Analyse zu Mad Max Krah – Rebellion gegen den Öko-Wahn
AfD: Auf Wählerfang im Oberland?

Ein Samstag in Holzkirchen: Auftritt des Europa-Kandidaten Maximilian Krah. Er fährt im offenen Jaguar vor, eingerahmt von leicht bekleideten Damen, die mit Deutschlandfahnen wedeln. Das kam bei der Parteiführung nicht gut an. Was ist los mit der AfD im Landkreis?

wagen calsow afd
In den letzten Monaten hat sich viel Unmut über die Ampel-Regierung breitgemacht, für die AfD war das ein Fest. Foto: Redaktion

Die AfD kündigte die Veranstaltung mit  “Mad Max Krah – Rebellion gegen den Öko-Wahn” als „reaktionärste Wahlkampfparty des Jahres” an. So trat Maximilian Krah, EU-Spitzenkandidat der AfD, der aktuell Auftrittsverbot hat, an einem Samstag im Mai in Holzkirchen auf. Ein Sound, der zu Holzkirchen passt, wie ein Rammstein-Konzert auf einem Gautreffen der Gebirgsschützen. Ursprünglich war Krahs Auftritt in Miesbach geplant, wurde dann aber wegen angeblicher Drohungen nach Holzkirchen evakuiert.

Jetzt also der Klamauk-Auftritt, der irgendwo zwischen Helge Schneider und Hugh Hefner liegt. Mit diesen kleinen Beispielen erhält die Partei ihre maximale Aufmerksamkeit. Veranstalter, die bedroht werden? Stärkt den Opfermythos. Grelle Macker-Auftritte? Gefällt dem Wahlvolk, weil eben nicht glatt wie alle anderen. So die Theorie. Vorlage sind vermutlich Donald Trump und seine grellen Auftritte. Aber wie ist die AfD eigentlich bei uns aufgestellt?

Unmut über die Ampelregierung

Auch im Oberland hat sich in den vergangenen Monaten viel Unmut über die Ampel-Regierung breitgemacht. Traktoren blockierten Straßen, Mahnfeuer wurden errichtet. Binnen weniger Tage wuchs der Zorn bei einigen Gruppen.

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Aktuell ist der Protest weniger sichtbar. Hier und da noch Aufrufe zu Protestfahrten. Insgesamt scheint der Widerstand in der öffentlichen Wahrnehmung abgeebbt. Nur: Die Menschen, die sich über Flüchtlingsunterkünfte oder in ihrer Wahrnehmung ungerechte Gesetze und Regelungen echauffieren, sind ja noch da. Wo sind sie?

Auch im Podcast der Tal-Stimmen ging es jüngst um den Auftritt des AfD-Politikers in Holzkirchen.

Aus Whats-App in den Politikbetrieb

Einige Gruppen haben sich institutionalisiert. Geht ihnen in den nächsten Monaten nicht die Luft aus, werden sie bald als politische Einheit wahrzunehmen sein. Andere, die Zeit, Energie und möglicherweise auch Geld in die Januar-Proteste gesteckt haben, suchen Anschluss an die AfD. In den WhatsApp-Gruppen im Tal und Oberland wird zwischen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern heftig um den richtigen Weg gerungen.

Hand in Hand und Bauernproteste

Der Verein Hand in Hand für unser Land”, der aus den winterlichen Bauernprotesten wuchs, betont, dass sie weder rechts noch links seien, aber eben von den etablierten Parteien nicht gehört werden würden. Die Tegernseer Stimme traf Anfang des Jahres einige Personen aus diesem Kreis. Von Rechtsextremen war da nichts zu erkennen, wohl aber von Meinungen, die im öffentlichen Diskurs kaum oder selten debattiert werden. Ob Bürokratie-Irrsinn oder eine Aufarbeitung der Corona-Zeit: Themen, über die viele Bürgerinnen und Bürger die Stirn runzeln. Von der aktuellen Politik ernten sie wahlweise Schweigen oder Floskeln.

Ist der Verein “Hand in Hand” ein Auffangbecken? Für genervte Bürger? Ein zivilgesellschaftliches, aber eben konservatives Engagement und Denken, irgendwo zwischen CSU und Freien Wählern? Doch genau die etablierten Parteien scheinen diese Gruppen (noch) nicht ernstzunehmen. Und die AfD? Sie verliert aktuell an Wählerstimmen.

