Üben den Bauernaufstand: Landwirte im Tegernseer Tal

Die Landwirte machen mobil. Deutschlandweit rollen nächsten Montag Traktoren in allen Größen in die Hauptstädte. Wer kann und darf, ist besser im Homeoffice aufgehoben. Aus Elterntaxis sollen bitte Fahrgemeinschaften werden, rät die Polizei fürsorglich.

Es betrifft alle; nur was? Wird übrigens kleingeschrieben, weil Fürwort oder Indefinitpronomen. Foto: Redaktion

Das Landratsamt Miesbach warnt vor branchenübergreifenden Streiks und Demonstrationen. Die BRB mahnt, dass es aufgrund der “Landwirte-Demo” zu Verspätungen und Zugausfällen kommen kann.

Was wir wissen …

Klar ist, dass die Proteste frühmorgens beginnen und bis in den Nachmittag dauern werden. Eine Traktor-Kolonne wird nach München fahren und von einem Polizei-Konvoi begleitet, aber “nicht auf der Autobahn”, versichert Kreisbäuerin Brigitta Regauer vom Bayerischen Bauernverband. Das Polizeipräsidium Oberbayern Süd meldet, dass sich um die zwanzig “fortbewegende Versammlungen” angemeldet haben und geht von einem “Großeinsatz” aus, so Lisa Maier vom Polizeipräsidium Oberbayern Süd.

Ab 6.00 Uhr werden demnach die Protestierenden auf den Straßen Richtung Münchner Odeonsplatz unterwegs sein. Auf der Kundgebung in München werden bis zu 5.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer erwartet.

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Was nicht …

Wie viele Protestler aus dem Oberland und dem Tegernseer Tal darunter sind? Keine Ahnung. Wie viele Verschwörungstheoretiker, Esoterikerinnen und Reichsbürger die Umzugsgaudi unterwandern?

Auch hier: “Wir können nicht sagen, wer sich der Demo anschließt, aber wir haben das auf dem Schirm”, versichert Maier. Auch das Landratsamt Miesbach hält sich vornehm zurück und warnt vor “branchenübergreifenden Streiks und Demonstrationen” sowie “weiteren Demos”.

Ebenso Michael Janski, Dienststellenleiter der Holzkirchner Autobahnpolizei, muss passen: “Wir stochern selbst im Nebel, wir wissen nicht, was wir erwarten können”. Aber dass der Protest “riesig groß wird”, davon geht Janski aus und dass es am “Samstag und Sonntag noch dynamische Entwicklungen gibt.”

Eine Dynamik: Zahlreiche WhatsApp-Gruppen mit vielversprechenden Namen wie “Tegernseer Tal im Widerstand”, die den digitalen Bauernaufstand üben. Das Auffangbecken für echte Landwirte, braune Avatare und Freunde rechter Gesinnung, lässt nichts Gutes erahnen. Dazu schreiben wir ihnen noch eine Einordnung, der Kollege hat es ein paar Stunden in den Chats der Wut-Bauern-und-Konsorten ausgehalten. Bis ihn Mausi86 (Name von der Redaktion geändert) aus dem Channel rausgeworfen hat.

Warum nochmal?

Warum es überhaupt weiterhin nötig sei zu demonstrieren, wo doch die Bundesregierung einige der Agrarkürzungen zurücknimmt? So sollen landwirtschaftliche Maschinen weiterhin von der Kfz-Steuer befreit bleiben und auch an das Diesel-Privileg traut sich die Regierung nur noch scheibchenweise ran. Der Bauernverband will, dass die “Streichung der Rückerstattung der Energiesteuer auf Agrardiesel” wieder “gestrichen” wird; sie haben es halt lieb, das Steuerprivileg.

Ein Argument für die Anti-Kfz-Steuer? Sie würden ja mit ihren Traktoren keine staatlichen Straßen nutzen. Das leuchtet kurz ein, wenn man an Autobahnen denkt. Oder an Kraftfahrzeugstraßen. Aber Bundesstraßen? Auf Bundesstraßen darf der Traktor durchaus fahren. Egal ob mit grünem oder schwarzen Kennzeichen. Siehe tägliche Überholmanöver der Münchner Pendlerinnen auf den Bundesstraßen im Landkreis Miesbach.

“Der Diesel wird immer fälschlicherweise als Subvention benannt, dabei ist das eine Steuerrückerstattung, die wir bekommen”, erklärt Regauer und weiter: “Wenn das das Einzige wäre, wäre der Aufschrei nicht so groß”. Sie erklärt den Unmut der Landwirtinnen und Landwirte damit, dass sie im Jahr 2023 zahlreiche Kürzungen oder Neuauflagen aufs Auge gedrückt bekommen. “Das Korsett wird immer enger, das verschnauft ma nimma.”

Als Beispiele nennt Regauer die zunehmende Bürokratie, etwa die Dokumentationspflicht in der Tierhaltung, aber auch die Verschärfung der Wasserschutzzonen, die Weidebetriebe an ihr Limit bringe. Weil dann zum Beispiel die Kuh hier nicht mehr weiden darf, ein anderer Ort für die Gülle gefunden werden muss. Seit März gilt eine neue Trinkwasserverordnung: Sie sieht größere Schutzzonen vor, die Abstand halten zu alten Müllplätzen, Gewerbegebieten und extensiv landwirtschaftlich genutzten Wiesen.

Ein Hintergrund der Verschärfung? Auch in Bayern wird das Wasser knapp. Ein Bauer, der wirtschaftliche Einbußen hat, kann Ausgleichsleistungen beantragen. Muss man deswegen auf die Straßen gehen? Muss man nicht, kann man aber. Das nennt sich eben Demokratie.

Appelle zum friedlichen Protest

Zudem: Innenminister, BBV-Präsident und LSV-Vorsitz haben sich auf einer gestrigen Pressekonferenz noch mal klar positioniert, “alles für einen friedlichen Verlauf der Aktionsprotestwoche der Landwirte kommende Woche zu tun”. Doch wie sehr hat das der Verband in der Hand, wenn auch gewaltbereite Menschen ankündigen mitlaufen zu wollen? Dass es sich dabei nicht nur um Ankündigungen handeln muss, zeigen beispielhaft die Szenen in Schleswig-Holstein und sollten allen zu denken geben, wem sie hier als Beifang medienwirksam Aufmerksamkeit zukommen lassen.

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