Warum die Massaker in Israel auch uns betreffen:
Antisemitismus geht uns alle an – auch die Tegernseer “heile Welt”

Ein räudiger Fuchs in Tegernsee oder ein aufgebrochener Kaugummiautomat – das ist Lokaljournalismus. Aber auch das Grauen und unsere Verantwortung dafür in diese heile Welt bringen, gehören zu unserem journalistischen Selbstverständnis:

West- oder Klagemauer in Jerusalem Foto: Martin Calsow

Die Dame wohnt bei uns im Tal. Sie ist Jüdin. Vor vier Wochen erkrankte sie und geht einem Krankenhausaufenthalt in München entgegen. Sie fürchtet sich. Weniger vor der Operation, als mehr davor, dass jemand anhand ihres Namens auf ihre jüdische Herkunft schließen könnte, sie schlecht behandelt oder gar bedroht. Grund: das Massaker gegen Israelis und die seltsame Solidarität der bei uns lebenden Araber und Türken. Ist das hysterisch? Oder ist das ein bei Juden nahezu überlebenswichtiger Instinkt, antrainiert über Jahrhunderte. Im Zweifel werden sie als Gruppe bedroht.

Was geht uns das an? Eine Menge, finde ich. Dabei will ich gar nicht auf unsere sehr eigene Vergangenheit herumreiten. Vom antisemitischen Ludwig Thoma über die Gräber diverser Nazi-Generäle zu den rechtsradikalen Reichsbürgern. Wir haben unseren braunen Bodensatz. Aber nun kommt ein neuer, ein importierter antisemitischer Anteil dazu.

Gerade erst haben Imame in Moscheen gegen Israel gehetzt – wohl auch bei uns in der Region. Immer demonstrieren Tausende in Europa und hetzen gemeinsam mit linken Studenten, die sonst bei jeder Mikro-Aggression traumatisiert sind, jetzt aber munter mit islamistischen Fanatikern laufen. Was ist hier los?

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Aus Worten, das wissen wir am besten in Deutschland, werden schnell Taten. Es geht also gegen jüdische Menschen unter uns, die mit uns leben. Die sich jetzt verbergen müssen, weil sie Angst vor Übergriffen haben. Was sind wir alle für die Ukrainerinnen und Ukrainer vor wenigen Monaten auf die Straße gegangen? Jeden Freitag liefen viele von uns mit den Fridays-for-Future-Leuten für das Klima und schwänzten die Schule. Die haben aktuell ihre eigene Sicht auf den Nahen Osten …

Vor drei Wochen wurden in Israel Kinder und Säuglinge massakriert, Frauen vergewaltigt, Menschen getötet und verschleppt. Dröhnendes Schweigen der #metoo-Bewegung über die Femizide. Wir sehen höhnisch lachende Demonstranten in deutschen Städten, viele mit Migrationshintergrund. Lesen Texte in deutschen Zeitungen, die relativieren, die das ohne Zweifel vorhandene Leid der in Gaza und im Westjordanland lebenden Araber mit dem Horror des Terror-Überfalls der Hamas vergleichen und damit relativieren.

Und wir? Wir schauen weg, keine Flagge der Solidarität, keine Demo, keine Geste der Hilfsbereitschaft den traumatisierten Menschen in Israel. Alles ist still. Nein, wir müssen nichts machen. Es gibt keinen exklusiven Empathie-Zwang für Inhaber eines deutschen Personalausweises. Empathie ist ein Luxus der Zivilisation. Am besten hat das diese Kollegin aus Österreich beschrieben.

Der Felsendom in Jersualem. Foto: Martin Calsow

Wir können uns aber zukünftig Kranzniederlegungen, KZ-Besuche und Halbmast-Flaggen sparen, wenn wir nicht aufstehen und uns neben unseren jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern stellen. Ihnen Schutz und Sicherheit garantieren. Konkret? Wir treten jeder Form der Relativierung, der antisemitischen Verschwörung aktiv entgegen, ob in Asylunterkünften oder in bürgerlichen Salons. Wer zu uns kommt und meint, sein hetzerisches Weltbild aus der Heimat bei uns ausleben zu wollen, darf nicht bleiben. Wer in trauter Runde halbgare Erklärungen über Israels Schuld am Konflikt als Grund für das Massaker salbadert, muss Widerstand spüren. Wir haken uns nicht bei türkischen oder arabischen Gruppen unter, die gegen Israel hetzen. Sie gehören nicht zu uns.

Wir sind Deutschland – ein Land, in dem Jüdinnen und Jugend niemals Angst haben dürfen. Auch dafür schreiben wir.  

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