Landkreis Miesbach verfehlt nur hauchdünn den Spitzenplatz
Reicher ist nur einer

Eine Studie enthüllt, was wir im Tal schon lange wissen: Nirgends ist die regionale Kaufkraft, also das um die örtlichen Lebenshaltungskosten bereinigte Einkommen, höher als in den beiden oberbayerischen Landkreisen Starnberg und Miesbach. Das hat Folgen. 

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Der Leeberg – Habitat der Spezies ‘fordernder Vermögender’ Foto: Redaktion

Landschaft, Sicherheit und Infrastruktur zieht Kapital an. Das ist die einfache Formel. Hast du Millionen, ziehst du nicht nach Gelsenkirchen. Du willst es hübsch, sicher und komfortabel haben. So wie im Landkreis Miesbach. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln hat, wie jedes Jahr, eine Studie zur regionalen Kaufkraft mit Zahlen aus den Jahren 2022 und 2023 veröffentlicht. Dabei wurden die verfügbaren Einkommen aber auch die regionalen Preisunterschiede berücksichtigt. Kaum ist die Studie veröffentlicht, springen alle Medien drauf: Reiche Tegernseer, arme Offenbacher. Was ist da los?

Tegernsee zieht Geldige an

Beim Spitzenreiter, dem Landkreis Starnberg, liegt die regionale Kaufkraft bei 35.392 Euro pro Einwohner und Jahr. Wir haben mit einem hauchdünnen Rückstand von gerade mal 57 Euro, nämlich mit 35.335 Euro den zweiten Platz erreicht. Wir? Und was heißt das eigentlich für den Normalo, jenseits eines millionenschweren Kontos? 

Vermögende Menschen ziehen zu uns. Mit ihrem Reichtum heben vornehmlich die den Miesbacher Landkreis auf diesen Platz, der nur hauchdünn hinter dem Primus Starnberg steht. Diese Bürger wohnen selten in Hausham oder Fischbachau. Es ist unsere Heimat, das Tegernseer Tal, man muss es so steil formulieren, die den gesamten Landkreis finanziell am Laufen hält. Hört man anderswo ungern, führt auch zu der ein oder anderen geballten Faust bei Fremden. Und klar, Holzkirchen gibt auch seinen Anteil. Aber das Geld sitzt nun einmal im Tegernseer Tal. Was hat das zur Folge? 

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Zum einen sind die Lebenshaltungskosten gigantisch höher als anderswo. Das weiß jeder, der hier einkauft, eine Wohnung mieten oder gar ein Haus bauen will. Und Wohnkosten sind schon längst für viele Menschen der größte Kostentreiber im Monat. Die Kommunen haben, egal welcher Partei der Bürgermeister angehörte, immer mit verschiedenen Programmen dagegen angearbeitet. Im Tegernseer Tal hat jede Gemeinde dazu ihre eigene Politik in den letzten Jahren vollzogen. Einige Bürgermeister setzten auf Einwohner-Programme, die dann schnell zu Rohrkrepierern wurden, wenn die eigentlich sehr Einheimischen ihr Haus an nicht mehr so Einheimische, aber eben Wohlhabende aus anderen Landesteilen, verkauften. Und, welch Wunder, prompt stiegen die Preise. 

Und die Normalos?

Andere, wie die Kreuther, setzten auf Druck. Im lokalen Süden setzte man auf das Verbot von Zweitwohnungen, um Wohnraum für „normale“ Ganzjahres-Einwohner zu schaffen. Klappte eher nicht, weil die Kontrollen überschaubar waren. Aber in keiner Gemeinde wurde über Jahre eine Wohnraum-Strategie so konsequent und erfolgreich umgesetzt wie in Bad Wiessee. Auch gegenüber am Westufer sieht es für den bezahlbaren Wohnraum noch erstaunlich gut aus. Aktuell besitzt die Stadt am Ostufer des Tegernsees selbst 34 Wohnhäuser mit 150 Wohnungen, die ETVS nochmal 51 Wohnungen.

