Noch läuft der Prozess um den ehemaligen CSU-Landrat Jakob Kreidl und dem Ex-Sparkassenchef Georg Bromme. Schon jetzt scheint klar, das über Jahre ein System von Abhängigkeiten und Seilschaften zu Prasserei und Verschwendung geführt hat. Wir haben mit Transparency international gesprochen, einem Verein der sich zum Ziel gesetzt hat, Korruption und die damit verbundenen Strukturen zu veröffentlichen und dagegen vorzugehen. Das Interview führten wir mit Dr. Michael Heisel, dem Leiter der Regionalgruppe von transparency international in München
1. Dr. Heisel, wie entstehen nach Ihrer Erfahrung derartige Strukturen?
Der Übergang von einem echten Freundschaftsdienst, d.h. ohne eine erwartete Gegenleistung, zu Korruption ist fließend. Wenn auf einen Freundschaftsdienst ein weiterer Freundschaftsdienst in Gegenrichtung folgt, ist das noch völlig in Ordnung. Wenn jedoch ein “Freundschaftsdienst” nur erbracht wird, um im Gegenzug eine Leistung zu bekommen, dann ist das fragwürdig, ggf. sogar schon korruptes Verhalten. Amtsträger, also z.B. Bürgermeister oder Landräte, sollten deshalb ein feines Gespür dafür entwickeln, welche Freundschaftsdienste sie annehmen dürfen.
Dass das schwierig sein kann, ist klar. Wie steht es z.B., wenn eine Gemeinde ein Baugrundstück verkauft und einige Zeit später die Partei des Bürgermeisters – nicht er persönlich – eine Spende vom Käufer bekommt? Oder wenn der Käufer nicht nur die eine Partei, sondern auch eine zweite mit Spenden bedacht hat? Besteht dann ein Zusammenhang mit dem Verkauf oder haben Spende und Verkauf nichts miteinander zu tun? Ziemlich klar ist die Sache, wenn das Grundstück sehr billig verkauft wurde und die Spende unmittelbar vor oder nach dem Grundstücksgeschäft erfolgt.
2. Wo beginnt Ihrer Meinung nach die Intransparenz, die Bestechung und die Abhängigkeiten?
Auch wenn man nicht generell klären kann, wo Bestechung und Abhängigkeiten beginnen, kann man doch klar sagen, dass Transparenz des Verwaltungshandelns hilft, Bestechung und unzulässige Abhängigkeiten zu vermeiden.
Zu dem Zweck haben sich viele bayerische Kommunen, darunter die meisten der Großstädte (d.h. über 100 000 Einwohner) Informationsfreiheitssatzungen gegeben. So können Bürgerinnen und Bürger viele Entscheidungen der Kommune nachvollziehen. Leider hat Bayern, anders als die meisten anderen Bundesländer, bisher nur eine einfache Version eines Informationsfreiheitsgesetzes mit einem Auskunftsanspruch gegenüber öffentlichen Stellen im Datenschutzgesetz untergebracht.
3. Ist der Fall Miesbach eher eine „kleine“ Verfehlung oder Teil einer systemischen Problematik im kommunalen Miteinander zwischen Sparkassen, Parteien und Verwaltungen?
Miesbach ist definitiv nicht der einzige Fall, in dem Amtsträgern bayerischer Kommunen Bestechlichkeit vorgeworfen wird. Sicher gibt es eine große Dunkelziffer bei solchen Delikten, weil ja beide Seiten – der Bestechende und der Bestochene – die Tat geheim halten wollen. In Bayern gibt es ca. 2.500 Kommunen und aus den allermeisten davon sind keine kriminellen Machenschaften bekannt geworden. Klar ist aber auch, dass überall, wo wenige Personen über größere Beträge oder sonstige Leistungen entscheiden, die Gefahr von Korruption gegeben ist. Umso wichtiger ist, dass die Öffentlichkeit sich über das Verwaltungshandeln transparent informieren kann. Transparency Deutschland setzt sich deshalb engagiert für Informationsfreiheitsgesetze ein.
