Lederers letzter Gang

Ex-Hotelier Josef Lederer und die Gemeinde Bad Wiessee – eine langjährige Fehde. Der 79-Jährige beharrt auf Schadensersatz für das, was ihm die Gemeinde angetan hat. Gestern war eine ganze Gerichtsdelegation bei ihm vor Ort. Ein Verwandter begleitet ihn auf seinem letzten, schweren Gang.

Der 79-jährige Josef Lederer auf dem Weg zu seinem vielleicht letzten Gerichtstermin. / Foto: N. Kleim

Das Hotel Lederer in Bad Wiessee hat seit Jahren keine Gäste mehr gesehen. An den Fenstern hängen abgerissene Jalousien. Innen bröckelt der Putz von den Wänden. Der Schimmel bahnt sich seinen Weg durch das alte Gemäuer. Außen verrotten Stühle, die so aussehen als lägen sie seit Jahrzehnten da. Das Wasser aus dem Steinbrunnen dort drüben? Längst versiegt.

Genauso aufgebraucht wirkt auch Josef Lederer, der in diesem Moment aus der Eingangstür tritt. Vorsichtig steigt der 79-Jährige die wenigen Stufen hinunter. Jahrelang hat er für den Erhalt seines Hotels gekämpft. Heute kämpft er um Geld. Schadensersatz will er haben. Dafür, dass ihm sowohl die Gemeinde Bad Wiessee als auch das Landratsamt im Jahr 2007 nicht erlaubt haben, 17 seiner Hotel-Appartements zu verkaufen.

Anzeige

Lederer kämpft. Und kämpft. Und kämpft.

Mit dem Erlös hätte er das Hotel sanieren, die restlichen Hotelzimmer erhalten und die Schuldenlast reduzieren können, sagt der 79-Jährige. Die Gemeinde habe ihm dies damals mit der Begründung verwehrt, es sei „schädlich für den Fremdenverkehr“, wenn die Bettenanzahl reduziert werde. Das Hotel musste zwangsversteigert werden. Lederer klagte. „Man hat uns unser Hotel weggenommen“ – ein Satz, den er bis heute unermüdlich wiederholt.

Richterin Cornelia Dürig-Friedl vom Münchner Verwaltungsgericht sieht das anders. Das Verfahren sei damals auf eigenen Wunsch von ihm abgesetzt worden, macht sie deutlich. Genau aus diesem Grund sei es am 18. April 2008 zum Erliegen gekommen. Deshalb könne sie ihre Entscheidung heute relativ schnell treffen: „Eine Fortführung der Klage ist mit dem Verkauf des Hotels an Thomas Strüngmann um.“ Nur der Eigentümer könne einen Antrag auf Teilungsgenehmigung stellen. Da Lederer aber seit 2011 nicht mehr Eigentümer des Hotels ist, sei die Klage abgewiesen. „Die Sache ist erledigt.“

Ein naher Verwandter steht Lederer bei

„Auch wenn alles verkauft ist, hat man noch Rechte!“ schleudert Lederer der Richterin zornig entgegen. „So schnell bringen Sie mich nicht los.” Er müsse hier schon ohne Anwalt verhandeln, regt sich der 79-Jährige weiter auf, und dann „überfällt“ ihn auch noch eine ganze Gerichtsdelegation. Lederers Beistand, ein naher Verwandter von ihm, der aber namentlich nicht genannt werden will, meldet sich plötzlich zu Wort.

Josef Lederer (Mitte) will Gerechtigkeit und kämpft um Schadensersatz. Er ist umringt von einer Delegation des Münchner Verwaltungsgerichts. / Foto: N. Kleim

„Der Verkauf war nötig, um das Hotel zu erhalten. Dem Kläger drohten damals erhebliche wirtschaftliche Nachteile“, verteidigt er die Schadensersatzansprüche Lederers. Er verweist auf die Härtefallregelung laut Baugesetzbuch (Bau GB) und das Rechtsschutzbedürfnis Lederers. Außerdem widerspricht er der Satzung, nach der die Teilungsgenehmigung von der Gemeinde abgelehnt worden war.

