Aus dem Gemeinderat Rottach-Egern:
Extra-Wurst für das Gertraud-Gruber-Seminarhaus? Fehlanzeige!

Damit war nicht zu rechnen. Gestern Abend sollte es ganz entspannt im Rottach-Egerner Gemeinderat um die Fortsetzung des Gertraud-Gruber-Bauprojekts gehen. Ein neuer Bebauungsplan stand im Raum. Daraus wurde nichts.

Hitzige Diskussionen um das Gruber-Bauprojekt. / Foto: Redaktion

Vielleicht lag es an der neuen Örtlichkeit. Der Gemeinderat in Rottach-Egern tagte erstmals in der Aula der Mittelschule. Grund: Der Rathaus-Neubau.

Bürgermeister Christian Köck hat damit das Publikum im Nacken. Dicht gedrängt sitzen die Zuschauerinnen und Zuschauer hinter dem Bürgermeister, seinem Stellvertreter, Josef Lang, sowie den Vertretern der Verwaltung. Unter den Interessierten sind auch die Kontrahenten im Streit um den Neubau im Reiffenstuelweg: Der Anwalt der Getraud Gruber Stiftung, Benno Ziegler, macht sich eifrig Notizen. Zwei Sitze weiter der klagende Nachbar, Hermann Elmering, und ein mit ihm befreundeter Gastronom aus Tegernsee.

Seminargebäude im Wohngebiet?

Worum geht es? Auf der einen Seite eine Stiftung, die in einem Wohngebiet ein Seminargebäude baute. Der Bau ist fast fertig, wird aber nicht fertiggestellt. Der Grund: Elmering klagte. Für ihn ist die Gegend ein reines Wohngebiet. Der aktuelle Bebauungsplan ließe so ein Projekt nicht zu. Ein langjähriger Rechtsstreit folgte. Am Ende der vorläufigen Eskalation stand der Plan der Stiftung, im Neubau Geflüchtete unterzubringen. Der Aufschrei bei Nachbarn und Verwaltung war gewaltig.

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Bürgermeister Christian Köck versucht, die Wogen zu glätten. Zum einen ist er daran interessiert, das Schönheitsunternehmen am Ort zu behalten. Gern und oft wird aus den Gruber-Kreisen darauf hingewiesen, wie viele Spenden das Unternehmen örtlichen Vereinen und Einrichtungen zugutekommen lasse. Zum anderen ist eine schöne Steuereinnahmen-Quelle. Da braucht es keine Konfrontation. Schließlich steht noch ein Urteil beim Verwaltungsgerichtshof (VGH) aus.

Der Urteilsfindung würde es aus Sicht der Stiftung helfen, wenn die Gemeinde eine Änderung des Bebauungsplans einrichtet. Denn derzeit sagt der aktuelle Plan: Das ist hier ein allgemeines Wohngebiet. Eine Änderung würde die Durchmischung, also Beherbergung, Gewerbe und Wohnen, möglich machen. Deswegen ein neuer Antrag, der am Dienstagabend im Gemeinderat diskutiert werden sollte: Die Gruber-Stiftung beantragt “die Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans” für das Seminarhaus. Oder: Die Schönheitsfarm will von der Gemeinde eine Extra-Wurst. Denn damit hätte die Gemeinde zumindest aus Sicht der Stiftung ein Argument gegen das Seminarhaus im Prozess am VGH abgeräumt.

Baurecht

Die Sache ist heikel. Köck will eine weitere Eskalation verhindern, aber eben auch nicht als einseitig dastehen und wirken, als behandele er zahlungskräftige Klientel im Ort gleicher als andere. Schließlich ist der Bürgermeister in den vergangenen Jahren immer wieder lautstark über jene, die sich über Baurecht hinweggesetzt hatten, rhetorisch hergefallen. Das mussten auch Mitglieder im Gemeinderat und Parteifreunde bei eigenen Bauvorhaben bitter erleben. Aber bei der Stiftungsaffäre hatte Köck nun vor, den Bebauungsplan, obwohl schon gebaut worden war, zu ändern. Das kam nicht gut im Gremium an.

Mehr Kompromissbereitschaft

Es reichen zwei Wortmeldungen, um das Vorhaben der Verwaltung scheitern zu lassen: Georg Höß von den FW wird deutlich: “Mit dieser Änderung greife ich in einen Rechtsstreit ein. Will ich das? Stimmen wir hier zu, könnte uns das als Gefälligkeitsplanung ausgelegt werden.” Die ganze Sache sei verfahren. Höß fordert deutlich mehr Kompromissbereitschaft, schlug den Kontrahenten, die mit versteinerten Mienen im Publikum saßen, vor, einen Wirtschaftsmediator zu konsultieren. Der könne vielleicht helfen. Er werde dem Antrag nicht zustimmen.

Sofort reagiert Christian Köck. Der Verwaltungschef ahnt, dass das hier aus dem Ruder läuft. “Wir finden die Änderungen verträglich. Und, das sei auch gesagt: Wenn wir dem Antrag nicht zustimmen, könnte uns das auch falsch ausgelegt werden, nämlich für die anderen Seite”, erklärt er. Aber so richtig zündet sein Hinweis nicht. Selbst als sein Stellvertreter Josef Lang den Bürgermeister mit einer Wortmeldung unterstützt, Kopfschütteln im Gremium.

Tomaschek findet die Kommunikation “unterirdisch”

Thomas Tomaschek von den Grünen versucht es diplomatisch: “Ich finde die ganze Kommunikation der beiden Parteien einfach unterirdisch. Zudem habe ich das Gefühl, dass, egal wie ich abstimme, einen Fehler mache. Für mich gilt: Erst sollen die Gerichte entscheiden, bevor ich hier etwas zustimme.”

Zwölf Stimmen

Und dann wird abgestimmt. Mit sieben zu zwölf Stimmen wird der Antrag der Stiftung abgelehnt. Nicht einmal die eigene CSU-Fraktion steht an diesem Abend hinter dem Bürgermeister.

Kaum hat das Gremium entschieden, verlassen die Gruber-Anwälte den Saal. Man hat wohl für den Abend zu viel und nicht mit der Widerborstigkeit des örtlichen Gremiums gerechnet. Für Christian Köck und seiner Verwaltung mag das auf den ersten Blick eine Niederlage sein. Die Zuschauer vor der Tür sind uneinig, ob das Ganze inszeniert wurde. Um einerseits Wohlwollen gegenüber dem Unternehmen Gertraud Gruber zu zeigen? Andererseits nichts gegen ein demokratisches Gremium zu wettern? Gewöhnlich können Gemeinderatssitzungen fad sein. Dieser Abend hatte einen hohen Unterhaltungsfaktor.

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