Ist ein autofreier Sonntag im Tal denkbar?

Über eine Stunde sprach Bürgermeister Johannes Hagn (CSU) von den Finanzen und Errungenschaften der Stadt Tegernsee. Für Diskussionen aber sorgten vier Anträge. Die Bürgerversammlung entwickelte sich quasi zum Ventil angestauter Themen. Auch ein autofreier Sonntag wurde vorgeschlagen.

Etwa 150 Tegernseer wollten die Reizthemen Feuerwehrhaus und Zweitwohnungssteuer aus 1. Hand erfahren / Foto: Klaus Wiendl

Einer davon war, wie berichtet, das Feuerwehrhaus. Der zweite Antrag stammte von Walter Stephan, der den hohen Steuersatz von 20 Prozent auf die Kaltmiete bei Zweitwohnungen kritisierte. Auf der einen Seite sollen die Zweitwohnsitzler durch höhere Steuern vertrieben werden, auf der anderen Seite würden riesige Bauprojekte für zahlungskräftige Investoren als Nebenwohnsitz aus dem Boden gestampft werden. „Wie lange wird man ihnen diese Doppelmoral noch abnehmen“, fragte Stephan persönlich Hagn. Dieser zeigte sich über den Antrag erfreut, weil er darauf eingehen wollte.

Wenn er gefordert werde, sich über geltendes Recht hinwegzusetzen, bekomme er wegen offensichtlicher Rechtswidrigkeit keinen Rechtsschutz, entgegnete Hagn. Er glaube nicht einmal, dass sein Schreiben angenommen werde. Ein Vergleich mit Luxusbauten in Tegernsee hinke, „denn es geht uns um Wohnungen“. Fakt sei seit der Einführung der höheren Zweitwohnungssteuer, „dass wir nicht noch mehr Zweitwohnsitze haben, sondern zwölf weniger“. Der Antragsteller würde in einem großen Haus am Hang wohnen. „Das sind nicht die Wohnungen und Häuser, die wir meinen“.

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Tegernsee im „Spagat“

Nach einer Bedarfsanalyse für den Landkreis Miesbach gebe es bei den 1-Zimmer-Wohnungen einen Fehlbedarf von 79 Prozent, bei den 2-Zimmer-Wohnungen seien es 31 Prozent und 44 Prozent bei 3-Zimmern. In diesem Bereich seien über 70 Prozent der Zweitwohnsitze. Keinesfalls wolle er die hohen Einnahmen aus dieser Steuer leugnen. Dem gegenüber würden aber Investitionen von 2,6 Millionen Euro in ein neues Grundstück sowie der Erhalt des eigenen „hohen Wohnungsbestands“ stehen. Zehn Prozent der Tegernseer Wohnungen seien entweder in städtischem oder im Besitz der Bau- und Siedlungsgenossenschaft. Neuer Wohnraum werde auch mit dem Ausbau des 2. Obergeschosses am Bahnhof geschaffen.

Das Problem sei laut Hagn der Spagat, den die Stadt schaffen müsse. Auf der einen Seite sei kein Neubau im Außenbereich des Landschaftsschutzgebietes Tegernseer Tal möglich. Und auf der anderen Seite stehe die Innenverdichtung im Ort. Diese aber werde kritisiert. Auf die Bebauung des Krankenhausgeländes mit dem exklusiven Quartier Tegernsee und Wohnungen nach dem Tegernseer Modell hingewiesen, meinte Hagn, man solle sich überlegen, wo man hier lebe. Das könnten bei diesen Preisen keine Sozialwohnungen werden. Es sei der erste Schritt für Einheimische ins Wohneigentum. Man diskutiere auch nicht um Wohnraum in Luxuslagen. „Sondern darüber, dass kleinere Wohnungen nur sporadisch genutzt werden“. betonte Hagn. (langer Beifall)

Verfehlte Entscheidung vor Hagns Amtsantritt

Doch Antragsteller Stephan gab sich noch nicht zufrieden. „Auf dem Krankenhausareal werden 65 Zweitwohnsitze gebaut“. Wohnungen von über einer Million Euro würden nicht von Tegernseer Mittelständlern gekauft. Hagn darauf: „Es lag nicht in meiner Hand. Ich hätte dort lieber das neue Feuerwehrhaus und Wohnungen der Siedlungsgenossenschaft gebaut“. Doch die Entscheidung zum Verkauf des Grundstücks sei zwei Monate vor seinem Amtsantritt im Mai 2014 gefallen.

Im dritten Antrag ging es Traudl Eberwein um die Schlammreduzierung in der Schwaighofbucht und der Reinigung des Ufers. Außerdem monierte sie „die täglich mehrmalige Fütterung einer Dame“. Die Reinigung des Seeuferbereichs werde durchgeführt, so die Antwort darauf, auf das Fütterungsverbot sei die Vogelfreundin mehrmals hingewiesen worden.

Autofreier Sonntag im Tal

Der vierte Antrag befasste sich mit einem autofreien Sonntag im Tal. Schließlich sei man auch mit dem Prädikat Bergsteigerdorf in einer Premium-Region. Mit einem autofreien Sonntag könnte man ein „positives Denken“ setzen, hofft Peter Voggenreiter. Auf offene Ohren stieß er damit bei Vize-Bürgermeister Heino von Hammerstein (BürgerListe): „Wir werden den Antrag unterstützen“. Der Sonntag müsse ja nicht völlig autofrei sein, man müsse nur nach Lösungen suchen. Hammerstein schlug vor, diese Anregung in die Dienstbesprechung der Talbürgermeister einzubringen.

„Die Idee sei zwar sympathisch“, so Stadtrats-Kollege Peter-Friedrich Sieben (FWG) darauf, doch er gebe zu bedenken, „wo wir hier sind“. Schließlich sei man eine Tourismusregion und „man könne nicht über die Köpfe von Hoteliers und Gastronomie hinweg entscheiden, dass die keinen Umsatz mehr machen sollen“. Da die BOB in Stoßzeiten im Stundentakt komme, hat diese Diskussion „überhaupt keinen Sinn“. Aus rein „wirtschaftlichen Gründen“ sei er gegen diesen Vorstoß, so Sieben. „An dem Tag graben wir der Wirtschaft das Wasser ab“.

Verkehrsberuhigte Zonen

Doch verkehrsberuhigte Zonen gebe es bereits in den Nachbarländern, erwiderte Voggenreiter. Es gebe einen Katalog von Vorschlägen, Hotels und Gastrobetriebe mit ins Boot zu holen. Dies fange schon bei der Bereitstellung von E-Bikes und E-Autos an und könnte bei Kutschen- und Rikscha-Fahrten enden. Die Leute würden nicht wegen der Autos ins Tal kommen, sondern der Natur wegen. Auf deren Freiwilligkeit setze er, so Voggenreiter, ich „will keine Spaltung“.

Aber man sollte es mal unter einem anderen Blickwinkel sehen, vor allem wenn etliche Hotels als Sponsoren mitmachen würden. Ob diese Anregung auf fruchtbaren Boden fiel, ließ sich bei den anschließenden Diskussionen über die Reihen hinweg nicht mehr ausmachen. Irgendwie viel noch der Begriff ATTEK, die Veranstaltung vergangene Woche in Rottach-Egern zum Klimawandel. Doch von einem autofreien Sonntag war auch dort nicht die Rede. Soweit wollte man nicht gehen. Stattdessen forderte man einen attraktiveren Nahverkehrsplan.

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