Erst waren es die Almen, dann kamen die Schranken, und jetzt kommt die autonome Energieversorgung. Franz Haslberger schafft Fakten am Westufer – dank eines devoten Gemeinderats in Bad Wiessee? Die Sache ist komplexer …
Da sitzt er mit seiner Lebensgefährtin und deren Sohn in der Ecke und tippt in sein Smartphone. Von elf Tagesordnungspunkten betreffen ihn drei direkt und einer indirekt. Unternehmer Haslberger dominiert mit seinen Themen an diesem Donnerstag vor einer Woche die Wiesseer Gemeinderatssitzung. Alles davor und danach scheint er nur belustigt bis gar nicht wahrzunehmen. Ihm geht es um seine Sachen.
Niederstubn und die nahe Verwandtschaft
Da wäre das Niederstubn-Areal in der Ortsmitte. Es gehört offiziell dem Stiefsohn, einem jungen Mann, der neben seiner Mutter sitzt. Das alte Gebäude soll abgerissen werden und durch einem “wesentlich größeren und dominanteren Baukörper mit Gewerbe, Büro und Wohnen sowie einer Tiefgarage” ersetzt werden. So steht es in der Beschlussvorlage der Gemeinde. Es wäre eine normale “Baugeschichte”, wie sie der Ort erlebt und der Rat immer wieder auf dem Tisch zu verhandeln hat. Es ist meist ein Ringen, aber durch ein kooperatives Auftreten im Vorhinein, lassen sich viele Fragen vorab klären.
Vorgemacht hat das zuletzt der Investor, Marcel Dittrich, mit seinem Ortsmitte-Projekt. Immer wieder erklärte er im Rat seine Ideen (öffentlich und nicht-öffentlich), warb, verwarf und dennoch ließ sich schnell eine einvernehmliche Lösung finden. Aber das ist nicht die Welt eines Haslbergers. Haslberger will sich durchsetzen, sucht den Streit, weniger die Lösung. Nach einer ersten Ablehnung eines Antrags wurde eine Umplanung des Projekts lediglich mit dem Landratsamt besprochen; “bei und mit der Gemeinde gab es keine Gespräche oder weitere Abstimmungen”, so die Verwaltung der Kommune.
Dabei ist ein Neubau von fast allen im Ort gewollt. Der jetzige Bau ist schiach. Drumherum ist und wird es schön: Gegenüber wird der neue, denkmalgeschützte Gasthof zur Post entstehen. Südlich grenzt das alte Hypo-Bankgebäude an. Es wurde von der Familie Kohler perfekt und zu aller Zufriedenheit umgebaut, ist jetzt ein echtes Schmuckstück. Also ein Neubau auf dem Niederstubn-Areal täte dem Ort gut. Nebenbei verschwände vielleicht auch das ausgesprochen unappetitliche öffentliche WC am Dourdan-Platz.
Geht da mal was voran?
Die Basis waren gute Gespräche. Herauskam eine Lösung, die alle zufriedenstellt.
Heute ist das Gremium uneins. Korbinian Herzinger will, “das dort was vorangeht”, CSU-Kollege, Kurt Sareiter, beklagt die Massivität des Gebäudes und die mangelnde Kommunikation des Bauherrn; er will dagegen stimmen. Prompt taucht das Haslberger-Syndrom auf: Die Idee ist gut, die Umsetzung zumindest in groben Zügen mehrheitsfähig. Aber am Ende scheitert es am Auftritt und der Kommunikation. Zwar erklärt Georg Ehrlacher von der CSU noch lakonisch, dass das Landratsamt die Ablehnung des Gemeinderats “sicher ersetzen werde”, aber das verhindert nicht, dass die Umplanung nicht durchgeht.
Gibt es die Lettern auch größer?
Nächster Punkt: Die Söllbachklause. Das Ausflugslokal stand lange leer, in der Schleife des Söllbachs. Bauherr Haslberger hat aus der leerstehenden Söllbachklause einen Großbau mit der ortsüblichen Jodl-Architektur machen lassen. Wer den Söllbachweg hinaufgeht, wird von einer Stützmauer mittelalterlichen Größe empfangen, darauf prangen menschengroße Lettern, die “Klause” ergeben, die übliche Angeber-Gestaltung eines Betonunternehmers aus Freising, der von hier an sein Gestaltungsreich beginnt. Als ob der Gastro-Klotz nicht reicht, will er einen Schuppen abreißen lassen und einen Neubau auf dem 49 Quadratmeter-Grund hinklotzen. Eine Brasserie soll entstehen. Interessant: Laut Verwaltung gehört ihm der Schuppen noch nicht einmal. Haslberger will, welch Überraschung, etwas Größeres haben. Konkret: Ein Neubau soll 82,5qm haben, er wäre damit um 68 Prozent größer als der Vorgängerbau.
Braucht’s das alles?
