Leben retten ohne Baywatch-Kitsch

Das Wetter lädt derzeit nicht zum Baden im See ein. Trotzdem sind die Mitglieder der DLRG allgegenwärtig im Landkreis. Sei es im Testzentrum in Miesbach, beim Abschleppen eines Katamarans auf dem Tegernsee oder bei der gestrigen Suchaktion nach einem vermeintlich vermissten Kind. Wir wollen mehr über die freiwilligen Wasseretter aus Tegernsee erfahren!

Zu Besuch bei Bastian Schulte, Florian Mengele und Marinus Peterhansl bei der DLRG Tegernsee (v.li.).

Mit rund 1.600.000 Mitgliedern und Förderern ist die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft e.V. (DLRG) die größte Wasserrettungsorganisation der Welt. Gegründet im Jahr 1913 hat sie es sich zur Aufgabe gemacht, Menschen vor dem Ertrinken zu bewahren. Die Gesellschaft ist bundesweit führend in der Ausbildung von Schwimmern- und Rettungsschwimmern.

Die organisierten Mitlieder erbringen zusammen über 10,2 Millionen Stunden ehrenamtlicher Arbeit. Und das nicht nur in den Kerngebieten der Schwimm- und Rettungsausbildung sowie dem Wasserrettungsdienst. Sondern wie man im Miesbacher Testzentrum derzeit sieht, leisten sie aktuell auch einen wichtigen Beitrag, um die Herausforderungen der Pandemie zu meistern. Wir sind neugierig geworden und haben die Tegernseer Ortsgruppe der DLRG besucht.

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Strandfeeling mit ernstem Hintergrund

Am Mittwochnachmittag waren wir, meine Kollegin Lenka und ich, zu Gast im “Vereinsheim“ der DLRG Ortsgruppe Tegernsee. Die große Holzhütte steht in traumhafter Lage – natürlich direkt am Seeufer. Breite Stufen führen ins Wasser. Wahrlich kein schlechter Platz für einen relaxten Sommertag im Tegernseer Tal. Doch schnell wurden unsere aufkeimenden Sommer-Fun-Baywatch Fantasien der DLRG Rettungsschwimmer durch den Pressesprecher des Ortsverbandes Bastian Schulte ins rechte Licht gerückt:

Wer hier Typen wie Pamela Anderson oder David Hasselhoff erwartet oder wildes, cooles Leben wie bei Baywatch sucht, wird wohl enttäuscht werden.

Gedanklich wieder zurückgekehrt an das windige, kalte bayerische Seeufer stellt Schulte aber umgehend klar: „Auch wir Tegernseer Rettungsschwimmer können uns durchaus sehen lassen. So durchtrainiert wie die beiden Serienhelden sind unsere Leute allemal“, sagt Schulte lachend.

Sicherheit steht über allem

Auch wenn Schulte, Florian Mengele und Marinus Peterhansl dick in ihren gelb abgesetzten roten DLRG Anzügen verpackt sind, glauben wir ihm sofort. Bei ihren Einsätzen tragen die Rettungsschwimmer keine stylischen Badeklamotten. Ihre Einsatzausrüstung besteht aus einem Ganzkörper-Neoprenanzug, einem Helm, einer Strömungsweste und Wasserschuhen.

Ohne die Ausrüstung, wie beispielsweise Neoprenanzüge, geht nichts.

“Im kalten See unterkühlt man einfach zu schnell ohne die richtige Ausrüstung. Die Schuhe tragen wir zum Schutz vor den Steinen und dem Müll im Uferbereich. Der Helm ist zum Schutz, wenn wir ein anderes Boot besteigen müssen. Da kann es schon mal zu Stürzen kommen und da muss der Kopf geschützt sein. Sicherheit ist einfach wichtiger als gutes Aussehen“, erklärt uns Schulte die umfangreiche Ausstattung.

Impfangebot an alle aktiven Rettungsschwimmer

„Und wie sieht es mit dem Schutz der Retter vor Corona aus“, will ich wissen, „eine Maske könnt ihr im Wasser wohl kaum tragen?” Schulte berichtet: „Wir haben allen aktiven Mitgliedern ein Impfangebot unterbreitet“. Fast alle wären inzwischen geimpft. Das sei möglich und nötig gewesen, da die DLRG Tegernsee zusammen mit den Kameraden aus Gmund das Miesbacher Testzentrum betreiben. Und auf das Vereinsgelände käme man nur mit einem negativen Test.

Während sich Lenka filmend und fotografierend von Medizinstudent Florian Mengele und Marinus Peterhansl, Rettungsfahrer im Krankenhaus Agatharied, das Rettungsboot, die Hütte und die Ausrüstung für Ihre Social-Media Stories zeigen und erklären lässt, unterhalte ich mich weiter mit Pressesprecher Schulte.

DLRG Mitgliedschaft als Familientradition

Zuerst bietet er mir das Du an, weil das in einem Verein so üblich sei. Anschließend berichtet er über das aktive Vereinsleben der 1963 in Tegernsee gegründeten DLRG Ortsgruppe, die zurzeit 420 Mitglieder zählt. Männer wie Frauen. Und eben die den Verein so wichtigen jungen Leute.

Wir sind wirklich hier alle eine große Familie und haben zum Glück aktuell keine Nachwuchsprobleme. Darauf sind wir echt stolz.

Schulte, der vor langer Zeit von Dortmund nach Bayern auswanderte, erzählt mir noch, dass er schon in der dritten Generation bei der DLRG sei. Mit seinem Sohn, der natürlich auch als Rettungsschwimmer dabei ist, sei auch die vierte Generation schon im Verein engagiert dabei.

