KEIN Parkraum als Schutz vor Münchnern?

Ende 2025 ist Schluss mit dem Parken im Zentrum. Der Pachtvertrag für den Zentralparkplatz läuft aus. 120 Autos suchen dann ein neues Zuhause. Das besorgt den Stadtrat, vor allem die dortige Freie Wähler Fraktion. Sie wollen Gas geben beim Bauen, stoßen aber auf emotionalen Widerstand. Gestern ging es im Stadtrat zuweilen heiß her.

Für die Erweiterung der Tiefgarage Richtung Kurgarten müssen die Linden weg.

“Wir müssen jetzt handeln”, fordert FW-Chef Michael Bourjau, “wenn wir in vier Jahren nicht ohne Parkplätze im Zentrum dastehen wollen.” Bäume im Kurgarten weg. Viele Meter tief in die Erde graben, vorhandene Tiefgarage der Kreissparkasse abkaufen. Das Horn-Gelände mit Wohnungen bebauen. So lassen sich die Wünsche der Freien Wähler zusammenfassen, die gestern in zwei Anträgen im Stadtrat zur Diskussion kamen.

Letztlich sollte an einen Beschluss, der bereits 2018 vollzogen wurde, nur, so Bourjau, “erinnert werden”. Sie wollten mit zwei Anträgen den Startschuss zur Schaffung von Tiefgaragenplätzen geben, und forderten im zweiten Antrag eine “Entwicklung des Horngeländes als Wohnhaus plus Integration und Entwicklung des Kaltererplatzes als kleines Ortszentrum”.

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Den Grünen ging das alles zu schnell. Sie wollten die Anträge der FW nicht vor einer Klausur besprechen. Ursula Janssen von den Grünen zeigte sich ungewohnt streitlustig. Bürgermeister Hans Hagn hätte im letzten Jahr versprochen, dass der Gesamtkomplex Parken und Verkehr erst in einer Stadtrat-Klausur diskutiert werden solle. “Das ist der Tiefpunkt unserer bisherigen Zusammenarbeit”, schäumte die Rätin und Ehefrau des Ex-Bürgermeisters Janssen.

Hagn, der zu Beginn einer Klausur eher skeptisch gegenüberstand, wechselte im Laufe der Diskussion hierzu seine Meinung und fand zum Ende der Diskussion hin, dass ein Zusammentreffen “sicher zwingend” sei. Die Grünen, aber auch Thomas Mandl von der SPD, wollten, bevor man Beschlüsse hektisch umsetzt, eine “breite Bürgerbeteiligung”. Andere, wie Markus Schertler (CSU), erinnerten daran, dass eine weitere Verzögerung des Baubeginns für eine Tiefgarage “nur mehr Kosten verursache – jedes Jahr. Das geht dann wie beim Feuerwehrhaus. Wir diskutieren, und derweil steigen die Preise, Jahr für Jahr um 10 Prozent. Das kann es nicht sein.”

Keine Parkplätze sind auch keine Lösung …

Überhaupt, fand er, gebe es auch für Ratsmitglieder eine Holschuld für Informationen. “Da gehe ich ins Rathaus, frage die Verwaltung. Da werde ich umfänglich informiert. Auch meine Fraktion beantwortet mir Fragen.” Der FW-Rat Andreas Obermüller, mit seiner Apotheke auch direkter Nutznießer einer Tiefgarage, malte das schiefe Bild von Parkplätzen, “die einen Schutz vor dem Ansturm der Münchner” bieten. “Die kommen so oder so, parken, wenn wir nichts anbieten, unsere Einfahrten und Straßen zu. Das hat man schon bei den Seefesten gesehen.”

Ob nun eine erweiterte Tiefgarage diesen Ansturm aufhalten kann, wurde nicht weiter vertieft. Warum aber kommt es jetzt zu dieser hitzigen Diskussion in der Hang-Gemeinde am Ostufer? Hans Hagn, in Sachen Parkraum (auch für Promis) nicht immer konsistent in der Argumentation, hatte über Jahre für die These mehr Parkraum im Zentrum, garantiert Einzelhändler auf seiner Seite. Auch seine These “Autos gehören unter die Erde” fanden viele dufte.

