Wer schmusen will, muss nett sein

Man kennt’s aus dem privaten Umfeld: Wer Spaß haben will, sollte es sich mit seinem Umfeld nicht verscherzen. Die Gruppe der Zweitwohnsitzler kennt das nur zu gut. Jahrelang machte man sie im Tal oft als Hauptschuldige für knappen Wohnraum, das Einschlafen kultureller Aktivitäten und vermutlich auch für die hohen Mietpreise aus. Doch nun sollen die “Sündenböcke” helfen.

Neue Idee in Wiessee: Jalousien der Zweitwohnsitzler hoch für Geflüchtete aus der Ukraine.

Ein Kommentar von Nina Häußinger:

Bürgermeister kassierten mit der Zweitwohnungssteuer ab, um mit den Erlösen kommunales Eigentum zu erwerben oder einfach den Haushalt zu sanieren. Andere lehnten das – eigentlich vom Grundgesetz verbriefte – Recht auf einen zweiten Wohnsitz schlicht ab, verboten es in Teilen ihrer Gemeinde. Kaum je einer wollte seine Hand für diese Parias des Tal-Wohnraums heben.

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Es ist das allseits bekannte Tegernsee-Paradoxon: Euer Geld nehmen wir, aber euch haben wir nicht so gern hier. Denn an den Zweitwohnlern verdient die hiesige Gastronomie, der Einzelhandel oder das Handwerk. Sie zahlen also direkt und indirekt Steuern. Aber das Image war und ist schlecht.

Jalousien hoch für Geflüchtete

Jetzt aber schlägt die Stunde der Teilzeit-Bewohner mit runtergezogener Jalousie – so zumindest die Idee der SPD: Denn Flüchtlinge aus der Ukraine, die Wiessees Bürgermeister Robert Kühn mit großer Geste in die Gemeinde holte, finden ab Ostern mit Mühe Platz, viele Ferienwohnungen müssen für Touristen geräumt werden. Das Landratsamt hilft da auch nicht auf die Schnelle.

Was liegt für Kühn und seine Genossen da näher, als in Richtung Zweitwohnungs-Besitzer zu schielen? Man kann nichts falsch machen: Machen diese die Türen auf, ist das nur redlich und ein Erfolg für die Briefeschreiber. Bleiben die Jalousien unten, hat man wieder den Beweis für die fehlende Ortssolidarität der Teilzeitbürger.

Vielleicht mal nachgedacht

Nur: Die Gruppe ist mittlerweile hartleibig geworden. Ständige Steuererhöhungen und unverhohlene Ablehnung, auch durch die örtliche Politik, haben den Menschen aus Nürnberg, Haidhausen oder Waiblingen ein dickes Fell verschafft. Wenn dann noch Kühn von “wir wollen die Menschen zum Nachdenken bringen” spricht, könnte das bei den Angeschriebenen eher so halb gut ankommen.

Und Obacht, liebe Zweitwohnende: Wer jetzt sein Apartment für Familien öffnet, könnte bald das saure Aufstoßen angeregt von schwerer Undankbarkeit spüren. Der Haushalt der Gemeinde Bad Wiessee zum Beispiel ist extrem angespannt. Man muss kein Hellseher sein: Die Zweitwohnungssteuer in den Gemeinden könnte bald steigen… Aber dann hat man, wie vom ein oder anderen Bürgermeister gefordert, vielleicht auch mal nachgedacht – so als Zweitwohnsitzler.

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