Andrea Köstler im Schreibwarenladen geht es heute hektisch zu. Zeit für ein Gespräch hat sie keine. „Hier ist die Hölle los“, lässt sie uns wissen. Die Techniker seien gerade dabei, alle Sachen abzubauen. Denn morgen ist Andrea Köstlers letzter Tag in dem Laden, der ihren Kindheitstraum wahr werden ließ.
20 Jahre lang stand die gebürtige Tegernseerin von morgens bis abends hinter ihrer Ladentheke. Das kleine Schreibwarengeschäft in der Bahnhofstraße in Tegernsee ist ein Relikt aus jenen Zeiten, als noch nicht bei Amazon bestellt wurde. Statt übertriebener Hektik und Eile gab es hier immer ein Schwätzchen und ein Lächeln.
Andrea Köstler liebt ihre Kunden, ihre Kunden lieben sie. Doch jetzt hat die Realität an ihre Ladentür geklopft. Nicht nur, dass der Druck der harten Konkurrenz von Online-Shops und Discountern schlichtweg zu groß geworden ist, sondern auch die Deutsche Bank hatte ihr zum 31. Oktober das zweite Standbein gekündigt: die Postfiliale, die Andrea Köstler vor etwa 15 Jahren in den Laden integriert hatte (wir berichteten).
Doch kein nahtloser Übergang
Auslöser für die Kündigung war die Fusion der Postbank mit der Deutschen Bank. Im Zuge dessen wurde der Rotstift angesetzt: Insgesamt 60 Postbank-Filialen mussten schließen. Die Filiale von Andrea Köstler war eine davon. Doch allein vom Verkauf der klassischen Schreibwaren-Produkte konnte die Einzelhandelsfrau nicht leben. Aus diesem Grund wird Andrea Köstler morgen zum letzten Mal in ihrem Laden stehen, bevor sie ihn dann abends um 18 Uhr für immer schließt. Was danach kommt? Sie weiß es noch nicht.
Auch die Deutsche Post DHL Group weiß bislang nicht, wie es in Tegernsee weitergeht. Wie deren Pressesprecher Erwin Nier heute auf Nachfrage mitteilt, werde es „leider keinen nahtlosen Übergang geben“. Man befinde sich zwar in „vielversprechenden Gesprächen mit potenziellen Partnern“, aber noch sei nichts spruchreif.
Tegernsee ab Freitag vorerst ohne Post
„Solange die Tinte auf dem Papier nicht trocken ist“, so Nier, werde man sich auch nicht dazu äußern. Er hofft allerdings, dass dies in den nächsten Tagen der Fall sein wird. Man bemühe sich redlich um eine schnelle Lösung, versichert der Pressesprecher. Sobald der Vertrag mit einem möglichen Partner unterschrieben sei, werde man sich darum kümmern, vor Ort durch entsprechende Umbaumaßnahmen die technischen Voraussetzungen zu schaffen.
Fakt sei, dass die Stadt Tegernsee ab Freitag erst einmal keine neue Postfiliale habe. Dass es aber eine geben muss bei mehr als 2.000 Einwohnern (Tegernsee hat etwa die doppelte Anzahl) schreibt die sogenannte Post-Universaldienstleistungsverordnung vor. Wer als etwas aufzugeben hat, muss dies in der Postfiliale beim Supermarkt REWE in der Tegernseer Straße in Gmund tun, oder aber in der Nördlichen Hauptstraße in Rottach-Egern. Indes dreht Andrea Köstler ihren Ladenschlüssel morgen um 18 Uhr ein letzes Mal nach links.
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