Wo geht’s zu den Nazis?

Ehemalige Nazigrößen auf Bergfriedhöfen? In Wiessee tut sich Unerhörtes. Findet zumindest der Wiesseer Bürgermeister und lässt bestimmte Namen von einem Schild entfernen. Das muss nicht sein, findet unser Kolumnist und schlägt eine ganz eigene Art der Vergangenheitsbewältigung vor.

Wiesseer Friedhof: letzte Heimat diverser Nazis
Der Wiesseer Friedhof

Heute verneigen wir uns ein klein wenig vor den Kollegen des Heimatblättchens. Sie haben den Wiesseer Friedhof „besucht“ und dort Unerhörtes festgestellt: Die Namen diverser Nazigrößen waren auf einem Schild zu finden. Das fand Bürgermeister Höß erst ok, zwischenzeitlich dann nicht mehr.

Der kommunalpolitische 180-Grad-Wechsel ist in der Region speziell bei diesem Thema kein Einzelfall. Eben noch: „Wieso? Ist doch ok!“, dann schnell, wenn’s eng wird: „Geht gaaar nicht.“ Dabei wäre das verschwurbelte Herumdrucksen mit der braunen Vergangenheit im Oberland und speziell im Tal nicht nötig. Warum nicht eine Art Route 66 (in diesem Fall vielleicht eher 88) der Nazi-Zeit?

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Vom Hühnerzüchter Himmler zum SA-Chef Röhm

Die Schlächter hatten es gern hübsch. Da lag der Tegernsee nah: In Gmund hat der Hühnerzüchter Himmler für seine Familie ein Haus gehabt. Von St. Quirin schaute Reichskanzleichef Bormann auf die Westseite des Sees. Und der fette Göring wollte als oberster Jäger das gesamte Tal zu einem einzigen Hegegebiet umwidmen – ohne menschliche Insassen allerdings.

Aber den Nazi-Lottosechser hätten die Wiesseer. Der von den Nazis als „Röhm-Putsch“ bezeichnete Sturz des SA-Bandenchefs Ernst Röhm fand seinen Anfang im heutigen Hotel Lederer. Der irre Postkartenmaler aus dem Nachbarland Österreich selbst kam aus Berlin eingeflogen, um den SA-Führer und Freund junger, bayerischer Burschen aus dem Bett zu werfen.

Die Erinnerung erhalten

Das alles könnte man offensiv an örtlichen Schulen lehren, auf Schaubildern (hier bietet sich eine Solaranlage an) erklären und einordnen. Man könnte die Erinnerung an die toten Soldaten dieses Weltkriegs in einen größeren Zusammenhang stellen. Und jetzt mal richtig geträumt: Zeitzeugen vom See könnten von dieser Zeit erzählen. Erinnerung an diese Zeit bliebe erhalten.

Ein transparenter und sachlicher Umgang mit der eigenen Geschichte hilft und schmückt. Zeigt, dass wir in Bayern aus unserer Zeit gelernt haben, sie nicht verschwiemelt verstecken. Es sind nicht nur Größen wie Ganghofer, Thoma oder Slezak hier gewesen. Natürlich, die zwölf Jahre sind nur ein Teil der über tausendjährigen Tal-Zivilisation. Aber sie nimmt ihren Anfang auch zum Beispiel in den antisemitischen Ausfällen Ludwig Thomas und endete eben nicht da.

Anmerkung der Redaktion

Dies ist eine neue Kolumne mit dem Titel „Da lacht der Luzifer”. Unser Autor Martin Calsow wurde ob eines kirchenkritischen Kommentars kürzlich am Telefon als „Antichrist” beschimpft. Daraus entstand die Idee für diese Kolumne. In loser Folge werden künftig Calsow und weitere Gastschreiber satirisch-ernst das Talleben kommentieren.

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