Stadtrat diskutiert Radfahrwege
Risikosportart Radfahren – Tegernsee rüstet ab

Wer sich nicht vom Wallberg springen traut, kann es ja mal mit Radfahren versuchen. Eine besonders riskante Hochleistungsstrecke ist der Abschnitt zwischen See-Sauna und Schloss in Tegernsee. Der Stadtrat will das ändern.

Romantisch Radfahren am Tegernsee ist viel Trugbild: hier gehts zum Spiel der FohlenElf. Foto: Stefan Schweihofer

Eigentlich sollte es einen Ringschluss des Radwegs geben: Einmal um den See treten, ohne sich in die Nah-Todeszone eines vorbeirauschenden LKW zu begeben; es wird ein Luftschloss bleiben.

Die Kleinstadt am Osthang des Tegernseer Tals macht es Radfahrerinnen und Radfahrern weiterhin schwer. Wer von Norden in den Ort radelt, wird vom breiten Radweg plötzlich in Stich gelassen und endet in einer verkehrstechnische Hummerreuse. Dann kann sich die Radfahrer-Seele entscheiden, wen oder was sie gefährden will: Das eigene Leben? Das Leben von Passanten, die jetzt mal bitte Platz auf dem Gehweg machen sollen?

So radeln sie unsicher an den parkenden Autos an der See-Sauna vorbei, streiten sich mit dem Fußvolk und bleiben irritiert vor jedem zweiten Hauseingang stehen. Auf Höhe der Guggemos-Ruine wird es brenzlig – spätestens, wenn dort ein LKW, ein SUV, Fußgänger und Radler zusammentreffen. Die Stadt Tegernsee wollte dem Radl-Horror im März dieses Jahres etwas entgegensetzen. Deswegen hat sie bei einem Münchner Ingenieurbüro eine Machbarkeitsstudie für einen Radweg, zwischen Hochfeldtstraße und Schloßplatz, angefordert. Das Ergebnis wurde am Dienstagabend in einem aufgeheizten Raum dem Stadtrat vorgestellt.

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Game-Over: Runter von der Straße oder dumm im Weg stehen: Radeln zum Abgewöhnen. Foto: Martin Calsow.

Mehr als 13. 000 Fahrzeuge muss die Bundesstraße 307 und deren Anwohnerinnen und Anwohner jeden Tag in Tegernsee ertragen. Die verteilen sich natürlich nicht brav über den Tag, sondern klumpen sich zu den Stoßzeiten. Ergo: Weniger Platz und Luft für andere Verkehrsteilnehmer. Achim Ignatow, vom Ingenieurbüro ING-West aus München, stellt am Dienstagabend im Stadtrat die von seiner Firma erarbeiteten Ideen vor. Da ist dann viel von Fahrbahnbreiten, Vorschriften und Vorgaben die Rede (siehe Infobox).

Was Bad Wiessee hat, will Tegernsee auch – Radschutzstreifen. Schöne Idee, funktioniert nur bedingt. Foto: Martin Calsow.

Möglichkeiten:

  • Mehr Radwege, dramatischer Wegfall von Parkraum; vor allem zwischen Seesauna bis Schloss. Dabei sind die Radlerinnen und Radler immer noch gefordert, weil sie ständig zwischen Schutz- und Radwegen wechseln müssen.
  • Schutzstreifen sollen den Radweg markieren; siehe Bad Wiessee. Einfach in der Durchführung, aber eben auch so semi durchsetzungsstark. Autofahrer ignorieren die gestrichelten Linien allzu gern.
  • Die Grünen hätten gerne was gscheids, sie stellen sich einen “Einrichtungsradweg” vor.

Marcus Staudacher von den Grünen hat schon im Vorfeld zur Sitzung verkündet: “Ursprünglich hatten ‘die Grünen’ den Vorschlag, einen baulich abgesetzten sogenannten ‘Einrichtungsradweg’ von Nord nach Süd durch den Ort zu führen.” Er findet die vorgestellten Lösungen unzureichend: “Die nun vorgestellten neuen Pläne torpedieren dieses Ziel nicht nur, sie sind auch in großen Teilen nicht regelkonform! Wenn sich Radfahrer auf 1,25 m schmalen Schutzstreifen zwischen Autoverkehr und Längsparkplätzen zwängen müssen, bringt dies keinen Gewinn für Radfahrer, weder an Attraktivität noch an Sicherheit! Im Seitenraum und durch Auflösen der Längsparkplätze wäre ausreichend Platz für einen ‚echten‘ Radweg! Allein es fehlt der politische Wille, den Radverkehr gegenüber dem Kraftfahrzeugverkehr zu stärken.”