AfD verliert Stimmen

Die AfD muss derzeit kämpfen. In einer  veröffentlichten Forsa-Umfrage Anfang Mai bekam die AfD den niedrigsten Wert seit April 2023. Dort waren es 15 Prozent (minus eins). Seit Dezember habe die AfD etwa ein Drittel ihrer Anhänger verloren. Die Stimmen wandern zu anderen Parteien oder an Nichtwähler, so das Trendbarometer der Sender RTL und n tv.

Anders sieht es bei den Prognosen zur Europawahl aus, hier kommt die AfD zwar auch auf knapp 16 Prozent, liegt damit aber im Vergleich zum Wahljahr 2019 immerhin um 4,8 Punkte zu (Quelle: Europawahl).

Ökonom und Grünwalder Jurij Kofner

An Samstag in Holzkirchen ist auch Jurij Kofner anwesend. Der in Grünwald lebende Miesbacher ist AfD-Sprecher für Wirtschaft und Finanzen AfD. Kofner steht pressewirksam mit dicker Zigarre als Motiv für die Presse zur Verfügung.

Kofner hat seine Nähe zu Russland nie verborgen. Der 38-Jährige studierte in Russland, hat einen Bachelor am Moskauer Staatsinstitut und soll in den vergangenen Jahren engen Kontakt zu neurechten Kreisen und Burschenschaften (wie etwa der Danubia) gehabt haben.

Vor wenigen Jahren leitete er das Zentrum für Kontinentale Zusammenarbeit (ZKZ) in München, ein pro russischer Think Tank. Auf der Website stand “Ziel sei “die Befreiung Europas von der US-amerikanischen Hegemonie” sowie “das Ende des ‘Großen Austausches’ der europäischen autochthonen Bevölkerung durch Masseneinwanderung nichteuropäischer Völker.”

Kofner ist Familienvater und nach eigenen Angaben “Glücklichst verheiratet mit einer lieben, intelligenten und wunderhübschen, russischen Frau”, schreibt Artikel für die neu-rechte österreichische Zeitschrift “Freilich” und für das rechtspopulistische Magazin Compact (Quelle: Der Standard).

Verteidiger Russlands und höflicher Anti-Amerikanismus

Wir sprechen direkt mit Jurij Kofner. Mit leicht russischer Sprachfärbung erklärt er höflich seine politischen Ideen, die sich grob als marktradikal und sehr auf Parteilinie bedacht, beschreiben lassen. Immer wieder bedient er mit seinen Andeutungen und Hinweisen alte anti-amerikanische Ressentiments.

Es gäbe ja immer noch US-Militärbasen, die auch mit Atombomben bestückt seien, in Deutschland. Oft verteidigt er Russland. Das sei ein multi-ehtnisches Land und nicht mit einer Demokratie zu führen. Auffällig: Nimmt man in so einem Gespräch nicht die Rolle des Anklägers, des Aufdeckers ein, so kommen die Widersprüche von allein.

Kofner fühlt sich aufgrund seiner Ausbildung im großen Feld der Weltwirtschaft sicher. Fragen zu Problemen im Landkreis weicht er aus. Klar: Der AfD-Mann wohnt in Grünwald, weit weg von Schliersee oder Fischbachau. Also noch einmal Weltpolitik. Die Frage, ob er den Satz ‘Wladimir Putin ist ein Kriegsverbrecher’ sagen könne, verneint er. “Dann müsse ich auch Obama oder Biden so bezeichnen”, erklärt er.

CSU und Freie Wähler als Hauptgegner

Vor allem die CSU und die Freien Wähler sieht Kofner als Hauptgegner. “Die machen versteckt grüne Politik.” Er verstehe den Protest der Bauern, Agrarpolitik gehöre seiner Meinung nach in nationale Hand, dürfe nicht von Brüssel aus gesteuert werden.

Kofner sagt: Er habe in den letzten Wochen viel Unterstützung von Landwirten aus der Gegend erhalten. Jeden zweiten Freitag habe er in Miesbach einen Stammtisch, da kämen viele Handwerker, Unternehmer und eben auch Landwirte. Ob das so ist, können wir nicht überprüfen.

Auf seiner Homepage sieht man Bilder von einer Veranstaltung in Miesbach. Eine Person auf den Fotos ist mit einem Bild Elon Musks unkenntlich gemacht worden. Hier wollte jemand mit der AfD reden, aber nicht mit ihnen gesehen werden. Aber warum jetzt eigentlich Miesbach?

