Wie andere Tal-Gemeinden ihre Almwirschaften im Zaum halten
Söllbach-Rummelplatz bald im ganzen Tegernseer Tal?

Die Saurüsselalm soll an die 90.000 Gästen jährlich anlocken. Der Rechtsstreit mit Naturschützern ist seit dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof gefühlt beigelegt. Das Treiben soll jetzt munter weitergehen. Wie macht das eigentlich die andere Tal-Seite?

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Wie? Kein Schampus und Trüffelpizza? Foto: Redaktion

Während der Fall Haslberger immer mehr zu einem tristen Bauerntheater-Stück verkommt, reiben sich die Nachbargemeinden verwundert die Augen. Sie haben mit ihren Betreibern keinerlei Probleme. Aber – das muss nicht so bleiben. Zwei Beispiele:

Neureuth und Galaun

Die Stadt Tegernsee verpachtet zwei Wirtschaften: die Neureuth und Bergasthof Riedersein am Galaun. “Wir haben den Pächtern sehr klare Vorgaben in das ‘Pflichtenheft’ geschrieben. Der Stadtrat wollte bewusst dort oben keine Event-Gastronomie haben”, erklärt der Tegernseer Bürgermeister Johannes Hagn. Mehr als ein halbes Dutzend Sonderveranstaltungen im Jahr, wie es sich die Saurüsselalm auf der anderen Seite des Sees wünscht?

Undenkbar in Tegernsee. “Einmal in der Woche darf der Pächter die Alm länger öffnen, aber sein Speiseangebot sollte mehrheitlich für das einfache Leibeswohl ausgerichtet sein.” Wer dagegen verstößt, merkt recht schnell, dass die Gemeinde im Tal unten keine Kompromisse eingeht.

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Im Frühjahr 2022 wollten zwei junge Unternehmer wenige Meter vom Gasthof Riederstein eine Sektbar eröffnen. Pächter Franz Wagner hatte nichts dagegen, die Stadt schon. Der Schampus musste anderweitig konsumiert werden. Es blieb unterhalb des Riedersteins bei Radi und Radler.

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Shuttle Service zur Neureuth? Eher nicht… Foto: Redaktion

Hagn verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass Tegernsee der größte Waldbesitzer in Tegernsee sei. “Der Stadtrat verzichtet bewusst darauf, dieses schützenswerte Gut für Event-Massen anzugreifen. “Wir haben hier auch eine Verpflichtung gegenüber unseren Nachkommen”, betont der Bürgermeister. Ein privater Rotwild-Zirkus wie auf der anderen Seite mit wochenlangen Wege-Blockaden käme im Tegernseer Bergwald nicht vor.

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Auch im Winter läuft es sich zur Neureuth. Foto: Redaktion

Hagn kann sich das leisten, weil er diese Almen verpachtet. Anders in Kreuth …

Kreuth: Tegernseer Hütte, Siebenhütten …

Sepp Bierschneider ist Bürgermeister für Kreuth. Er hat in seiner Kommune eine Handvoll Almgaststätten. Alle bestehen schon seit Jahrzehnten bestehen, aber keine gehört der Gemeinde Kreuth. “Bei unseren Amwirtschaften wurde nicht wie bei der Saurüsselalm etwas Neues geschaffen. Tegernseer Hütte oder Siebenhütten – die sind schon seit Jahrzehnten gastronomisch betrieben worden. Aber da hatte keiner die Idee, Sonderveranstaltungen anzubieten.”

Also kein Firmenjubiläum auf 1650 Metern in der Tegernseer Hütte oder Promi-Geburtstage in Siebenhütten? „Unsere bestehenden Almwirtschaften bzw. Berggaststätten sind schon durch die Vorgaben in ihren Gaststättenkonzessionen von der Nutzung her beschränkt. Eine Ausweitung der bestehenden Nutzung zu Event-Gastronomie kann ich mir – auch angesichts unseres Bergsteigerdorf-Konzepts – nicht vorstellen“, sagt uns Sepp Bierschneider und weiß den gesamten Gemeinderat hinter sich: 2022, als Betreiber Josef Bogner die Siebenhütten umbauen ließ und sein Konzept vorstellte, hieß es im Gemeinderat im November 2022: “Uns ist es ganz wichtig, dass die Abendnutzungen ausgeschlossen sind. Wir sehen das Problem ja jetzt in anderen sogenannten Almwirtschaften, dass das ausgenutzt wird. Es soll eine einfache Wanderwirtschaft bleiben und keine Eventlocation werden.”

