Hartl greift mit Polizei durch

Zwei Zettel liegen auf der Theke eines kleinen Lotto Toto Ladens in Waakirchen. So als könnten sie niemandem etwas zuleide tun. Ein Irrglaube. Waakirchens Bürgermeister Sepp Hartl verärgerten die Papierblätter so sehr, dass er die Polizei vorbeischickte.

In diesem Toto Lotto Laden in Waakirchen schaute die Polizei auf Anweisung von Bürgermeister Sepp Hartl “nach dem Rechten” / Foto: N. Kleim

Die Bürger seien mit der Art der Politik, wie sie in ihrer Gemeinde stattfinde, nicht mehr zufrieden, so heißt es auf den Zetteln, die in dem kleinen Lotto Toto Laden bei Annelies Wagner (92) in Schaftlach ausliegen. Die Waakirchner Bürger werden deshalb von den Verfassern aufgefordert, mit ihrer Unterschrift dazu beizutragen, dass die Gemeinde ihre umstrittenen (Tausch-)Geschäfte offenlegt.

In erster Linie gehe es dabei um den Grundstücks-Deal zwischen der Gemeinde und Gemeinderat Andreas Hagleiter sowie Franz Öttl, so heißt es auf den Zetteln. Offenlegung und Mitspracherecht fordert man auch beim geplanten Dorfzentrum. Denn die Fläche, die im Ortskern verbaut werden soll, befinde sich im Gemeindeeigentum und sei damit gleichzeitig Eigentum der Bürger, so die Begründung.

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Waakirchner halten Tauschgeschäft weiterhin für fraglich

Man wolle wissen, was passiert und wofür die Gemeinde das Geld ausgibt. Am 14. August dieses Jahres hatte der Bürgermeister dieses Versprechen einzulösen versucht, indem er den Grundstücksdeal mit Hagleitner in einer Gemeinderatssitzung offenlegte (wir berichteten). Dabei sei er bei den Verhandlungen gar nicht dabei gewesen, so Hartl.

Mit involviert war dagegen Rechtsanwalt Stefan Detig, früher Bürgermeister von Pullach. Seit mehr als zwei Jahren berät Detig mit seiner Kanzlei unter anderem in diesem Fall die Verwaltung. Der Anwalt stellte bei der Sitzung zunächst die Hintergründe des Grundstückstauschs dar und verlas dann die Stellungnahme des Landratsamts, inklusive der Quadratmeter- und Wertangaben. So viel Offenheit war dem Bürgermeister dann allerdings doch nicht recht. Hartl wollte, wie berichtet, die Veröffentlichung der Infos im Nachgang unterbinden.

Bürger fordern volle Transparenz

So oder so: Am 5. November ist eine Bürgerversammlung anberaumt, bei der sich die Waakirchner einbringen und mitreden können. „Das Dorf wird immer kleiner. Wir haben bald keine grünen Flächen mehr“, sorgt sich auch die Ladenbetreiberin Annelies Wagner.

Warum also die Unterschriftenaktion? Und warum regt sich der Bürgermeister so sehr darüber auf, dass er dem kleinen Lotto Toto Laden sogar die Polizei vorbeischickt, um die Zettel überprüfen und entfernen zu lassen? Die Bürger, so ein Insider, hätten ihr Vertrauen verloren und wollen “sich nicht für dumm verkaufen lassen”. Man wolle Klarheit bis ins Detail.

Diese Unterschriftenliste liegt im kleinen Toto Lotto Laden in Waakirchen aus / Foto: N. Kleim

Doch was sagt der Bürgermeister, der künftig im Bezirksrat sitzt? Sepp Hartl erklärt auf Nachfrage: „Ich war in Österreich, als mich ein namhafter Schaftlacher Bürger anrief, und mir von den Zetteln erzählte. Wieder ging es um „Amigo-Hartl“, wieder um das Gewerbegebiet. Ich will aber nicht den Kopf für etwas hinhalten, für das ich nicht die Verantwortung trage.“

Aus diesem Grund habe er den Chef der Polizeiinspektion Bad Wiessee gebeten, die Zettel anschauen zu lassen. Wären diese rechtlich nicht in Ordnung gewesen, so Hartl, hätte er eine Anzeige gegen Unbekannt auf den Weg gebracht. Da sich aber letztendlich herausgestellt habe, dass es sich lediglich um eine „Art Bürgerbegehren“ handele, gegen das rechtlich nichts einzuwenden sei, habe er davon Abstand genommen.

Ich habe keine Angst, wenn ich in die Pfanne gehauen werde, aber es stinkt mir, wenn es für etwas ist, das nicht auf meinen Mist gewachsen ist.

Er sei kein Patriarch, sondern ein Teamplayer, betont Hartl. Den Vorwurf, die Gemeinde haue das Geld raus, könne er nicht nachvollziehen. Noch nie sei es Waakirchen in den letzten drei Jahren so gut gegangen. Man schaffe die Möglichkeit eines Gewerbegebiets und einer Dorfmitte. Er selbst sei „ein Bürgermeister für alle. Für alte und junge Menschen und sozialschwache.“

Annelies Wagner habe er nicht die Polizei „auf den Hals gehetzt“, betont Hartl. Er kenne Annelies seit 51 Jahren und habe sie im Vorfeld telefonisch über den Besuch der Polizei in Kenntnis gesetzt. Die alte Dame sieht’s sportlich: „Warum soll ich die Zettel weg tun? Wir leben doch in einer Demokratie.“

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