An der Stelle muss eine grundsätzliche Frage eingeschoben werden, die aber des Pudels Kern betrifft: Braucht es das alles? Haslberger hat, wenn die Söllbachklause eröffnet, drei! gastromische Betriebe (Söllbachklause, Saurüsselalm, Bauer in der Au) am und im Söllbachtal. Kein Unternehmer und schon gar keine Unternehmerin könnten das im Tegernseer Tal vorweisen. Für die Söllbachklause hat der Gemeinderat endlos oft Augen zugedrückt. Warum? Vor drei Jahren war am Westufer almseitig wenig los. Es gab die Aueralm und die Schwarzentenn Alm, die ist allerdings auf Kreuther Grund.
Dazwischen saß der schmollende Haslberger, dem der vorherige Gemeinderat die Pläne für den Umbau des Bauer in der Au nicht genehmigte. Aber dann kam Robert Kühn. Der junge Bürgermeister einte den neuen Rat, winkte die Saurüsselalm gegen viel Widerstand durch.
Kühn macht’s möglich und erntet Demütigung
Gedankt wurde ihm das vom Unternehmer nicht. Der klagt immer wieder über seinen Sprecher, wie oft ihm Steine in den unternehmerischen Erfolg gelegt werden. Und in der Tat: Hoteliers und Touristiker im Tal waren und sind entzückt über die neuen Angebote im Söllbachtal. Der Ort leidet unter aktuellen Baustellen und Leerstand von Wirtshäusern. Da war das Angebot Haslberges oben auf 1000 Meter genau richtig.
Ob Firmenfeiern, Hochzeiten oder Luxus-Geburtstage. Haslbergers Pächter Martin Frühauf machts im Bergwald möglich. Touristisch ist das alles durchdacht. Es führt nicht nur Tagestouristen ins Tal, auch Urlauberinnen wissen das Angebot dort oben zu schätzen. Haslberger und sein Pächter haben also vieles richtig gemacht. Und auch Kühn, der junge Bürgermeister, hat trotz persönlicher Demütigungen, einen gordischen Knoten gelöst. Nur: Wären da nicht die Dauer-Quengler, wie Haslberger schreiben lässt, die “selbst ernannten” Naturschützern. Die klagen vor dem Verwaltungsgericht, nerven mit Kontrollen und Beschwerden. Das Landratsamt wird oft, sehr oft eingeschaltet. Die Miesbacher Behörden aber hatten mit Haslberger noch einen anderen Deal in der Pipeline. Eigentlich wollte von Löwis und seiner Verwalter in Haslbergers Betriebshalle in Marienstein eine dreistellige Zahl an Flüchtlingen unterbringen. Erst nach massivem Protest der Anwohner wurde das Ansinnen abgehakt. Aber das eine muss mit dem anderen natürlich nichts zu tun haben.
Dann macht das Gremium bei der Brasserie an diesem Abend – den sonst bei Haslberger-Fällen sehr mobilen Rücken – gerade: Sie lehnen das Bauvorhaben ab. Vielleicht liegt es auch an der stickigen Luft im Raum. Denn anch der öffentlichen Sitzung müssen die 21 Frauen und Männer (Räte und Verwaltung!) noch Themen im nicht-öffentlichen Teil besprechen. Es wird wohl bis 23 Uhr gehen. Da braucht man Kraft und Geduld. Mittlerweile sind schon alle anderen gegangen. Hinter dem Rat sitzen nur noch die bedauernswerten Pressevertreter und die Haslbergers.
Kein Ende in Sicht – jetzt Hackschnitzel
Es geht weiter im munteren Bau-Potpourri des Betonbarons. Diesmal sind es Hackschnitzel. Der Freisinger will südlich seines Anwesens im absoluten Außenbereich einen alten Schuppen abreißen, durch einen Neubau mit einer Hackschnitzelheizung mit Keller (30 Quadratmeter) ersetzen und weiter unten auf der großen Lichtung einen zusätzlichen Lagerraum für Hackschnitzel neben einem bestehenden Schuppen bauen lassen.
Das weckt das Interesse des Waldbesitzers und Bauern Alois Fichtner. Wie Haslberger verpachtet auch er eine Alm (Aueralm) und findet den Hackschnitzelbau “völlig normal”. Zustimmung bekommt er auch vom Feuerwehrkommandanten Korbinian Herzinger (CSU). Und in der Tat: Hackschnitzel sind für Waldbesitzer und Landwirte nahezu eine perfekte Lösung. Der “Abfall” aus Bruch- oder von Schädlingen betroffenen Bäumen wird Co2-neutral eingesetzt. Die Ausmaße des Kellers sind von außen nicht zu sehen. Anders hingegen der zweite Schuppen auf der großen Freifläche westlich von Haslbergers Privatanwesen. Für Wilhelm Dörder (Freie Wähler) ist das ein No go. “Das ist eine der schönsten Plätze, die Bad Wiessee im Außenbereich zu bieten hat. Es wird doch einen besseren Platz geben. Auch Johannes von Miller von den Grünen schüttelt den Kopf. “In Marienstein ist so ein Lagerplatz abgelehnt worden, jetzt kommt der Bauherr ausgerechnet hier an diesem schönen Platz mit einer Lagerhalle für Hackschnitzel.” Tatsächlich: Auch in der Nachbargemeinde Waakirchen hatte Haslberger vor vier Jahren einfach mal den Rat vor vollendete Tatsachen gestellt und wollte eine Lagerstätte für Holzschnitzel hochziehen. Die Waakirchener sagten “Nein”, und jetzt zieht Haslberger eine Gemeinde weiter. Diesmal fragt er vorher, ob er neben einem bestehenden Schuppen sein Hackschnitzellager mit einer Grundfläche fast 300 Quadratmetern bauen lassen kann.
