Das Chalet soll weg

Ein Unternehmer scheint mit seinem gerade frisch hingestellten Chalet unterhalb der Holzeralm keine Freude zu haben. Das Landratsamt sieht erhebliche Veränderungen am Bau. Damit sei, so das Landratsamt, der Bestandsschutz des Bauwerks erloschen. Und das hat Konsequenzen…

Die Vorher/ Nachher Betrachtung. Links das neue Chalet im Jahr 2022 und rechts die Ausgangshütte ungefähr im Jahr 2013.

Es ist zweifellos hübsch geworden, fanden wir, als wir auf unseren Streifzügen durchs Tal die Hütte sahen. S. wohnhaft in Waakirchen, aber in München lange als Unternehmer tätig, hat sich in seinem Privatwald oberhalb des Golfclubs und Breitenbachtals eine schöne Hütte “ausgebaut”. Aber: Ein einfacher Aufenthaltsort für Jäger wurde das nicht: Kupferdach, Solaranlage. Drinnen soll es ein großes Doppelbett und eine feine Küche geben. Unterhalb des Gebäudes liegt eine Wasserfilteranlage, und ein großer Badezuber steht auf einer üppigen Terrasse – karges Jägerleben sieht anders aus. Medien schrieben schon von einem Chalet.

Heute also kam die Entscheidung des Landratsamts in Miesbach. Hier sieht man nämlich eklatante Veränderungen am Baukörper. Pressesprecherin Sophie Stadler dazu:

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Grundsätzlich hätte das Gebäude aufgrund des hohen Alters unabhängig von einer Genehmigung Bestandsschutz genossen bzw. hätte zumindest geduldet werden müssen. In so einem Fall dürfen aber nur verfahrensfreie Instandhaltungsmaßnahmen durchgeführt werden, also Arbeiten, für die es keiner baurechtlichen Genehmigung bedarf.

Die Hütte soll auf dieser Stelle schon seit Ende der 40er Jahre des letzten Jahrhunderts stehen. 2013 hatten wir sie zufällig im Rahmen einer anderen Recherche fotografiert. Jetzt, neun Jahre später, hat sich das Bauwerk verändert.

Ist das ok?

Das Landratsamt gibt einen baurechtlichen Exkurs dazu: “Unter Instandhaltungsarbeiten sind bauliche Maßnahmen zu verstehen, die der Erhaltung der Gebrauchsfähigkeit und der baulichen Substanz einer Anlage dienen, ohne deren Identität zu verändern. Mit ihnen können einzelne Bauteile ausgebessert oder ausgetauscht werden, um die durch Abnutzung, Alterung oder Witterungseinflüsse entstandenen baulichen Mängel zu beseitigen, wenn hinsichtlich Konstruktion, Standsicherheit, Bausubstanz und äußerem Erscheinungsbild keine wesentliche Änderung erfolgt.”

Aber hier scheint die Identität des Gebäudes durch einen massiven Eingriff des Bauherrn verändert worden zu sein. Im Falle des Holzeralm-Chalets scheint nach Auffassung des Landratsamts der Bauherr den Bestandsschutz verloren zu haben.
Die Folge: “Es ist eine vollständige Beseitigung des Bauwerks anzuordnen”, so das Landratsamt. Das ist bitter.

Was kommt auf den Unternehmer zu?

Der erste Schritt ist die Beseitigungsanordnung durch das Amt. Innerhalb einer gesetzlich vorgeschriebenen Frist kann sich der Eigentümer dann dazu äußern und beispielsweise Gesichtspunkte vorbringen, unter welchen eine Beseitigung des Gebäudes unverhältnismäßig sein könnte. Auch könnte er ihm noch vorliegende Genehmigungen vorlegen.

Stadler dazu: “Nach der Frist muss das Staatliche Bauamt die möglicherweise vorgebrachten Einwände rechtlich würdigen. Hält die Behörde an ihrer Einschätzung der Baurechtswidrigkeit fest, wird eine förmliche Beseitigungsanordnung erlassen. Gegen diese kann der Eigentümer selbstredend Klage vor dem Verwaltungsgericht erheben. Dann muss das Gericht darüber entscheiden, das Gebäude bleibt bis zur wirksamen Entscheidung des Gerichts bestehen (sog. aufschiebende Wirkung). Bestätigt das Gericht die Rechtsauffassung der Baubehörde, muss das Gebäude weg. Beseitigt der Eigentümer nicht selbst, macht es das Landratsamt per Ersatzvornahme und stellt dem Eigentümer die Kosten in Rechnung.”

Ob die Hütte wirklich wegkommt, ist fraglich

Handwerker schätzen die Gesamtkosten für den Bau dort oben auf entspannte Viertel Millionen Euro. Aber da kann man ja klagen, denkt sich der Talbürger. Wäre ja nicht das erste Mal in Bad Wiessee, wo auf dem Gelände der alten Pizzeria ein Autotandler jahrelang seinen Bauvorstellungen freien Lauf ließ.

Und Sophie Stadler schränkt dann auch gleich ein: “Aufgrund der Tatsache, dass das Gebäude in der ursprünglichen Form schon Jahrzehnte bestand, wäre die Anordnung der sofortigen Vollziehung einer Beseitigungsanordnung hier wohl nicht verhältnismäßig.”
Aber sie legt Wert darauf, dass hier Recht und Ordnung, wie sie sagt, auch Bestand haben muss. “Es darf…nicht sein, dass abweichend von oder ganz ohne Genehmigung gebaut wird, und man nachträglich alles legalisiert.”

Bestrafe einen, erziehe Hunderte

Nun ja, gern denken sich Bauherrn: ’Lieber nach Verzeihung fragen, als nach Erlaubnis. Da wurden in der Vergangenheit Bäume gefällt, Dacheinschnitte gebaut, um dann reumütig hinterher ein Bußgeld zu akzeptieren oder ein wenig Kosmetik am Bau zu machen.
Stadler: “Sicher gibt es auch Fälle, in denen man nachträglich, z.B. durch eine Tektur, einen Genehmigungszustand erreichen kann. Wir möchten ja nicht ausschließen, dass es während eines umfangreichen Baus auch mal zu Veränderungen oder Anpassungen der Planungen kommen kann. Wenn das genehmigungsfähig ist, dann agieren wir als Behörde in so einem Fall mit Augenmaß. Aber wir können nicht tolerieren, wenn jemand völlig konträr zu den geltenden Gesetzen baut. Unabhängig davon leiten wir in derartigen Fällen regelmäßig ein Bußgeldverfahren gegen den/die Verantwortlichen ein, mit welchem auch etwaige wirtschaftliche Vorteile abgeschöpft werden können.”

Denn das darf man nicht vergessen: So eine umgebaute Hütte hat ja einen schönen Wiederverkaufswert und gilt, wenn die Behörde nicht handelt, auch als Anschauungsobjekt für andere Bauträger im Tal, die sich eine Jagdhütte zu einem Feriendomizil umbauen wollen. Solange aber der Schatten eines Rechtsstreits über dem Kupferdach auf 900 Höhenmeter kreist, ist der ein oder andere vorsichtiger mit weitreichenden Umbauten an seinem neuen Chalet irgendwo in den Bergwäldern des Tegernseer Tals. Getreu des alten Sozialisten-Mottos: Bestrafe einen, erziehe Hunderte.

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