Diese kommunalen Investitionen in Wohnraum sind allerdings nur mit den ordentlichen Steuereinnahmen der Zugezogenen zu machen. Ist das ein Nullsummenspiel? Reiche verschärfen die Lebenshaltungskosten, sorgen aber mit ihrem Steueraufkommen für mildernde Umstände? Das wäre zu kurz gesprungen: Mehr als andere sorgt diese kleine Gruppe für mächtige Effekte, die in vielen Statistiken selten berücksichtigt werden. In keinem von der Einwohnerzahl vergleichbaren Landkreis ist die Ärztedichte so stark, in keinem (abgesehen von Starnberg) konnten in den letzten Jahren Handwerker solche Preise für ihre Arbeit verlangen. Das Tal bietet alle Schulformen an, Kita-Zentren werden in Rekordzeit aus dem Boden gestampft. Über die Kreisumlage aus den Haushalten der Talgemeinden profitiert der Gesamt-Landkreis. 

Tegernsee und Bad Wiessee investieren

Kurz: das oft als Lago di Bonzo geschmähte Tal füttert mit den darin lebenden Vermögenden sehr viele hungrige Münder[IC1] . Das mag man nicht gern hören, aber es ist wie mit dem Tourismus, den viele nur als Stau-Ärgernis wahrnehmen, der aber die oben genannten positiven Effekte massiv befördert. Aber das alles ist nicht in Stein gemeißelt. Steuern müssen nicht immer so sprudeln, reiche Menschen ziehen auch mal weg. 

Nur eine aktive Kommunalpolitik mit dem Mut zu notwendigen Investitionen sorgt für eine stabile Zukunft. Eine Binse. Aber so wie Kreuth verharrt, sich über Radwegprojekte streitet, so gehen in anderen Kommunen die Bürgermeister größere Projekte an. 

Sie senken Hebesätze für die Gewerbesteuer, locken Firmen z.B. aus Grünwald ins Tal. Bad Wiessee mit einem Bürgermeister Robert Kühn (offiziell SPD) dreht den Ort am Westufer gerade vom Kopf auf die Füße. Kein anderer Ort hat mehr private und kommunale Projekte und Investitionen vorzuweisen. In seiner bisherigen Amtszeit von weniger als vier Jahren wurden private und kommunale Investitionen von rund 300 Millionen Euro angestoßen. Für beispielsweise den Umbau und Erweiterung des Gasthofs Post oder die Fertigstellung des Kita-Zentrums, sowie allgemeine bauliche Unterhaltsmaßnahmen an Gebäuden und Liegenschaften investierte der Gemeinderat insgesamt rund 15 Mio. Euro. 

Oder Tegernsee: Die Kleinststadt an den Hängen des Ostufers könnte vom Klimawandel und der daraus resultierenden Starkregen-Ereignisse massiv betroffen werden. Bürgermeister Johannes Hagn hat gegen viel Widerstand im Ort ein teures, aber genau auf diese Risiken zugeschnittenes Feuerwehrzentrum errichten lassen. Er und seine Verwaltung gehen die Modernisierung der von seinem Vorgänger lange vernachlässigten Wasserversorgung an. Hagns Ziel: Eine stabile Infrastruktur. 

Geldige und ihr Auftreten

Aber dann ist da noch ein anderer, schwer messbarer Effekt durch den Zuzug vermögender Menschen aus anderen Regionen. Spricht man diskret mit verschiedenen Personen aus der Verwaltung oder Vereine, dauert es nicht lange, bis die Sprache auf das zuweilen unsägliche Auftreten der Geldigen kommt. Da wird gefordert, gern auch einmal gedroht, wenn der Carport oder die Terrasse nicht erweitert werden kann. Da wird durch Sonne, Mond und Sterne geklagt, wenn der Schwimmteich in Freibad-Größe nicht genehmigt wird. Da wird mit dem Entzug der Vermögensfirma gedroht, wenn der Hebesatz nicht deutlich niedriger bleibt. Da werden schneeschaufelnde Menschen am Morgen wegen Ruhestörung angezeigt, Bauamtsmitarbeiter mit plumpesten Mitteln versucht, zu beeinflussen.

Geld von außen kommt, so wirkt es, selten demütig oder abwartend daher. Gern wird das Chefgehabe, welches man aus dem Großunternehmen gewohnt war, hinüber in den Früh-Ruhestand am See ‘gerettet’. Dieses’ Hoppla-jetzt-komm-ich’-Auftreten führt zu Verdruss. Und so liest jeder im Tal die Studie des Kölner Instituts auf seine Weise. Kommunale Kämmerer und örtliche Handwerker sicher freudiger, als Bedienungen oder Erzieher in der Kita.  

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