Schnell machte Ignatow klar: durchgehend Radwege auf beiden Seiten der Bundesstraße seien nicht möglich. Es fehle schlicht der Platz. Der erste Kompromiss: Er schlug eine Sicherung nur von Nord (Gmund) nach Süd (Rottach-Egern) vor. Zweiter Kompromiss: Weil ein durchgehend abgegrenzter Radweg nicht möglich ist, wird es ein Mix: Mal wird es ein klassischer Radweg sein, mal werden nur Schutzstreifen leuchten (siehe Infobox).

Radwege:

Der klassische Radweg: baulich durch einen Bordstein von der Fahrbahn abgegrenzt.  
Der Radfahrstreifen: ein für den Radfahrer benutzungspflichtiger Sonderfahrstreifen. Er darf vom Kraftverkehr nicht in Längsrichtung befahren werden.
Schutzstreifen: Sie werden im Randbereich der Fahrbahn mit einer Markierung kenntlich gemacht. Sie dürfen zur Not in Längsrichtung überfahren werden, verdeutlichen dem Kraftfahrer aber auch den erforderlichen Sicherheitsabstand beim Überholen. Die Tal-Radlerinnen und Radler kennen diese Markierung aus Gmund und Bad Wiessee.

Nervende Radler, fehlende Parkplätze

Die Diskussion verlagerte sich hin zu alltäglichen Problemen. Ausführlich beschrieben Ratsmitglieder die zum Teil rücksichtslosen Radfahrer, die äußerst schwierige Situation auf dem Radweg unterhalb des Leebergs. Erst kürzlich musste die Polizei einen eiligen Rennradler aus dem Verkehr ziehen.

Dann war die Parkplatz-Fraktion dran: Denn das ist für einige im Stadtrat ein wichtiger Punkt. Für die radikale Radweg-Lösung würden Parkplätze wegfallen: sowohl an der See-Sauna, hangseitig auf Höhe Guggemoos, vor der Alpbachbrücke und letztlich auch vor dem Schloss. Für einige Geschäftsinhaber ein Graus. Michael Bourjau (FWG) erinnerte das Gremium fix daran, dass die Parkplätze auf dem Horn-Gelände auch bald weg seien, wenn dort gebaut werde. Kurz: Weniger Parkraum soll das Sterben der Geschäfte verursachen.

Barbara Staudacher von den Grünen betont die veränderte Situation im heutigen Verkehr: “Die Autos sind größer geworden, die Räder, vor allem die E-Bikes schneller. Wir müssen eine Gleichbehandlung der Verkehrsteilnehmer herstellen. So werden Radfahrer massiv behindert und gefährdet.” Die Zahlen geben ihr Recht: Fast 20 000 Fahrradunfälle verzeichnete die Polizei in Bayern im letzten Jahr – so viele wie noch nie.

Andreas Obermüller verweist auf die über Jahre schon schrumpfende Anzahl der Parkplätze. Man sei kein Museumsdorf, fand der Apotheker; vor allem ginge es doch darum, dass man nicht nur einfach durch die Stadt durchfahre, sondern eben auch verweile. Rücksichtslose Radfahrer treffen vor allem in der Hauptsaison auf große Gruppen am Rathausplatz, die aus den Schiffen herausströmen. Da sei kaum mehr Platz.

Letztlich lassen sich die Problemfelder auf diese Punkte verengen:

Tegernsee ist angesichts seiner topografischen Lage (Hang/See) schlicht zu eng für die zunehmende Zahl von Radfahrern und Autofahrern.

Fazit

  • Es gibt keine perfekte Lösung.
  • Ein klassischer Radweg ist kein Garant für regelkonformes Verhalten der Radlerinnen und Radler.   
  • Eine einheitliche Lösung, also ein durchgängiger Schutzstreifen, ist immerhin zu verstehen.
  • Parkraum ist bei dieser Lösung nur an der See-Sauna aufzugeben (von 77 auf 71).

Am Ende entschied sich der Stadtrat mit zwölf zu drei Gegenstimmen für die Lösung Radschutzstreifen; sowohl in Nord-Süd, als auch in Süd-Nord-Richtung sollen sie geplant werden.

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