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Reicht das, um das Bergglück zu spüren? Foto: Redaktion

Was, wenn es brennt?

Nun muss an dieser Stelle folgendes erklärt werden: Almwirtschaften haben eine Konzession. Die wird nicht von der Gemeinde verteilt. Zuständig ist das Landratsamt in Miesbach. Die dortigen Abteilungen prüfen baurechtlich und gewerberechtlich, ob eine Konzession an einen Betreiber gehen kann. Natürlich wird die Kommune in diesen Entscheidungsprozess eingebunden.

Das hat sehr gute Gründe. Beispiel Baurecht: Bei einem Brand 2015 in einem für Events genutzten Bauernhof in Schneizlreuth, Landkreis Berchtesgaden, starben sechs Menschen. Der Betreiber hatte nicht die vorgeschriebenen Brandschutzvorkehrungen getroffen.

Der Veranstalter sowie der damalige Bürgermeister wurden zu Haft- und Bewährungsstrafen verurteilt. Es sei hier daran erinnert, dass die Saurüsselalm in trockenen Monaten unter akutem Wassermangel leidet. Das könnte ein Anschluss an die kommunale Wasserversorgung verhindern, hätte im Brandfall ja auch Vorteile …

Jedenfalls kontrollieren die Behörden seither in Berchtesgaden verstärkt, ob die Vorschriften zu Brandschutz, Trink- und Abwasser, Hygiene und Umweltschutz auch auf den Almen und Hütten in den Bergen umgesetzt werden.

Am Westufer: die hässliche Schwester

Am Ende liegt es im Wesentlichen an den Kommunen vor Ort, wie es ihre Bergwälder gastronomisch genutzt werden. Im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung können die Räte entscheiden, wie ihre Kommune touristisch genutzt wird. Ist eine Binse, wird aber in der konkreten Umsetzung komplex. Lange Jahre ging in Bad Wiessee nichts voran.

Man sprach von der hässlichen, alten Schwester am Westufer, die einst ein attraktiver Kurort attraktiv war, dann aber in einen jahrelangen Dämmerzustand verfiel. Bürgerinnen forderten vom neuen Bürgermeister Veränderungen, mehr gastronomische Angebote für die Feriengäste. Robert Kühn, der Bürgermeister von Bad Wiessee lieferte. Aber hat er mit Haslbergers Event-Wünschen einen Geist aus der Flasche entlassen, den er nicht mehr einfangen kann?

Und wie geht es am Westufer weiter? Der Sprecher des Unternehmers Franz Haslberger kündigte im Gespräch mit dem Bayerischen an, man werde einen überarbeiteten Bauantrag stellen und den Betrieb vorerst weiterlaufen lassen. Uns gegenüber schreibt der Sprecher: “Wir bieten den vielen Wanderern und Besuchern des Söllbachtals solange es geht eine gastronomische Versorgung, dabei richten wir uns natürlich nach den Vorgaben der Behörden.“

Einspruch kommt vom Landratsamt Miesbach: Der Verzicht auf die Baugenehmigung bedeutet nach Ansicht der Behörde, wie sie auf BR-Anfrage mitteilt, dass es rechtswidrig sei, die Saurüsselalm weiterzubetreiben. Uns schreiben sie nach der Verhandlung im Bayerischen Verwaltungsgerichtshof im September, dass man noch ermessen müsse, ob “ein bauaufsichtliches Einschreiten” verhältnismäßig sei.

Aber nun ist gleich Oktober, die Saison neigt sich nach der Wiesnzeit dem Ende zu. Vielleicht schließt Halsberger oben zu, um unten in der “Klause” weiter am Abend Events anzubieten … Optionen gibt es viele.

P.S. Zum Wiesn-Auftakt wurde wohl in der Saurüsselalm exklusiv gefeiert, es war “ausreserviert.”

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