Seit Jahren besteht im Freihaus Brenner ein Anbau. Hier wurden viele Geburtstage und Hochzeiten gefeiert. Der FC Bayern war zu Gast. Nur eine Kleinigkeit fehlte all die Jahre: Eine richtige Baugenehmigung. Etwa ein Schwarzbau? Ist das, was andernorts ein Aufreger wäre, in Bad Wiessee nur eine “Bereinigung”?
Das Freihaus Brenner ist nicht irgendein Restaurant. Es ist DAS Traditionslokal am Westufer. Das Ehepaar Christine und Josef Brenner hat es über Jahrzehnte mit viel Energie, Professionalität und gutem Geschmack zu einer überregional bekannten Gastro-Marke entwickelt. 2018 übergaben sie es an Max und Katharina Jäger.
Das Vorzeige-Restaurant am Westufer
Hier oben, in Wurfweite zum Uli-Hoeneß-Anwesen, isst man am Wochenende gern, aus München kommend, mit der Familie, macht hinterher noch einen kleinen Spaziergang zur Prinzenruh, blickt hinunter auf den Tegernsee, ehe man sich wieder zurück in die Landeshauptstadt begibt. Mit seinen Krustentiertagen im November eines jeden Jahres ist dem Gastronomen Jupp Brenner ein Event eingefallen, um den ihn mancher Kollege am See beneidet. Jupp Brenner ist ein alteingesessener Wiesseer. Seiner Familie gehörten begehrte Grundstücke in Seenähe, die gegen Widerstände vieler zum “Brennerpark” vergoldet wurden. Brenner wusste und weiß die geschriebenen und ungeschriebenen Regeln im Ort zu spielen, verfügt stets über gute Kontakte. Er kann außergewöhnlich gesellig sein und ist ein großartiger Gastgeber. Ungemütlich hingegen wurde und wird es, wenn Brenner nicht seinen Willen bekommt. “Der hat auch gern mal rumgeschrien im Rat”, erzählt ein alter Parteifreund Brenners. Der Gastronom war lange Zeit für die CSU im Gremium am Westufer, ehe er 2013 austrat und mit anderen in den Wiesseer Block der Freien Wähler übertrat.
Der fliegende Freihaus-Bau
Noch in seiner Zeit als Gemeinderat baute Brenner hoch oben über dem Tegernsee sein Domizil umfangreich aus. Vor Jahren kam ein Provisorium dazu. Das kam jetzt in der jüngsten Wiesseer Gemeinderatssitzung auf die Tagesordnung: Im südlichen Teil, also jenem Bereich, der zum Parkplatz “schaut”, soll Neues entstehen. Konkret soll aus einem Provisorium ein fester Bauteil werden – diesmal mit Genehmigung. Aber das ist nicht so einfach: Laut Vorbescheidantrag ist anstatt des bisherigen provisorischen Anbaus ein „seitlich etwas herausgedrehter neuer Baukörper vorgesehen“. Dort sollen eine Küche sowie ein Gastraum mit Bühne entstehen. Dazwischen kommt auch noch ein Verbindungsbau, indem laut Antrag eine “Lobby und Toiletten” gedacht sind. Das alles wird natürlich in die Breite gehen. Die bisherigen Baugrenzen werden überschritten. Das Baufenster werde um etwa 208 Quadratmeter überschritten. Der Weg am Freihaus vorbei müsste dann auch verlegt werden. Man braucht eben Platz.
Und das ist – nun ja, ein wenig knifflig. Denn dafür müsste der Bebauungsplan geändert werden, so mahnte das Landratsamt, die stets für bekannte Bauherrn freundlich gestimmte Behörde in Miesbach. Na und? Doch nur Formsache, oder? Bebauungspläne sind Satzungen. Sie enthalten verbindliche Festsetzungen und bestimmen, wie die Grundstücke bebaut werden dürfen. Offiziell stellen die Gemeinden Bebauungspläne auf, um die städtebauliche Entwicklung und Ordnung in der Gemeinde zu steuern. Das da oben ist schon sehr Außenbereich. Neben dem Hoeneß-Anwesen stehen weiter südlich noch drei Häuser. Sonst ist da nur Wald und Wiese. Aber wenn anderswo Außenbereiche bei Bauwünschen sakrosankt sind, sieht man es in Bad Wiessee “differenzierter”.
Genehmigung via Menükarte?
