, da auf diesem Flurstück bereits ein entsprechender Bebauungsplan vorhanden ist. Alle Mitglieder der Arbeitsgruppe spüren den Druck, ein neues Hallenbad entstehen zu lassen sehr deutlich, entsprechend harmonisch gestaltet sich auch die Zusammenarbeit. In diesem Zusammenhang betonen alle Mitglieder der Arbeitsgruppe ausdrücklich den guten Austausch und die konsequent entschlossene Form der Zusammenarbeit untereinander. Was jedoch stets bedacht werden muss ist: es ist erst der Anfang eines noch andauerndem Weges. Viele wichtige Entscheidungen müssen noch gemeinsam getroffen werden; zu nennen seien hier nur die Themen „Finanzierung“ und „Gesellschaftsform“. Die Gemeinden des Tegernseer Tals haben eine unterschiedlich gute Finanzausstattung, es muss hier sehr bedacht agiert werden, um keine Benachteiligungen entstehen zu lassen. Abschließend darf noch ein Beispiel genannt werden, welches die beauftragte Beratungsfirma genannt hat: lediglich 25 % der Kosten über die gesamte Laufzeit des Bades sind Baukosten. 75 % sind Betriebs- und Unterhaltskosten, gerechnet auf die 25 bis 30 Jahre Laufzeit. „Wir freuen uns auf den gemeinsamen Prozess und auf eine erfolgreiche, interkommunale Zusammenarbeit. Wir stehen bei unseren Bürgerinnen und Bürgern im Wort; das wissen wir und so werden wir handeln“, so die fünf Tal-Bürgermeister abschließend.

Die Bürgermeister des Tegernseer Tal sowie Herr Bürgermeister Kerkel stehen für Rückfragen sehr gerne zur Verfügung.”

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