Jüngst ließ sich der Landrat Olaf von Löwis im ZDF als standhafter Verteidiger von Flüchtlingsfragen feiern. Aber wenn man nachbohrt, wird schnell gemauert. Methode oder nur einfach schlechte Kommunikation?
Das Video ging viral. Olaf von Löwis tapfer gegen eine Wand von buhenden Bürgern. “Das sind doch Menschen”, ruft er, sichtlich erregt, bei der Info-Veranstaltung in Warngau vor einigen Wochen. Über Nacht wurde der 68-jährige CSU-Politiker zum Posterboy aller Linksliberalen. Motto: Hier ist er, der unsere Geflüchteten verteidigt. Da passt das dauerhafte Grummeln in der heimischen Bevölkerung nicht ins Bild. Dabei sind es gerade die Verhältnisse in der Turnhalle in Tegernsee, die gegen den Widerstand gegen ein Flüchtlingsdorf in Warngau – für fast 600 Personen – hochgehalten werden. Seit Dezember 2022 leben Flüchtlinge in einer Turnhalle gegenüber vom Gymnasium Tegernsee.
Wie leben sie da? Gerüchte gehen im Tal und Oberland herum: Das sei extrem schlimm. Es seien nur Männer dort. Es werde mit Drogen gedealt. Überhaupt wären die Zustände schlimmer als in Obdachlosenheimen. Ohne angemessene Berichterstattung bleibt es schwierig, diese Gerüchte zu widerlegen.
Der offizielle Weg endet im Nichts
Wir wollen uns selbst ein Bild machen. Klar, man könnte heimlich hineinschlüpfen. Aber wir wählen den offiziellen Weg, fragen das Landratsamt. Einmal die Pressestelle, einmal den Landrat direkt. Beide Male wird unser Gesuch mit einem Verweis auf das Persönlichkeitsrecht abgelehnt. Doch noch vor wenigen Jahren besuchte der Autor mit dem Tegernseer Bürgermeister die Einrichtung. Damals war man in Miesbach über diese proaktive Arbeit des umsichtigen Bürgermeisters sehr zufrieden. Heute verkriecht man sich in einer Wagenburg. Warum?
Andere Landratsämter, andere Regeln: Regensburg, Nürnberg, Starnberg
Ist das Usus? Machen das andere Landratsämter in Bayern auch so? In Regensburg sagt uns Hans Fichtl, Sprecher des Landratsamts, dass er mit einem angemeldeten Besuch kein Problem habe. Fotos seien schwierig, hier stünden tatsächlich Persönlichkeitsrechte dagegen. Trotzdem hatten die Regensburger schon Kamerateams in der Unterkunft: “Das muss halt geordnet laufen, es dürfen nicht alle Bereiche gefilmt werden. Man wolle ja keinen Zoobesuch daraus machen. Aber Transparenz ist uns wichtig, auch um Verschwörungsmythen den Boden zu entziehen.”
Weiter nördlich im Landratsamt Nürnberger Land sagt uns Johanna Nürnberger, Sprecherin für das Landratsamt, dass sie das professionell sähe. “Wir haben das immer wieder mit lokalen Medien gemacht. Wir sind dabei, auch um zu erklären und einzuordnen. Aber da gibt es nichts zu verbergen. Es sind ja auch eingesetzte Steuermittel der Bürger”, betont sie. Das Interesse der Medien sei wichtig, aber sicher auch mit dem Schutz der Geflüchteten verbunden.
Und in Starnberg? Dort sagt uns Pressesprecher Stefan Diebl, dass er mit Presseanfragen erst einmal kein Problem habe. Aber auch er wolle das Persönlichkeitsrecht der Bewohner wahren. “Sie wollen ja auch nicht, dass jemand durch Ihr Haus geht und sich umschaut, ohne zu fragen.” Er handhabe das unkompliziert, stellt Kontakte zwischen Journalisten und Flüchtlingen her. Aber schon seit Monaten sei das nicht mehr geschehen.
Landkreis Starnberg: Turnhallen nicht zweckentfremden
Das hängt auch damit zusammen, dass man im Landkreis Starnberg die Flüchtlingssituation anders handhabt: “Wir haben gleich zu Beginn alle 14 Gemeinden um ein Grundstück gebeten, und nach und nach alle Orte mit festen Unterkünften bebaut. Von Anfang an war klar, dass wir Turnhallen niemals dauerhaft für diese Zwecke nutzen würden”, erklärt Diebl. Noch in diesem Jahr werden neue Unterkünfte in drei Orten gebaut, bereits bestehende werden erweitert. “Wir, unser Landrat Stefan Frey und das gesamte Team, haben viel erklärt, geworben und Aktionen vor Ort mit Bürgern und Entscheidungsträgern durchgeführt. Gab es Ängste, konnten wir die größtenteils entschärfen.” Dazu gehörte aber für den jungen Landrat (49) dazu, sich mit dem Bund ordentlich anzulegen und das Thema “Beschlagnahmungen” in die Öffentlichkeit zu spielen. Das setzt eine geschickte Kommunikation voraus. Weniger Aufregung, weniger Kontrollverlust, dafür mehr pro-aktives Handeln.
Miesbach und der Königsteiner Schlüssel
Zurück nach Miesbach. Die Behörde kämpft seit langem mit dem Migrationsthema. Man muss dem Landrat zugutehalten, dass das letzte Jahr sicher nicht einfach war. Gerade kommen weniger Geflüchtete im Landkreis an, zeitweise kamen wöchentlich Busse mit um die 50 neuen Menschen an. Immer wieder musste Löwis dann bei Gemeinden um Unterkünfte betteln. Das zehrt.
Mit einer Soll/Ist-Liste wollte Löwis den Kommunen im Landkreis vor Augen führen, wer sich für die Menschen einsetzt, wer sich eher vornehm zurückhält. Sie richtete sich nach dem Königsteiner Schlüssel, also nach der Einwohnergröße der Orte. Diese Liste führte einige Orte blutrot auf, also jene, die sich bei der Aufnahme vornehm zurückhalten. Grün gibt es für die, die sich von Beginn beteiligten. Nur: Als die Liste an die Öffentlichkeit geriet, reagierte das Landratsamt panisch. Statt offensiv darüber zu sprechen, wurde hektisch das Leck im Amt gesucht. Und noch etwas passierte: Einige Investoren und Bauherrn nutzten den fehlenden Platz für Flüchtlinge als Drohpotenzial, drohten mit Belegung der eigenen Immobilie, wenn man nicht kulanter sei. Das ist zwar schäbig, aber auch eine Folge der Betteltour durch die Gemeinden.
Gemeinden nicht gegeneinander ausspielen
Der Landkreis Starnberg war, so sagt es Diebl, immer einen anderen Weg gegangen. Man wollte das Ausspielen der Gemeinden vermeiden. Dieses Fingerzeigen helfe nicht. Hier war Führungsstärke und kluge Kommunikation gefragt, um diese Mammutaufgabe zu bewältigen.
Fehlende Transparenz, Wagenburg-Mentalität. Es ist seltsam. Jede Maßnahme, ob in Marienstein oder in Warngau, wird zuerst im Ungefähren geplant. Dann tropfen einige Ideen aus dem Landratsamt an die Öffentlichkeit, sorgt dort sofort für Unmut. Es springen die üblichen Anheizer auf den Zug. Und es endet in tumultartigen Bürgerversammlungen wie in Warngau. Dabei geht es klüger, andere Landkreise könnten da ein Vorbild sein.
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