Eine Glosse von Martin Calsow:
„Die Ilse und der Joachim kommen?“
“Du weißt schon, die Zwei aus München. Müssen mal raus.“
„Hmm, aber sollten die nicht besser daheim bleiben?“
„Ja, aber die Ilse lebt da auf wenigen Quadratmetern am Mittleren Ring mit dem Joachim in einer WG.“
„Hmmm“
„Ok, Wir sagen ab. Schreib denen ‚ne WhatsApp.“
Moment. Also, die Frau Aigner und der Herr Innenminister Herrmann besuchen den Krisenstab in Miesbach und danach dürfen auch „lokale Medien über diesen relevanten Termin mit dem ausreichenden Sicherheitsabstand Fragen stellen“. Gut, das ist natürlich was anderes.
Erinnern wir uns: Die Frau Aigner, als unsere Abgeordnete im Bayerischen Landtag und dort auch als Präsidentin tätig, war wie unsere Bürgermeister über unnötige Besuche im Landkreis verärgert. Anders der rührige Innenminister aus Franggen. Der hatte erst Menschen eingeladen, bei uns im Tal spazieren zu gehen, rückte dann aber wieder ab, bis sein Chef, der Ministerpräsident im SPIEGEL wieder dazu riet. Jetzt ist es aber wieder nicht so toll, so etwas zu machen. Klar, in München ist die Wahl vorbei.
Wir sind klein, aber wir sind kreativ
Gut, Leben in der Lage – das gilt auch für die Regierung. Heute so, morgen so. Nun also kommen die beiden Top-Politiker mit allem Pipapo (Personenschutz, Pressedame, dem BR, die Lokalzeitung etc.) in unsere schmucke Kreisstadt, möchten von sich Fotos gemacht sehen und irrelevante Fragen gestellt bekommen („Wie schützen Sie sich denn so?“).
Wir als kleines lokales Medium hätten gern einmal die Großen und Mächtigen gesehen, Selfies geschossen und schüchtern eine Frage („Fehlt Ihnen auch der Friseurbesuch?“) gestellt. Aber Corona zwingt uns Ängstliche in die häusliche Isolation. Wir sind klein, aber wir sind kreativ. Damit unsere Leser dennoch einen Eindruck von diesem für den Landkreis extrem wichtigen Termin bekommen, haben wir unseren journalistischen Nachwuchs gebeten, wie bei einer Gerichtsverhandlung Bilder von Ilse und Joachim zu erstellen.
Eine Bildbesprechung:
Lara „La Montessora“ P.
Ganz in der Tradition des Hyperrealismus eines Gottfried Helnweins malend, hat sie die beiden Polit-Promis in der Pose der Macher dargestellt. Sie sieht die Powerfrau Ilse in einer schwarzen Entscheider-Jacke, während neben ihr der schlumpfige Joachim fast untergeht.
Ist dies ein verstecktes politisches Statement in Zeiten von Frauenpower und #metoo? Die Künstlerin will sich dazu nicht äußern, sagt nur: „Mir egal!“
Helena „La Fusselhaar“ P.
Die Nachwuchskünstlerin scheint in ihrem Werk klare Anleihen bei Marc Chagall zu nehmen. Die Wolken, Metapher für die Flüchtigkeit irdischen Daseins aber auch für die Veränderung (eben noch Regen, nun eine Schafswolke) stechen ins Auge. Aber da macht es sich der oberflächliche Betrachter zu einfach. Denn die Künstlerin zeigt eben gerade nicht Wolken. Für Hochschulprofessor Bert Beltracchi aus Kreuth-Bayerwald sind es keine Wolken am Firmament, sondern schlicht Stacheldrahtrollen. Sie symbolisieren die Abgrenzung, das “Grenze dicht machen” der Regierung. Es ist ein subtiler Schlag gegen die repressive Politik des Systems, welches die die sensible Künstlerin hier verortet.
Achten wir auch auf das Maskengesicht von Joachim, der ganz bewusst ohne Nase porträtiert wurde. „Das erklärt sich fast von selbst“, findet Beltracchi aus Bayerwald. „Hier ist ein Berufspolitiker, dem das Gespür, das richtige Näschen fehlt. Aber diese harten Anwürfe werden wiederum mit einem zarten Herzchen zwischen den beiden konterkariert. Eine wahrhaft meisterliche Demaskierung öffentlicher Politik-Auftritte.
Oskar „tin drum“ P.
Der junge Wilde aus Gmund hat sich ganz der harschen Street Art des Jean-Michel Basquiat verschrieben. Seine Figuren scheinen zu schweben, sind unterleibslos und und damit Zwitterwesen. Der Künstler scheut sich auch nicht, das Bildkonzept mit Lettern aufzuwerten. Hier sieht er sich mit Baselitz seelenverwandt. „Politika“ schreibt er und nimmt damit den Faden der sowjetischen Propaganda-Konzeption auf.
Für ihn ist das Werk nie vom Künstler selbst zu trennen, auch deswegen zeigt er sich mit seinem Werk – deutlich zufrieden. Aber die Strapazen sind ihm anzusehen. Das Malen hat ihn wertvolle Zähne gekostet. Aber er leidet gern – für die Kunst!
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