In jedem Haus eine Pumpe

Noch immer sind in den Katastrophengebieten die Menschen verzweifelt. Das Chaos ist nur mit größten Anstrengungen zu bewältigen. Eine Rückkehr zur Normalität wird viel Kraft kosten, Millionen Euro verschlingen und noch lange dauern. Was machen diese Bilder mit politisch Verantwortlichen hier im Tal?

Bürgermeister Christian Köck über Hochwasser am Tegernsee

Wie erlebt ein Tal-Bürgermeister solch mahnende Bilder? Wir haben Christian Köck, Bürgermeister von Rottach-Egern gefragt. Er weiß um Flut- und Regengefahren. Die Gemeinde im Süden hatte vor acht Jahren massiv unter dem Hochwasser leiden müssen.

Als Sie die Katastrophenbilder aus dem Westen sahen – Was ging Ihnen angesichts der Situation (Rottach/Weissach, Hänge etc.) in Rottach-Egern durch den Kopf?

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Christian Köck: Selbstredend haben mich die Unwetterereignisse und die daraus entstandenen Schäden sowie die Menschen, die dabei ums Leben gekommen sind, sehr betroffen gemacht. Leider wurden davon nicht nur NRW und Rheinland-Pfalz, sondern auch Teile Bayerns (BGL) und Landkreisgemeinden in Mitleidenschaft gezogen. Hoffentlich wird allen Betroffenen schnelle und vor allem unbürokratische Hilfe zuteil.

Rottach-Egern ist auf jeder Geo-Risikenkartierung als Gemeinde mit Hangrutschungsgefahren bei Starkregen und Überflutungen in Flußnähe verzeichnet. Die typische Reaktion einiger Bürgermeister im Tal ist ja: „Hatten wir immer, nichts Neues.” Das allerdings dürften ihre Kollegen in Ahrweiler und anderen betroffenen Gemeinden auch so gesagt haben – vor dem Regen. Vor allem die Alarmabläufe, die Koordination während und nach den Regenfluten waren dort ja fatal. Was tun Sie als Bürgermeister jetzt nach diesen Ereignissen? (Stichwort Alarmierung der Bürger, Evakuierung etc.)

Christian Köck: Wir Bürgermeister stehen in engem Kontakt zum Katastrophenschutz im Landkreis Miesbach, welcher anhand von Wetterdaten Langzeitbeobachtungen durchführt und Strategien für Whorst-Case-Szenarien entwickelt. Diese Abteilung am LRA MB ist zugleich für die Alarmierung der Bevölkerung sowie sämtlicher benötigter Einsatzkräfte (Feuerwehr, THW etc.) zuständig.

Wir haben zusätzlich regelmäßig ein Auge auf die Wetterprognosen, überprüfen neuralgische Schwachstellen turnusmäßig, spülen Gullis in Ortsstraßen, machen Durchlässe auf Wanderwegen frei und kontrollieren Gewässer III. Ordnung (meistens kleinere Bäche), die im Zuständigkeitsbereich der Gemeinde liegen. Um die größeren Flüsse II. Ordnung (Weißach, Rottach) und deren Unterhalt kümmert sich das WWA Rosenheim im Auftrag des Freistaats Bayern. Gleiches gilt für den Tegernsee (Gewässer I. Ordnung).

Eine typische Reaktion vieler Politiker und Amtchefs war nach der Katastrophe, die Verantwortung immer auf andere Stellen und Personen zu schieben. Inwieweit haben Sie als Bürgermeister in ruhigen Zeiten die Verantwortung, einen nachhaltigen Schutz für die eigenen Bürger und ihr Hab und Gut aufzustellen?

Christian Köck: Unmittelbar nach den Hochwasserschäden im Jahr 2013 habe ich nach Amtsantritt (Mai 2014) versucht zuständige Behörden und Entscheidungsträger auf Gefahren und Schwachpunkte hinzuweisen und diese stärker dafür zu sensibilisieren. Teils mit Erfolg, siehe Hochwasserschutz an der Rottach, der mittlerweile vollständig ertüchtigt wurde und sich kürzlich Gott sei Dank auch bewährt hat.

Teils aber leider auch ohne Erfolg, wenn man die fortwährende Bautätigkeit in der jüngsten Vergangenheit gerade in Seenähe betrachtet.
Leider spielen hierbei für Entscheidungen der übergeordneten Behörden unsere Ortskenntnisse und Warnungen nur eine geringfügige Rolle. Wir werden meist belehrt, dass wir als Gemeinde lediglich über das Bauvorhaben an sich laut örtlicher Gestaltungssatzung und Einfügungsgebot zu entscheiden haben. Den Rest prüfen die Fachbehörden und beurteilen die technische Machbarkeit. Jede Fläche, die dort versiegelt wird, egal ob ober- oder unterirdisch (z.B. TG) steht faktisch künftig nicht mehr als Retentionsraum (zur Wasserhaltung) zur Verfügung.

