Bürgerbegehren zu spät:
Destruktiv, nicht demokratisch

Ein Ehepaar will den Neubau des Rottach-Egener Rathauses stoppen, plant ein Bürgerbegehren. Warum jetzt erst?

Bayern ist Spitzenreiter bei Bürgerbegehren. Knapp 40 Prozent aller Bürger- und Ratsbegehren in Deutschland finden laut eines aktuellen Berichts des Vereins “Mehr Demokratie” im Freistaat statt. In Rottach-Egern will nun das Ehepaar Lore und Gunther Mair gegen den geplanten Rathaus-Neubau mit diesem politischen Werkzeug vorgehen. Zu teuer, zu wenig ökologisch sei das alles, was sich das Gremium und der Bürgermeister Köck ausgedacht haben. Und die Fassade mit dem Kirchturm aus der Nachkriegszeit sei ja auch ortsprägend.

Nun läuft die Planung für den Neubau schon seit Monaten. Es gab öffentliche Ratssitzungen, Bürgerversammlungen. Jeder hatte die Möglichkeit, Pläne einzusehen, mit den Räten direkt zu sprechen, auf sie einzuwirken – kurz, den Weg in einer repräsentativen Demokratie zu gehen. Er oder sie hätte im Januar des Jahres, direkt nach der Bürgerversammlung dagegen aufstehen können. Aber Lore und Gunther Mair blieben still.

Jetzt, kurz bevor die Bagger das alte Rathaus im März abreißen, will das Ehepaar alles stoppen, den einstimmigen! Ratsbeschluss ersetzen. Erst müssen 600 Stimmen gesammelt werden. Damit können sie einen Bürgerentscheid (Monate später) lostreten und gegebenenfalls alles neu planen lassen. Und dann? Dann bewegt sich nichts. Bauaufträge werden storniert, Mitarbeiter wissen nicht, wo und wie sie demnächst arbeiten, werden zu Spielmasse eines sehr späten Bürgerbegehrens. Die Initiatoren dürfen das, das Gesetz sieht so etwas vor.

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Ist es legitim? Wohl kaum. Es wirkt eitel und engstirnig, zu diesem Zeitpunkt eine Kampagne gegen eine transparente, und mühsam geplante Entscheidung des Gemeinderats lostreten zu wollen. Wo waren die Initiatoren in den vergangenen Bürgerversammlungen? Ich habe sie nicht gehört. Keiner von ihnen stand nach meiner Erinnerung auf, nannte seine Ideen. Wann sprachen die Mairs mit Bürgermeister Christian Köck?

Ob die Mairs zugezogen sind, spielt dabei keine Rolle. Denn auch der Bauer Stefan Berghammer aus Rottach-Egern opponierte dagegen, konnte aber gerade einmal weniger als 520 Unterschriften sammeln. Bürgerbegehren klingt immer nach Mitmach-Demokratie. Denen da oben zeigen wir es mal. Nur – auf kommunaler Ebene geht das nicht auf. Hier sind die Info-Wege kurz, die politischen Vertreter immer erreichbar. Das Allermeiste ist transparent. Ein Bürgerbegehren oder gar ein Bürgerentscheid in den nächsten Monaten fällt leicht auf dem “Wenn ich es will, stehen alle Räder still”-Niveau. Das liberale bayerische Gesetz dazu gesteht Bürgern das Recht auf Widerstand noch zu, wenn die Bagger rollen. Es kann die Rottacher Bürgerschaft sehr viel Geld kosten, nämlich dann, wenn bereits angelaufene Planungen verschoben werden müssen. Eine Verhinderungstaktik wird auf den Rücken der Rathausmitarbeiter ausgeführt. Alle! Gemeinderäte werden vorgeführt. Das ist nicht demokratisch, das ist destruktiv.

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