Da kommen neue Bewertungsmerkmale ins Spiel, die nicht so richtig juristisch greifbar sind. Zum Beispiel: Ist das Essen dort lecker? Schicke ich da gern meine Ferienwohnungsgäste hin? Klingt wenig überzeugend, ist aber am Westufer als legitimes Argument im Gemeinderat durchgegangen. Selbst Sozis wie Bernd Kunze-Fechner argumentierten: “Das ist ein wichtiger gastronomischer Betrieb.” Florian Sareiter von der CSU schwärmte vom Essen. “Das ist eine hervorragende Gastronomie da oben.” Wenn’s köstlich ist, wird’s genehmigt. Und so stimmte der Gemeinderat von Bad Wiessee einstimmig für den Umbau. Nun fragen sich manche, ob solch mildes Verständnis für Schwarzbauten rechtlich für alle gilt? Oder werden Bauordnungen nach der Menükarte vergeben? Oder ist das nur das übliche Gerede im Tal über vermeintliche Vorteile von Promi-Wirten? Denn Bad Wiessee sich hat mit den jahrelangen Bautätigkeiten des Betonbarons Haslberger einen gewissen Ruf im Tegernseer Tal erworben. Ist der Freihaus-Anbau das Ergebnis eines ansteckenden Fehlverhaltens?
Jupp, wie immer, auf der Zinne
Fragen wir die Bauherrn, Jupp Brenner und Max Jäger selbst. Jupp Brenner ist, natürlich, empört: “Da war nichts mit einem Schwarzbau. Es ging alles mit rechten Dingen zu”, erklärt er uns. Und dann erklärt die Historie des Anbaus. Vor Jahren habe Audi einen Event am und im Freihaus veranstaltet. Eine Autoreihe sei eingeführt worden. Dazu brauchte es mehr Platz, man habe ein Provisorium geschaffen. Das sei auch genehmigt worden. Als Max Jäger übernommen habe, seien weitere Genehmigungen erfolgt. Jetzt sollte aus dem Provisorium ein ordentliches Bauwerk werden. “Der Gemeinderat hat da ohne Gegenstimme zugestimmt”, betont Brenner. Man könne doch einem Unternehmer nicht so die Steine in den Weg legen. “Der Max Jäger hat die Pandemie überstanden, will den Wert, den wir über Jahrzehnte geschaffen haben, ausbauen. Das ist doch im Interesse der Kommune und auch anderer touristischer Betriebe im Tal”, sagt Brenner. Jeder Bauschritt, das sei ihm wichtig, sei mit den Behörden, ob Landratsamt oder Gemeinde, immer abgestimmt und abgesichert worden.
Und Max Jäger? “Das war zu Beginn ein sogenannter “Fliegender Bau”, wie ein Bierzelt zum Beispiel. Wir haben dafür immer Genehmigungen gehabt, es 19-mal auf und abgebaut, was erhebliche Kosten verursachte. Eben diese Kosten sind uns besonders in der Pandemiezeit schwer ins Kontor gefahren. Also wollten wir das auf ordentliche Füße stellen, haben einen Bauantrag für einen festen Anbau gestellt. Das Landratsamt hat generell zugestimmt, wollte aber den Bau etwas zurückgesetzt sehen, damit Besucher, wenn sie von unten hinauf zu uns kommen, den freien Blick auf das Freihaus haben. Wir haben das in den Planungen berücksichtigt. So wurde ein Bauantrag eingereicht.”
Was von der Schwarzbau-Diskussion übrigbleibt
Wir fragen den Bürgermeister Robert Kühn, ob das alles so stimme. “Grundsätzlich hat in unserem Ort keiner eine besondere Freiheit zu bauen, nur weil er Gastronom ist. Die Betreiber des Freihauses haben baurechtlich alle rechtlichen Vorgaben und Schritte eingehalten. Wir sind aber auch in der Tat froh, dieses Restaurant in der Lage auch in den nächsten Jahren zu haben.” Da ist sie wieder, die Betonung der touristischen Wichtigkeit. Aber Kühn legt noch einmal Wert darauf, dass hier keine “Bau-“Geschenke” für Freunde gemacht wurden. “Mir ist die Gleichbehandlung sehr wichtig. Ob Luxus-Chalet oder Hotel-Neubau – das bayerische Gesetz und auch unsere Verwaltung vergeben keine Ausnahmen.” Gleichzeitig zeigt sich der Bürgermeister erfreut, dass sich der Gemeinderat einstimmig für den Anbau entschieden habe.
In der Tat kann man keine Parallele zu den Haslberger-Eskapaden erkennen. Der prägt jedoch damit die Wahrnehmung über Bauprojekte am Westufer und einem scheinbar willfährigen Gemeinderat. Denn hier liegt der Hase im Pfeffer: Jeder Umbau im Gastrobereich gerät dank der absurden Haslberger-Geschichten unter Kungelei-Generalverdacht. Im Fall “Freihaus” jedoch bleiben putzige Argumente diverser Gemeinderäte zur Brenner-Bautätigkeit und die üblichen Neid-Gerüchte im Tal zurück.
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