Police goes fashion & function

von Petra Dietzel

Die bayerische Polizei will ihren Beamten neue Uniformen verpassen. Funktionaler sollen sie sein. Und moderner. Doch bevor die Kollegen die alten Uniformen an den Nagel hängen, muss der Praxistest absolviert werden. Zum ersten Großeinsatz beim bundesweiten Blitzmarathon testeten drei Freiwillige der Polizeistellen Holzkirchen und Miesbach ihr künftiges Dienst-Outfit – direkt am Tatort.

DIe neuen und die alten Uniformen im Vergleich
DIe neuen und die alten Uniformen im Vergleich

In den 70-er Jahren waren sie der letzte Schrei, die brandneuen Designer-Uniformen für die Polizisten des Wahl-Bayern Heinz Oestergaard. Doch heute versprühen sie Retro-Charme. Mittlerweile lässt der Tragekomfort zu wünschen übrig. Die Hosen kratzen, drücken, scheuern bei jeder Bewegung. Und: Die Beinkleider aus ruppigem Synthetikstoff, der im Winter der Eiseskälte trotzen muss, sind auch bei hochsommerlichen Temperaturen Pflicht.

Deshalb hat sich Bayern, als letztes der deutschen Bundesländer, entschieden, den alten Uniformen den Garaus zu machen. Und einen Testlauf zu starten. Seit August flanieren 500 bayerische Testkandidaten in neuer Garderobe über die Laufstege des polizeilichen Alltages. Allein im südlichen Oberbayern sind 50 Beamten in Testkleidung unterwegs. Und an den wenigen heißen Tagen in diesem Jahr bestätigen sie einhellig: „Die neuen Klamotten sind Kür – keine lästige Pflicht mehr.“

Noch offen ist, ob das Förstergrün, das seit rund 200 Jahren in Bayern Tradition hat, ad Acta gelegt wird. Praktisch ist der matschige Olivton, aufgepeppt mit Beigebraun, zwar – dafür jedoch nicht sehr kleidsam. Die Testuniform setzt auf die klassische Uniformfarbe dunkelblau. Vorbild für die Testphase, die bis März 2015 läuft, ist die österreichische Kollektion.

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Mitspracherecht bei der Farbentscheidung

Die Farbentscheidung werden die 40.000 bayerischen Kollegen selbst per Online-Votum treffen. Zwischenzeitlich können sie die neuen Klamotten im Alltag begutachten. Und befingern. Denn in jeder Dienststelle gibt es mindesten einen Kollegen mit einer Testausstattung.

34 Teile gehören zur neuen Dienstkluft, geliefert in zwei großen Kartons. Mit von der Partie sind Hosen, Hemden, Pulli, Jacken – für Sommer und Winter. Ein Fortschritt gegenüber den letzten vierzig Jahren, in denen jahreszeitlich bedingte Temperaturunterschiede vernachlässigt wurden.

Wichtiger als die Ärmellängen und Farbauswahl sind jedoch Tragekomfort und Funktionalität der Uniformen. Mit Jacken aus wasser- und windabweisendem Goretex sind die Materialien im 21. Jahrhundert angekommen. „Wurde ja auch Zeit“, witzelt ein Kollege, „wo schon die Industrie schon wieder ein neues I-Phone auf den Markt wirft“. Auch Polizisten wollen mit der Zeit gehen.

Endgültiges Aus für die „Mehlsackhosen“

Mode ist das Stichwort für Polizistinnen. Zu Ostergaards Zeiten spielten weibliche Kolleginnen im Polizeidienst so gut wie keine Rolle. Seit dem haben Generationen junger Ordnungshüterinnen unter den unförmigen „Mehlsackhosen“ gelitten. Die neuen Modelle sind zwar nicht maßgeschneidert, aber dank Elasthan passen sie sich besser an die Figur an. Auch ein Vorteil für die Herrenwelt.

Doch die Frauenfreundlichkeit hat ihre Grenzen. „Für Schwangere ist nichts dabei“, klärt Katharina Schreiber, Hauptkommissarin in der Miesbacher Zentrale, auf. Auch Dienst-Dirndl scheinen nicht auf dem Programm zu stehen – schade, denn eine Portion Lokalkolorit würde eine Oktoberfest-Razzia sicherlich entspannen.

Wenn es künftig blitzt hat der Polizist wenigstens eine schicke Uniform
Wenn es künftig blitzt hat der Polizist wenigstens eine schicke Uniform

Auch für offizielle Anlässe ist gesorgt. Bei Dienstjubiläen, Beförderungen, Einweihungen ist das Repräsentations-Outfit Vorschrift. Dunkelblau natürlich, die Jacke streng formal mit Stehkragen. In Farbe und Schnitt erinnert der Dress an des Kaisers Kleider bis Anno 1918. „Wie in der „k u k-Monarchie“, kommentiert Christian Frick von der Polizeiinspektion Miesbach. Naheliegend, denn die Dienstkluft hat österreichischer Wurzeln.

Mehr Autorität durch blaue Uniformen

Statt der historischen Pickelhaube tragen die heutigen Beamten weiterhin Schirmschützen. Statt matsch-grün prangen die neuen Mützen nun in Plastik-Weiß auf den Häuptern der Verkehrshüter. Der Straßenverkehr wird ihr Haupteinsatzbereich sein. Die marineblaue Stoffversion bleibt den wenigen offiziellen Anlässen vorbehalten. „Schließlich können wir nicht vor jeden Einsatz im Kofferraum nach der richtigen Kopfbedeckung kramen“, schmunzelt Andre Reinwarth von der Holzkirchner Polizei.

Ein paar Praxisversuche stehen noch auf der Agenda der bayerischen Test-Polizisten. Dazu gehören Verkehrskontrollen bei Regen, Schießübungen oder Einsatz beim Selbstverteidigungskurs. Verbrecherjagden à la James Bond sind im Landkreis eher nicht zu erwarten. Eines haben die Beamten beobachtet: Mit dem Königsblau gewinnen sie an Autorität und Akzeptanz. „Goad schaugst aus“, sagt wieder ein LKW-Fahrer, winkt und fährt weiter.

Bei den Beamten kommt die neue Uniform gut an, bei der Bevölkerung auch. Doch vor einer Entscheidung müssen die Testpersonen umfangreiche Fragebögen beantworten. Es bleibt spannend, in welcher Kluft die 27.000 uniformierten Polizisten in Bayern die nächsten 40 Jahre ihren Pflichten nachkommen werden.

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