Lederer fordert Millionen

Die Verhandlung wird für fünf Minuten unterbrochen. Akten werden durchforstet. „Wenn die Genehmigung bestehen würde, wäre die Klage unzulässig“, macht Dürig-Friedl dem Beistand von Lederer klar. Dieser schaut in die Akten. Martin Walch, anwaltlicher Vertreter der Gemeinde, erklärt, dass kein Rechtsschutzbedürfnis bestehe. Diese Voraussetzungen seien bereits zweimal geprüft worden: Einmal vor dem Landgericht München II und einmal vor dem Oberlandesgericht.

In diesen Verfahren sei bereits festgestellt worden, dass eine Schadensersatzklage in Höhe von drei Millionen Euro, so wie Lederer sie fordert, keine Aussicht auf Erfolg habe. Diese Summe war die Differenz zwischen den 6,2 Millionen Euro, die Lederer 2011 für sein Hotel bekommen hat und der, die er hätte erzielen können: 9,2 Millionen Euro.

Lederers Verschwörungstheorie

„Sie haben doch alle nur ein Ziel“, mischt sich Lederer wieder ein, der sich inzwischen in den Schatten gesetzt hatte, weil er die Sonne nicht mehr erträgt. Dann wird er ausfallend. „Jetzt lassen wir doch die Kackerei um den Scheiß! Sie wissen doch gar nicht, um was es geht.“ Der Richterin droht er: „Überlegen Sie sich ihr Urteil gut. Ich habe schon einmal gegen den Freistaat geklagt.“

Lederer hat es sich im Schatten bequem gemacht. / Foto: N. Kleim

Er bleibt dabei: Bank und Kommune hätten ihn absichtlich ruiniert, um seinen Familienbesitz an den Unternehmer Strüngmann günstig zu veräußern. Was Lederer besonders in Rage bringt: Strüngmann dürfe jetzt genau das machen, was ihm verwehrt wurde: Wohnungen bauen. Jetzt schaltet sich Wiessees Bürgermeister Peter Höß ein: „Für die hier vorliegende Fläche gibt es keinerlei Planung hinsichtlich Wohnungen. Nach wie vor geht es nur um eine Hotelbebauung.“

Offen sei allenfalls die angrenzende Fläche auf dem ehemaligen Spielbankgelände. Noch gebe es allerdings keine Planung. „Können Sie ausschließen, dass hier Wohnungen gebaut werden?“ hakt Lederers Beistand an Höß gewandt nach. Der bestreitet eine solche Planung. Zu dem Vorwurf, er habe das Hotel bei Lederers Investoren schlecht geredet, nimmt Höß im Anschluss Stellung: Er hätte lediglich auf die Brandschutzauflagen und die Hochwassergefahr aufmerksam machen wollen.

Ein Gnadenakt für Lederer

Richterin Dürig-Friedl schlägt Lederer und dessen Beistand vor, die Klage zurückzuziehen. Die Beigeladenen versichern im Gegenzug, auf einen Kostenantrag zu verzichten. „Ein Gnadenakt im Hinblick auf das Alter und die Gesundheit des Klägers“, wie die Richterin verdeutlicht.

Doch Lederer will die Klage keinesfalls zurückziehen. Der Beistand bittet um Zeit, die Sache in Ruhe mit Lederer zu besprechen. Auch im Hinblick auf das Kostenrisiko und die Tatsache, dass die Klage keine Aussicht auf Erfolg hat. Die Richterin geht unruhig hin und her. Dann räumt sie dem Kläger eine einwöchige Frist ein, die Klage zurückzuziehen.

Lederer sitzt in seinem Schattenplatz. Die Gerichtsdelegation verlässt das Grundstück. Zurück bleibt ein gebrechlich wirkender Mann, dessen einstiges Hotel im Herbst abgerissen werden soll. Bis dahin hat er noch Wohnrecht. Dann wird er wohl eine Sozialwohnung beantragen müssen, denn über Einkünfte verfügt der 79-Jährige nicht. Im Hintergrund bröckelt der Putz unaufhörlich von den Wänden.

Ein Stück Hoffnung auf Lederers Grundstück. / Foto: N. Kleim

SOCIAL MEDIA SEITEN

Anzeige
Aktuelles Allgemein

Diskutieren Sie mit uns
Melden Sie sich an und teilen Sie
Ihre Meinung.
Wählen Sie dazu unten den Button
„Kommentare anzeigen“ aus

banner