Rottach-Egern und die Seestraße
Severin’s: Ewig wächst der Wert

Na, wie sieht es aus, Rottach-Egern? Wird das noch was? Das und was das ‘Severins’ mit Ackerflächen im Osten zu tun hat und warum es für manche ein Vorteil ist, wenn in der Seestraße nichts passiert …

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Vogelperspektive Rottach-Egern: Baugrube Severin’s, daneben wirkt das Kirschner wie ein Puppenhaus. / Foto Redaktion

Die Seestraße in Rottach-Egern ist derzeit kein Schmuckstück. Eine Mega-Baustelle, eingefroren in der Zeit. Über das Severin’s fliegen entsprechend die Gerüchte aus und im Tegernseer Tal. Hat Eigentümer Zech den Stecker gezogen? Sorgt das Grundwasser für endgültigen Stillstand?

Notlösung Deep Soil Mixing?

Deep Soil Mixing. Das ist kein Titel eines C-Movie aus Hollywood. Das ist ein Verfahren, der das Hotelprojekt Severin’s in Rottach-Egern wieder aufs Gleis setzen soll. Dort lief in jüngster Zeit so wirklich gar nichts rund. Nachbarn ärgerten sich. Kommunalpolitiker, beim Spatenstich noch eifrig in die Kamera lächelnd, zeigten sich irritiert. Einheimische runzelten die Stirn. Der See, das Hoch- und Grundwasser? Geht das gut? Aber Gutachten bescheinigten die Machbarkeit, vor allem, was die Hochwasserproblematik angeht. „Es hieß immer, das haben sie im Griff”, so Bürgermeister Christian Köck. Klappt so mittel.

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Eintauchen, bloß wann? / Foto: Redaktion

Weil das mit dem Wasser doch nicht so einfach ist und es in die Baustelle drückt, verzögerte sich Anfang des Jahres der Tiefbaubeginn. Dafür nehmen die üblichen Gerüchte Fahrt auf: Hat sich etwa die Zech Group mit dem Tiefbauer schwer gestritten? Nach Wochen des Stillstands habe aber man sich wohl “geeinigt”. Der Spezialunternehmer kommt aktuell mit einem neuen Verfahren. Dies soll jetzt das Wasser von unten endgültig in die Schranken weisen: Mit dem “Deep Soil Mixing” wird, verkürzt gesagt, der unsichere Untergrund umgetauscht und so verfestigt. Experten geraten ins Schwärmen: leise und erschütterungsfrei soll das Verfahren sei. Das dürfte die dauergenervten Anwohnerinnen und Anwohner freuen. Trotzdem: Eine Eröffnung Ende 2025 ist illusorisch.

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Rückblick und Einordnung

Januar 2020:  Die Gustav Zech Stiftung mit Sitz in Liechtenstein kauft das „Seeperlengrundstück” bekannte Areal von den im Tal bekannten Eigentümern Rainer Leidecker und Ernst Tengelmann, die bereits eine Baugenehmigung vorweisen können. Investitionskosten laut Kurt Zech: (ohne Kaufpreis) 50 bis 60 Millionen Euro.

Januar 2023: Vollmundig kündigte der neue Eigentümer des 6000 Quadratmeter-Grundstücks an der Rottacher Seestraße “ein Fünf-Sterne-Superior-Hotel” für Ende 2024 an – also in diesen Tagen. Von den 56 Zimmern, Suiten, großzügiger Wellnessbereich, dazu eine Ladenzeile, plus eine zweistöckige Tiefgarage ist im Herbst 2024 nichts zu sehen.

Februar 2024: Ein deutscher Spezialunternehmer säuft mit einem Silikat-Verfahren im wahrsten Sinne des Wortes ab. Immer wieder drückt Wasser in die Baustelle, verzögert damit jede Bautätigkeit um Monate.

Nachbarschaftsstress

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Heute mal trocken. / Foto: Redaktion

Die Nachbarn wünschen sich schon lange ein baldiges Ende der Baustelle. Nebenan liegt das Maier zum Kirschner. Das Hotel kennt die Beschwerden der Gäste aus jetzt zwei Saisons. Eigentümer Franz Josef sitzt zudem für die CSU im Rottacher Gemeinderat. Dort hat er dann mehr Schutz vor Baustellen-Lärm eingefordert. Es empfiehlt sich eine transparente Baustellen-Führung. Das macht die Zech Group mit einem Baustellen-Tagebuch, das über einen Link zu erreichen ist.

Aber Obacht: 14 Wochen passierte auf der Baustelle – nichts! Zwar hatte die Gemeinde extra für eine größere Einfahrt einen Baum fällen lassen, aber auf den 6000 Quadratmetern blieb es wochenlang ruhig. Gäste ‘genossen’ den Blick auf eine Baustellen-Brache. Nun ist das Tal mit diversen Baustellen-Debakel gesegnet.