Während der Pandemie sei das äußerst agile, enge und familiäre Vereinsleben zwar stark eingeschränkt, meint Schulte, aber alle machen das Beste draus. Der Nachwuchs trainiere zum Beispiel gerade gemeinsam in einer Onlinegruppe und zeigt mir auf dem Mobiltelefon die Live-Bilder. Gemeinsam feiern könne man, wenn die Pandemie im Griff sei, noch genug.

Schwimmausbildung für die Kleinsten findet nicht statt

Eine wirkliche Herausforderung sei es jedoch in der Pandemie, den für die aktiven Mitglieder so wichtigen Trainingsbetrieb im Schwimmbad aufrecht zu erhalten. Das gemeinsame Training und auch Fortbildungen seien für alle Aktiven sehr wichtig. Zurzeit sei dies aber nur einmal wöchentlich in Holzkirchen möglich.

Noch dramatischer sei es, dass schon im zweiten Jahr hintereinander der Erst-Schwimmunterricht für die Kleinsten ausfalle. „Wir müssen wirklich aufpassen, dass wir auch diesen Jahrgängen eine gute Schwimmausbildung ermöglichen“, betont Schulte. Immerhin wohne man am See und da sollten alle Mitbürger schwimmen können. Doch auch bei diesem Problem ist inzwischen eine Lösung mit dem Monte Mare in Schliersee in Sicht.

Im Sommer wird es voll am See

Für die kommende Saison erwarten die Rettungsschwimmer wieder viel Arbeit. Schon im ersten Corona Sommer seien deutlich mehr Menschen um und auf dem See unterwegs gewesen. „Wir teilen uns den Rettungsdienst auf dem Tegernsee mit den Wasserwachten in Rottach und Bad Wiessee sowie unserem Partnerverein der DLRG Gmund“, so Schulte. Jeder der Vereine arbeite zwar für sich allein in dem zugewiesen Ufer- und Seebereich, doch bei einem großen Rettungsfall arbeiten alle vier Gruppen eng zusammen. „Das funktioniert seit Jahren hervorragend“, berichtet der DLRG’ler stolz.

Bei einem Rettungsfall arbeiten die Vereine zusammen.

Anschließend führt mich der Hausherr durch die Hütte. Sie besteht im vorderen Teil aus einem Sitzbereich auf der rechten und der Funkstation und der Bereitschaft auf der linken Seite. An den Wänden hängen Seetafeln vom Schliersee und Tegernsee. Im hinteren Bereich des großen Raumes steht über Eck eine kleine Küche. Gegenüber geht es in den Rettungsraum mit allerlei medizinischem Gerät.

Auf der Behandlungsliege räkelt sich eine schwarze, menschenähnliche Gummipuppe. „Rein zu Übungszwecken“, wie mich Mengele aufklärt, der zusammen mit meiner Kollegin Lenka den Raum betritt. Die etwas schräge Puppe, aber auch das Innenleben der Hütte könnt ihr euch auf dem Instagram-Profil der TS ansehen.

Tauchanzüge, Boards, Boote und Sautröge

Gemeinsam setzen wir den Rundgang in der großen Materialgarage, die sich im hinteren Teil der Holzhütte befindet, fort. Dort hängen neben den schon erwähnten Neoprenanzügen und anderen Ausrüstungsgegenständen auch einige Tauch- und Überlebensanzüge. „Unsere Mitglieder haben die Wahl. Neben dem Rettungsschwimmen kann man bei uns auch Tauchen und den Bootsführerschein machen und sich als Ersthelfer einbringen”, erklärt uns Schulte und klopft dabei auf ein großes Boot mit Rädern, das die Mitte der Garage ausfüllt.

Wir sind auch in den Flüssen und Gebirgsbächen im Einsatz. Und mit diesem Boot können wir bei Hochwasser Menschen und Tiere aus schwerzugänglichen überfluteten Gebieten retten.

Beeindruckt verlassen wir die die große Holzhütte. Auf meine Frage, wie man so eine Hütte und die ganze technische Ausrüstung finanziert, antwortet Schulte: „Mit der Hilfe der Mitglieder und deren Eigenleistung, großzügigen Spenden und durch die tatkräftige Unterstützung der Stadt Tegernsee.“

Während er spricht, zeigt Schulte auf eine etwas abseits stehende kleinere und mitgenommen aussehende Hütte. „Bis zum Pfingsthochwasser 2013 hatten wir dort drüben unserer Vereinssitz. Aber als das Wasser zurückging, war klar, dass Ersatz hermuss. Da hat uns die Stadt diesen Platz zur Verfügung gestellt und den Außenbau errichtet. Den Rest haben wir in Eigenleistung gebaut“, berichtet Schulte und fügt schmunzelnd an „und sind noch immer dabei.“

DLRG Rettungswagen suchen neues Zuhause

Zum Abschluss präsentiert uns Marinus Peterhansl noch voller Stolz den vor der DLRG-Einsatzzentrale geparkten Rettungswagen. Für Lenkas Video schaltet er sogar das Blaulicht ein. In dem großen Fahrzeug befindet sich neben Tauchausrüstungen und Material zur Seerettung auch viel medizinisches Equipment. Ein weiteres Rettungsfahrzeug ist weiter oben in der Stadt abgestellt. Aktuell wird dringend nach einer großen Garage in Tegernsee für die beiden Einsatzwagen gesucht.

Schnell machen wir noch ein Gruppenfoto, als die ersten Regentropfen vom Himmel fallen und bedanken uns für die tolle Führung. Allerdings lassen uns die DLRG’ler nicht gehen, ohne uns das Versprechen abzuringen, dass wir als Tegernseer Stimme am jährlich stattfindenden “Sautrogrennen“ teilnehmen. Wir sind gespannt ?

Für noch mehr Eindrücke geht’s hier direkt zum Instagram-Profil der Tegernseer Stimme

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