Stimmkreis Miesbach AfD frei?

Die AfD war vor drei Jahren im Landkreis Miesbach politisch nahezu unsichtbar. Ihr einstiger Funktionär Alois Ostermair ist nach Bekanntwerden eines Chatverlaufs zwischen AfD-Mitgliedern 2021 zurückgetreten. Darin wurde er mit Worten wie „Umsturz” und „Revolution” zitiert.

Lange Zeit blieb es ruhig, bis Jurij Kofner im vergangenen Jahr im Stimmkreis Miesbach für die bayerische AfD im Landtag kandidierte. Der 38-Jährige konnte das Direktmandat-Ergebnis seines Vorgängers um zweieinhalb Punkte verbessern und bei den Gesamtstimmen legte die AfD 2023 um über drei Prozentpunkte zu. Damit war sie doppelt so stark wie die SPD. Aber für ein Landtagsmandat reichte es dann doch nicht.

Der “Schützenwirt” in Miesbach bot schon einmal in diesem Jahr der AfD und Kofner Heimstatt. Jetzt tauchte Jurij Kofner mit Maximilian Krah im Landkreis auf. Es wirkt wie ein Austesten einer extremen Partei, die hier für die nächste große Wahl übt.

Vorwürfe um Petr Bystron

Die massiven Vorwürfe gegen AfD-Bundestagsabgeordnete und Spitzenkandidaten in den letzten Tagen, speziell gegen Petr Bystron, setzen den Rechtsextremen zu. Bystron wird vorgeworfen, Gelder von einem pro-russischen Netzwerk angenommen zu haben. Die Staatsanwaltschaft München ermittelt wegen des Anfangsverdachts der Bestechlichkeit von Mandatsträgern und Geldwäsche. Letzte Woche hat der Bundestag Bystrons Immunität aufgehoben, was weitreichende Durchsuchungen seines Bundestagsbüros, sowie von Immobilien in Bayern und Mallorca ermöglichte.

Auch Maximilian Krah hat kurzfristig seine Auftritte zu Beginn der Affäre in Abstimmung mit der Parteispitze eingestellt. Dann kam er nach Holzkirchen. Jetzt darf er wieder nicht auftreten.

Ilse Aigner ist besorgt

Die konservativ-demokratischen Kräfte beobachten die AfD mit Sorge. Ilse Aigner, Landtagspräsidentin und CSU-Stimmkreisabgeordnete sagt: “Die Auftritte der AfD während des derzeitigen Wahlkampfs im Oberland betrachte ich mit großer Sorge.” Und weiter: ” Die CSU muss auch im Landkreis Miesbach klar und entschieden gegen die AfD und deren Programmatik antreten.

“Das heißt aber auch, dass wir unsere Positionen deutlich, ja vielleicht noch deutlicher machen müssen.” Die AfD hängt sich an Proteste vor Ort. Beispiel Warngau: Dort will der Landkreis in der Nähe eine Asylunterkunft für mehr als 500 Menschen einrichten. Bei einer Bürgerversammlung vor einigen Monaten tauchten auch zwei AfD-Landtagspolitiker auf und heizten die Diskussion an: Andreas Winhart (41) aus Rosenheim. Er ist Parlamentarischer Geschäftsführer (sitzt auch im Beirat der Bayerischen Staatsforsten) sowie Oskar Lipp (29) aus Ingolstadt. Beide sitzen mit einem Mandat im Bayerische Landtag.

Migration ist das Top-Thema

Migration ist das Top-Thema der AfD. Hier kann sie ihre Rolle als extreme Mahnerin, als Anwältin der Einheimischen durchspielen. Hier wittert sie das größte Wut-Potenzial, das bei Themen wie bezahlbarer Wohnraum oder Erbschaftssteuer nicht gegeben ist.

Für die bayerischen Regierungsparteien CSU und FW ist die AfD zwar eine Gefahr, aber derzeit stehen, bis auf die Europawahl am 09. Juni 2024, keine relevanten Wahlen im Freistaat an. Doch im nächsten Jahr wird auf Bundesebene gewählt. Verfestigt sich die AfD auch im Oberland, schafft sie sich hier eine Basis, gespeist aus der Wut der Unzufriedenen?

Gefährlich für die hier dominante CSU wird es, wenn die AfD als legitime Alternative von Bürgerinnen und Bürgern wahrgenommen wird, wenn sie jenseits von Krawallauftritten mit Sachlösungen um die Ecke biegt.

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