4. Welchen Einfluss sehen Sie auf die öffentliche Wahrnehmung von Politik und Verwaltung?
Vorgänge in der kommunalen Verwaltung betreffen Bürgerinnen und Bürger oft persönlich, z.B. in der Form der Ablehnung einer Baugenehmigung. Solche Vorgänge werden viel deutlicher wahrgenommen als Entscheidungen in Berlin oder gar Brüssel. Deshalb halten wir es für sehr wichtig, dass die kommunale Verwaltung sauber und transparent arbeitet. Andernfalls besteht die Gefahr, dass nicht nachvollziehbare Entscheidungen Politikverdrossenheit fördern.
5. Wie bekämpft man auf dieser Ebene Korruption? Welche Empfehlungen haben Sie als NGO für die zukünftige Aufarbeitung des Skandals, bzw. der zukünftigen Kontrolle dieser Netzwerke?
Als NGO hat Transparency Deutschland auch in Zusammenarbeit mit Kommunen eine Reihe von Werkzeugen entwickelt, um solche Vorfälle möglichst zu verhindern. Beispiele dazu können Sie auf unserer Website nachlesen, z.B. unter https://www.transparency.de/mitmachen/mitgliedschaft/korporative-mitgliedschaft/faq-kommunen/
So wird von den kommunalen korporativen Mitgliedern seitens Transparency Deutschland unter anderem erwartet:
- Abgabe einer Selbstverpflichtungserklärung zu den unten genannten Anforderungen als formale Voraussetzung für eine Korporative Mitgliedschaft.
- Ein klares Bekenntnis der Kommune, dass sie Korruption in jeder Form ablehnt und korruptives Verhalten weder bei politischen Entscheidungsträgern noch in der Verwaltung dulden wird (Teil der Selbstverpflichtung für kommunale Mitglieder).
- Vorhandensein von Schulungen für die Mitarbeiter und einer verbindlichen Verhaltensnorm für alle Beschäftigten, nach der Bestechung und andere Formen der Korruption weder eingesetzt noch toleriert werden (Teil der Selbstverpflichtung für kommunale Mitglieder).
- Vorhandensein oder Bereitschaft, mittelfristig einen Verhaltenskodex für politische Entscheidungsträger einzuführen, der eine Verpflichtung gegen Korruption enthält (Teil der Selbstverpflichtung für kommunale Mitglieder).
- Engagement für Korruptionsprävention in den kommunalen Interessenverbänden (Teil der Selbstverpflichtung für kommunale Mitglieder).
- Bereitschaft zum Erfahrungsaustausch zu Themen der Korruptionsprävention mit anderen Kommunen und mit Transparency Deutschland.
6. Zum Schluss noch eine Frage nach der politischen Dimension: Der Skandal geschah in Zeiten der CSU-Alleinherrschaft. Wie maßgeblich ist diese politische Situation Ihrer Ansicht nach für solche Skandale?
Die Erfahrung zeigt, dass über längere Zeit gleichbleibende personelle Konstellationen günstig sind, um Korruption zu verschleiern und Abhängigkeiten entstehen zu lassen. Dies trifft auch auf politische Parteien zu, unabhängig von der politischen Ausrichtung.
Ein wichtiges Merkmal funktionierender Demokratie ist, dass Regierungen auch abgewählt bzw. ersetzt werden können. Dass die bayerischen Wähler der CSU im Landtag so lange immer wieder ihre Stimme gegeben haben, spricht dafür, dass jedenfalls Korruptionsfälle nicht als ausreichende Gründe gesehen wurden, eine andere Partei zu wählen.
Vielen Dank für das Gespräch. Wer sich weiter über die Arbeit des Vereins informieren möchte: https://www.transparency.de
SOCIAL MEDIA SEITEN