Almdorf

Das Projekt Almdorf in Tegernsee existierte lange Jahre nur im Kopf des Entwicklers Leidecker. Wenigstens baggert man jetzt ein wenig Erde von links nach rechts. Dass es mehr nicht ist, vermuten nicht mehr nur die Schutzgemeinschaft Tegernseer Tal (SGT) und die Grünen im Tegernseer Stadtrat. Immerhin wird gleich drüben am Westufer wird munter gebaut, etwa das Fünf-Sterne-Superdooper-Spitzenklassen-Hotel-Seegut gebaut. Aber auch hier befinden sich ein paar Wohn- und Erlebnisträume seit geraumer Zeit im Winterschlaf: Leideckers Barefoot-Projekt in Bad Wiessee, sowie die Ödnis des Jodschwefelbad-Areals lassen grüßen. Hotelbau-Träume, die gern mal platzen – zum Missfallen der Bevölkerung. Aber wenigstens schaut hier ein Gemeinderat nicht nur zu, sondern gestaltet selbst Projekte und begleitet ortsfremde Investoren eng und effizient.

Die panische Stimmung unter den Immobilienfirmen schürt den Argwohn an: Denn die Zahl der Immobilieninsolvenzen bei Großunternehmen mit einem Umsatz von über zehn Millionen Euro ist im ersten Halbjahr 2024 von neun auf 31 Fälle gegenüber dem Vorjahreszeitraum gestiegen – ein Plus von 244 Prozent: Euroboden, Signa, Omega, Imfarr oder jüngst die Gerchgroup – alle pleite. Und Zech?

Liga Zech Group

Das Bremer Unternehmen ist mit reinen Immobilienfirmen nur schwer zu vergleichen. Die Zech Group spielt in einer anderen Liga: Der Eigentümer Kurt Zech hat sich breit aufgestellt, sich nicht allein auf Hotel- und Geschäftsbauten verlassen. Die Felder des fünftgrößten deutschen Bauunternehmens reichen vom Kerngeschäft Bauen über Reedereien bis hin zu einem gigantischen, landwirtschaftlichen Flächenbesitz. Letzteres Investment firmiert unter dem Namen DAH.

Kleiner Exkurs: In der Landwirtschaftsszene war das Unternehmen gut bekannt: 20.000 Hektar Grün- und Ackerland gehörten dazu und war einer der größten Agrarbetriebe Deutschlands. Eigentümer: Die Gustav-Zech-Stiftung mit steuergünstigem Sitz in Liechtenstein. Wieso Liechtenstein? Einfach mal ‘Vorteile’, ‘Stiftung’, ‘Liechtenstein’ googeln …

Verkauf an Igneo

2023 verkaufte Zech seine Landwirtschaft an den japanischen Großkonzern Igneo zu einem vermuteten hohen dreistelligen Millionen-Betrag. Ist dann so eine unglücklich verlaufende Baustelle in Rottach-Egern nur ein kleiner Hustenreiz im Gesamtorganismus?

Investment Seestraße Rottach-Egern?

Fakt ist: Und egal, wie der Untergrund an der Seestraße gemixt oder befestigt wird: Der Wert der Fläche selbst ist für einen Groß-Unternehmer der Punkt: Er steigt über die Jahre, und wenn Zech die Lust am Projekt verliert, wird die Baustelle, befestigt oder nicht, eben weitergegeben. Selbiges gilt für ein paar Hausnummern weiter, das Bachmair am See. Das hat Ende 2019 die Hirmer-Gruppe übernommen. Seit 2020 steht das ehemalige Traditionshotel leer. Die euphorischen Sanierungspläne wurden von Corona und den gestiegenen Baupreisen zunichtegemacht, so zumindest die offizielle Sprachregelung. Seitdem verwittert es als “Immobilienentwicklungsprojekt”vor sich hin. Hirmer lässt seine Pressestelle immer wieder beteuern, dass daran gearbeitet werde; zu sehen ist das nicht.

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Nur die Blumen im September erinnern an die Blütezeit des Traditionshauses. Foto: Julia Jäckel

Und auch für Zech sind 6000 Quadratmeter Rottach-Egern nur eine Position in der Bilanz. Hat sich nicht auch der Austro-Mogul Rene Benko damals verschätzt? Den hat Forbes 2020 noch auf ein Privatvermögen von 5,6 Milliarden Dollar geschätzt. In diesem Jahr erklärte er – im Rahmen eines Konkursverfahrens –, dass er von seiner Mutter finanzielle Unterstützung bekäme. Es kann schnell abwärts gehen in dieser Branche.

Bald alles gut?

Aber vielleicht geht ja auch jetzt mit dem neuen Verfahren alles gut. Nach Auskunft eines Experten, der am See schon kritischere Projekte betreute, wurde das Verfahren schon in deutlich kritischeren Böden erfolgreich angewandt. “Es ist teuer, aber ich bin sicher, dass der Spezialunternehmer das auf seine Kappe genommen hat. Mit einem wie Zech willst du es dir in Deutschland nicht verscherzen”, erklärt uns der Unternehmer, der ebenfalls seinen Namen nicht hier lesen möchte. Vielleicht mache man ja mal mit Zech ein Projekt zusammen …

Sollte also das Verfahren funktionieren, die Tiefgarage fertiggestellt werden, ist der Rest ein Klacks, so Zech-Unternehmenssprecher Römer. Er rechnet noch immer mit einer Hoteleröffnung zum Jahreswechsel 2026/27. Wir sind gespannt.

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