Eine weitere Versiegelung hoch oben im Bergwald?
Nun ja, soll schon eine Sägemühle gestanden haben. Bis weit ins letzte Jahrhundert hinein wurde hier eine extensive Forstwirtschaft abgewickelt. So unberührt war diese also Wiese nicht. Aber heißt das, dass man sie nun mit großen Schuppen zustellen muss? Andererseits werden diese Hackschnitzel wohl in Haslbergers Feier-Destinationen und sein eigenes Anwesen geliefert. Also kein Öl, kein Gas. Hackschnitzel passt schon eher in den Außenbereich. Nur: Wie große wird der Lieferverkehr von und zu den Almen und Häusern? Wird hier nun nach und nach ein absoluter Außenbereich urbanisiert? Lohnt es sich, die Bürger in diese Fragen einzubeziehen? Ob Bürgerversammlung oder wenigstens Befragungen der Einwohner, das wäre ja ein demokratischer Ansatz, jenseits von Bürgerbegehren: Wie wollt ihr es dort oben haben? Ist das ein nicht verhandelbarer Naturbereich mit wenigen, sehr eng gesteckten Ausnahmen? Oder will die Mehrheit diese Ausgestaltung des Söllbachtals, weil sie davon direkt und indirekt profitiert? Soll ich mich mit dem Gemeinderat dafür einsetzen, diesen viel Hektar Natur auch für die Nachkommen zu schützen? Andere Kommunen wie Kreuth oder Tegernsee sind wesentlich restriktiver, wenn es um Bautätigkeiten im Außenbereich geht. Auch Rottach-Egern setzt schon einmal ein hartes “Nein” gegen Schwimmteiche und moderne Almgestaltung.
Aber an diesem Abend wird klar: Der Gemeinderat hat bei der Schuppenfrage nicht viel mitzuschnabeln. “Die Prüfung der bauplanungsrechtlichen Zulassungskriterien hat hier…das Landratsamt unter Beteiligung des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu erfolgen…”, heißt es von der Wiesseer Verwaltung. Aber schön, dass man an diesem stickigen Abend wenigstens drüber geredet hat. Kaum ist der Punkt abgehakt, erheben sich die Drei von der Betonfamilie und gehen.
Ein Betonbaron – viele Sichtweisen
Man kann zu Haslberger und seinen Aktivitäten viele Meinungen entwickeln. Da ist die eines Machers, einer der sich gegen mühsame Vorschriften und nervige Naturschützer durchsetzt und sein Ding macht. Nicht nur für sich: Der örtliche Tourismus profitiert. Hotels haben mehr Angebote für ihre Gäste. Nicht umsonst versammeln sich in der Saurüsselalm regelmäßig örtliche Gastro-Kollegen. Man kennt sich, man schätzt sich. Da hat Haslberger auch seine größten Unterstützer. Und je attraktiver der Ort ist, desto anziehender wird er für Neubürger. Gute Nachrichten für jene Einheimische, die also direkt und indirekt von Haslbergers Unternehmungen profitieren: Ob Makler, Handwerker oder Verkäufer elterlicher Grundstücke. Eine Eventisierung hat eben nicht nur Nachteile.
Auf der anderen Seite wird aus einer Naturregion eine gigantische Spielwiese, die Restspuren der Ursprünglichkeit vernichtet. Das wird an diesem Abend an einem kleinen Beispiel deutlich: Vor wenigen Wochen stürzte eine Pferdekutsche für Touristen am Eingang des Söllbachtals in ein Bachbett. Konsequenz: Ratsmitglieder fordern Leitplanken zum Bach hin. Der Ausbau des Forstwegs zu einer handelsüblichen Straße also.
Aber: Jene, die immer wieder gegen ihn aufbegehren, wollen Erhalt um jeden Preis. Das ist löblich, hat aber immer wieder auch Ansätze des Starrsinns. Die Naturschützer sehen natürlich auch die Verbindungen: den zunehmenden Verkehr, ob Lieferanten oder LKW. Eine Naturlandschaft, die zwar schon immer wirtschaftlich genutzt wird, wird urbanisiert. Das ruhige Söllbachtal ist eine Utopie. Kein Einzelfall: Das Tegernseer Tal und seine Nebentäler wurden und werden von den Menschen genutzt – zuweilen auch ausgenutzt.
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