Speed-Eis-Tunken Tegernsee
Nichts wie raus – Eisbaden für Warmduscherinnen

Die politische Weltlage ist eisig und jetzt zerbröselt es auch noch die Ampel. Eisbaden bringt auch nichts, aber es lenkt kurz ab.

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Eisbaden: Für manche ein tägliches Ritual. Für andere der Horror. / Foto: Redaktion

Seit letztem Winter geistern in meinem Kopf Bilder herum: Ich sehe mich dick eingepackt auf einer Bank sitzen, mit einer dampfenden Tasse Tee. Ich schaue völlig relaxed auf den See und alle Problem lösen sich auf. So stelle ich es mir vor. Ist dann aber anders.

Warum tut man sich das an? Gespräche mit Eisnixen haben mir hier nicht weitergeholfen. Ihr Rat “einfach machen” und “Atmen” ist für mich purer Hohn. Ich hasse Kälte und komme nur dank diverser Wärmflaschen durch den Winter. Trotzdem recherchiere ich nach den gesundheitlichen Vorteilen, Gadgets und Tipps dazu.

Das Eisbaden das Immunsystem stärken soll, ist eher umstritten. Es soll Glücksgefühle auslösen und das Herz-Kreislauf in Schwung bringen. Zweiteres kann ich bestätigen, auf den Endorphin-Rausch warte ich noch.

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Dippen ist das neue Eisbaden

Die Eis-Profis gehen frühmorgens um sieben an den See. Lässig steigen sie aus dem Bademantel in den See und dann – als wäre nichts dabei – schwimmen sie. Sie bleiben zehn Minuten oder länger im Wasser. Unterhalten sich angeregt. Ich bin raus. Erstmal muss der Anspruch runter, Füße reichen. Und machen muss ich es auch nicht. Das beruhigt mich.

Dann packt mit der Ehrgeiz. Den stachelt eine Freundin an. Die hat plötzlich an der Bushaltestelle ein Badetuch unter dem Arm. Es ist halb acht. Der Himmel ist bewölkt. Auch der Tegernsee hat es sich an diesem Tag unter einer Nebel-Decke gemütlich gemacht. Ich friere. Als die Kinder im Bus sitzen, verabschiedet sie sich unverfroren mit: “Ich dippe jetzt in den See”.

Speed-Eis-Tunken am Tegernsee

Weil ich beim Verb “dippen” erstmal an Essen denke, löst das etwas Positives aus. Gleichzeitig schwappt eine FOMO (Fear of Missing Out – Menschen, die Angst haben etwas zu verpassen / Anmerkung der Redaktion)- Welle über mich. Zwei Wochen später höre ich den Rat; wer resilient sein will, muss neues ausprobieren: Bloß nicht immer das Gleiche machen, so der Tenor.

Und schwups tragen mich meine Beine – vor der zackigen Kulisse des Wilden Kaisers – in einen Badeweiher. Draußen knallt die Sonne. Es ist trotzdem hart. Als ich bis zur Hüfte im eisige Wasser stehe, bekomme ich Schnappatmung und muss mich zwingen weiterzugehen. Der Schmerz bleibt. Ich paddele einen hilflosen Schwimmzug und sprinte aus dem Wasser Richtung Bademantel und Sonnenschein.

Rasch wieder raus

Eher schleichend stellen sich danach Zufriedenheit und Klarheit ein. So tunke ich mich jetzt ab und an bis zum Hals in den Tegernsee. Nicht oft und nicht lange. Es ist eher Speed-Eis-Tunken: schnell hinein, noch schneller hinaus. Ich trage jetzt schon Neopren-Socken, eine Wollmütze und habe eine überdimensionierte Badetasche mit Skiwäsche, mehreren Wollsocken, Isolationsjacken und eine Thermoskanne dabei. Aber ich werde mir ein Beispiel an den Eisbade-Königinnen nehmen und mich zukünftig mit Bademantel ins warme Auto retten und darin zurück ins Büro schreiten.

P.S. Ich saß noch nie danach auf der Bank und hab den See auf mich wirken lassen. Mir ist einfach zu kalt.

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