Diese Haltung finde ich, aufgrund der schmerzlich gemachten Erfahrungen in 2013, absolut unverständlich und ignorant.

Hätte man vor Jahrzehnten Kenntnis über eine derartige Entwicklung gehabt, so muss man leider feststellen, dass schon damals entsprechende Bauleitplanungen unabdingbar gewesen wären. Heute betreiben wir Schadensbegrenzung, indem wir für Ortsgebiete, in denen noch die Möglichkeit dazu besteht, Bebauungspläne aufstellen, um Schlimmeres zu verhindern. Seit meiner Zuständigkeit waren dies in den letzten sieben Jahren ca. 15 neue Bebauungspläne für die Gemeinde Rottach-Egern.

Nach den Erfahrungen im Westen zeigt sich, dass viele Bürger bei Gefahr nicht automatisch wissen, was sie tun oder nicht müssen. Uns
erreichen immer noch massiv Zuschriften von Bürgern, die sich von der Politik nicht genug informiert fühlen. Werden Sie im Rahmen einer Bürgerversammlung ihren Bürgern zusammen mit Experten die Risiken noch einmal erklären, Verhaltensempfehlungen geben?

Christian Köck: Eine Bürgerversammlung halte ich zugegebenermaßen für kein probates Mittel. Viele Betroffene in Seenähe sind mitunter Zweitwohnungsbesitzer, die nicht regelmäßig vor Ort sind. Ob diese Leute dann alle erscheinen würden/könnten ist fraglich.

Ich setze primär auf Eigenverantwortung. Viele waren 2013 überfordert, weil sie elementar wichtige Hilfsmittel nicht vorhielten.
Zu einem Haus am See gehört zwingend eine Tauchpumpe sowie ein Notstromaggregat. Natürlich teilt einem das der Makler nicht mit, wenn er mit einem schön gestalteten Expose mit idyllischen Fotos ein Grundstück anpreist und zu Höchstpreisen verkauft… Zudem beschweren sich zahlreiche Bürger oft über zu starke Bevormundung durch die Behörden und deren Regularien.

Tritt dann ein Schaden auf, ist das Gejammer groß und man versucht dadurch auch mitunter von eigenen Versäumnissen (z.B. mangelnder Versicherungsschutz etc.) abzulenken. Eigenverantwortung für das eigene Hab und Gut ist deshalb sehr, sehr wichtig.

Wie werden sich die neuen Erkenntnisse aus dem Hochwasser auf ihre städteplanerischen Entscheidungen auswirken?

Christian Köck: Wir werden demnach auch weiterhin, dort wo es noch Sinn macht und möglich ist, bauleitplanerisch unser Bestes geben, um einer nachteiligen Entwicklung entgegenzuwirken. Leider fördert das aktuell novellierte bayerische Baurecht geradezu die Innenraumverdichtung, was mit Sicherheit bei künftigen Starkregen- und Unwelterereignissen zu verstärkten Problemen führen wird. Je dichter die Bebauung, je weniger Versickerungsmöglichkeiten und Retentionsräume bleiben, desto gravierender wird sich das Ganze im „Fall X” auswirken.

Aber Klima-Bedingungen haben sich geändert. Dadurch entstehen andere Wetterbedingungen. Starkregen-Risiken entstehen meist im Außenbereich. Sollten Sie als Bürgermeister, ob baurechtlich legal oder nicht, zukünftig nicht noch stärker opponieren? Wie steht es um Ihre Pflicht, Risiken für die Allgemeinheit zu minimieren?

Christian Köck: Die Ortsplanung der vergangenen Jahrzehnte als auch die künftige Ortsentwicklung sind für uns maßgeblich. Hier wurden die Außenbereiche stets berücksichtigt. Daran wird sich auch in absehbarer Zeit nichts ändern. Wir versiegeln keine neuen Flächen, um beispielsweise dort Gewerbegebiete anzusiedeln. Wäre auch kompletter Unsinn. Meist werden diese Flächen landwirtschaftlich genutzt. Wir können den Bauern schlecht ihre Existenzgrundlage zur Futtergewinnung und Beweidung nehmen. Ohne Landwirtschaft würde es im Tal auch keinen Tourismus geben. Gemeinsam mit den zuständigen Behörden, ist es auch weiterhin unser Bestreben, die Risiken bestmöglich zu minimieren und durch geeignete und vorausschauende Maßnahmen und Entscheidungen zu reduzieren.

 

Vielen Dank für das Gespräch.

Lest auch den Kommentar von Martin Calsow.

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