Nun hat sich aber in Deutschland, und selbst im Tal, die Sicht auf Verkehr auch bei einigen Konservativen geändert. Die Autos sind größer geworden, der Ansturm aus der Stadt gigantisch. Einwohner von Tegernsee klagen lauter und heftiger über die Belastung der Blechlawine aus dem Norden. Wenn dann noch für eine Handvoll freie Parkplätze gesunde Bäume im Kurgarten fallen, kann schon mal die Volksseele kochen.

Parkraum vor Wohnraum?

Prompt gründete sich vor wenigen Wochen eine kleine Bürgerinitiative, die gegen mehr Parkraum und gegen das Fällen demonstrierte. Pikant: Eine der Initiatoren ist die Tochter des SPD-Rats Thomas Mandl, der sich in der Diskussion gestern dann eben auch für mehr Diskussion mit “allen Bürgern” einsetzte. Der Rat steht nun zwischen Skylla und Charybdis, wie man in Kreuth-Glashütte so sagt.

Gräbt man für vom Baubüro Wagenpfeil geschätzte sechs Millionen Euro Parkraum in den Tegernseer Boden, um wenigstens einen Status Quo, wenn nicht gar eine Handvoll mehr Parkplätze für potenzielle Kunden der Rosenstraße oder Obermüllers Apotheke zu bekommen? Oder lässt es auf Stau, Dreck und Emission ankommen, die bei der verzweifelten Parkplatzsuche der Fremden aufkommt?

Was wird aus dem Horn-Areal?

Immer wieder pochten gestern die Gegner der Tiefgarage auf eine Klausur, erst dort wolle man umfänglich “über alles reden”. Das stieß eben besonders altgedienten Räten auf, die diese Diskussion schon vor Jahren führten. Pikant war noch ein kleiner, aber nicht unwesentlicher Punkt. Ursula Janssen wandte sich explizit gegen eine Bebauung des Horn-Areals gegenüber des Guggemoss. Das sei ja zu sehr an der Straße, keinem wirklich zuzumuten. Hier könne ja eher Parkraum entstehen.

Für einen Augenblick meinte man in die Denkweise der Grünen sehen zu können. Denn wenn etwas in Tegernsee wirklich gesucht wird, dann ist es Wohnraum. Und sehr vielen Menschen wäre es auch egal, ob sie dem Verkehr der Bundesstraße ausgesetzt wären, so sie denn ein bezahlbares Dach über dem Kopf haben. Das Problem muss bald gelöst werden, da waren sich am Ende alle Räte einig. Auf Hagn und seine Verwaltung kommen eine hitzige Klausur zu, “die wohl mehr als einen Tag beanspruchen wird”, wie er erklärte.

Demokratie kann eben auch manchmal ein “Ewig grüßt das Murmeltier”-Gefühl erzeugen. Erschöpft nahmen die Räte den ersten Antrag der FW-Fraktion an.

Schaffung von Tiefgaragenplätzen für den Wegfall des Zentralparkplatzes bis Ende 2025. (Kauf der Tiefgarage von der Sparkasse vorbereiten und Erweiterungsplanung fortsetzen.)

Ihren zweiten Antrag nahmen sie zurück.

Entwicklung des Horngeländes als Wohnhaus und Integration und Entwicklung des Kaltererplatzes als kleines Ortszentrum.

Man wolle das alles erst einmal in der Klausur besprechen, ein Kompromiss, mit dem letztlich beide Seiten leben konnten. Ironischerweise kam als nächster Tagesordnungspunkt das Thema “Starkregen und Rutschungsmanagement”. Da spielt das Versiegeln von Böden in Risikogebieten eine wichtige Rolle. Im Ahrtal weiß man das schon…

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