Holzkirchen
Container-Landschaft Moarhölzl ist startklar

Gestern hat das Landratsamt Miesbach ins Moarhölzl eingeladen: Die Unterkunft für Geflüchtete bei Holzkirchen ist einsatzbereit.

Landrat Olaf von Löwis vor Spind, im Hintergrund ein einsamer Bagger. Foto: Redaktion

Die Duplex-Container-Unterkunft steht wie eine verlassene Raumstation auf dem aufgerissenen Boden, umgeben von grünen Wiesen. Bagger stehen noch im Vordergrund, gleich daneben eine Hundeschule, und 500 Meter weiter ein Polo-Club. Seit zwei Jahren wird die “Container-Landschaft” geplant, wie sie Landrat Olaf von Löwis (CSU) in der Aufregung nottauft. Seit November wird daran gewerkelt. Ab Juni sollen hier 218 Geflüchtete in den 248 Containern leben, darunter sind auch Unterrichts-, Spiel- und Hausaufgabenräume.

Familien und Kinder

Landrat von Löwis (CSU) will vor allem Familien und Kinder unterbringen. Schließlich sind die Container Teil der Strategie, die Turnhallen im Landkreis wieder zu befreien: Im Gymnasiums Tegernsee, Miesbach und der Berufsschule Miesbach sind nach wie vor Flüchtlinge untergebracht.

Warngauer appellieren an Landkreispolitik

Hier haben wir über die Situation in Warngau geschrieben und den Vorschlag der Initiative “Warngau ist menschlich. Sie fordern Menschlichkeit in der Diskussion und dass sich alle Gemeinden an der Unterbringung beteiligen.

Anzeige

Drinnen riecht es nach Neubau, nach Farbe und einer Prise Kunststoff. Es ist sehr sauber und hell. Die Wände zwischen den einzelnen Zimmern wirken massiv. Sie versprechen ein Stück Privatsphäre und vielleicht auch Ruhe. “Es ist einfach wahnsinnig wichtig, dass wir transparent zeigen, wie die Flüchtlinge untergebracht werden”, begrüßt der Landrat seine Gäste, die sich im Halbkreis der zukünftigen Gemeinschaftsküche aufstellen.

Zahlen

Aktuell leben im Landkreis Miesbach 2160 Geflüchtete. Davon kommen 1045 Menschen aus der Ukraine, 1116 aus Afghanistan, Türkei, Jemen, Nigeria und Syrien. 2015 / 2016 haben im Landkreis 1200 Menschen Asyl beantragt. Es ging damals etwa um 35 Personen, wöchentlich untergebracht werden mussten. Aktuell sind es etwa alle zwei Wochen 50 Menschen, auch wenn über den Winter die Zahlen nach unten gegangen sind. Das LRA führt das auf “wetterbedingte Widrigkeiten” zurück und rechnet damit, dass die Zahlen wieder steigen.
Gerade ist ein Bus mit 50 Ukrainerinnen und Ukrainern angekommen.
In der Turnhalle des Gymnasiums Tegernseeleben leben aktuell 187 Personen, in der Turnhalle des Gymnasiums Miesbach 265, in der Berufsschule Miesbach 132.

Das ist neu. Noch vor wenigen Tagen lehnte das LRA einen Besuch der TS in der Turnhalle wegen “Persönlichkeitsrechten” ab. Von Löwis erklärt, dass sie haufenweise Presseanfragen bekämen, auch von Fernsehteams. Niemand dürfe in die Unterkunft. “Die Menschen schlafen da, die haben nur ein von einem Vorhang abgetrenntes Bett”, verteidigt er die Entscheidung.

Jetzt will er transparent sein. Links von Olaf von Löwis steht eine Abordnung des Landratsamts, die Presse, Polizeivertreter mit Händen in der Hosentaschen, ein gut gelaunter Bürgermeister aus Holzkirchen (Christoph Schmid, CSU) und der Gebäudemanager. Der Kreis schließt sich mit Damen von der Caritas und Engagierten aus dem Helferkreis.

Musterzimmer und Sicherheitsdienst

Die Gesellschaft läuft in ein Musterzimmer. Zwei schmale Betten auf 16 Quadratmeter. Die knallig rote Bettwäsche kämpft gegen die funktionale Inneneinrichtung an. Ein Spind, der einer amerikanischen College-Serie entsprungen sein könnte, ein Fenster mit Ausblick. Olaf von Löwis freut sich sichtlich über die menschenwürdige Unterkunft und nimmt sich Zeit, auf alle Fragen zu antworten.

“Das, was wir hier machen, baut auf den Erfahrungen 2015 auf”, sagt er und deutet auf eine Technikleiste, gleich neben dem Fenster. Anschlüsse für Telefon und Fernsehen sind vorgesehen und Internet sowieso. 2015 traf die erste Flüchtlingskrise den Landkreis. 250 Menschen waren damals genau hier in einer Traglufthalle untergebracht. Laut soll es gewesen sein und keine gute Wohnqualität. Die Menschen hingen vorm Rathaus ab, um ins BayernWLAN reinzukommen. Jetzt ist das Internet Teil der Repertoires.

Weiter geht es im Nebenbau und zum Büro für den Security-Dienst. Der ist rund um die Uhr vor Ort. Ein Büro mit eigener Toilette. Ein Traum. Dann zu den Gemeinschaftsbädern: Zwei im Untergeschoss und oben nochmal zwei. Die Wasch- und Duschräume sind für Männer und Frauen getrennt. Der Boden ist gefliest. Blitzneu und freundlich sieht das aus, nur ein Toilettensitz liegt auf den Fliesen und wartet auf seine Installation.

Bunte Bettwäsche, graue Bürokratie

Vor dem Fenster leuchtet ein futuristisches Blockheizkraftwerk vor dem bewölkten Himmel. Das macht die Einrichtung autark und regt Schmid zu einem Impulsvortrag an. Aus dem Helferkreis kommt die Frage, ob man nicht draußen Spielgeräte für die Kinder aufstellen könne? Teresa Nitsch, Abteilungsleiterin für Sicherheit und Kommunales im LRA verneint. Das müsse irgendwer instand halten und ja auch “kontrollieren”.

Ein Gas-Kraftwerk für das Container-Dorf, die Leitungen waren noch von der letzten Unterkunft da. Foto: Redaktion

Auch ein Nein zu Doppelsteckern und auf die Frage, ob sich die Bewohner einen Wasserkocher ins Zimmer nehmen dürfen. Ob man die Zimmer mit weiteren Möbeln einrichten könne, lautet eine weitere Frage. Da geht beim Gebäudemanager die Warnleuchte an: Erst will er alle Zimmer eingerichtet haben und betont, “alle Sachspenden müssen angemeldet werden”.

40 Fahrräder stehen für die neuen Gäste schon bereit, sie sollen für einen kleinen Preis abgegeben werden (da habe man schlechte Erfahrungen, wenn man was verschenke), 200 zugehörige Abstellplätze werden auch eingerichtet.

Begeisterung bei den Besucherinnen und Besuchern des Pressetermins

Max Niedermeier, Integrationsbeauftragter des Landkreises Miesbach, ist begeistert, “das ist eine super Anlage, sie ist perfekt organisiert und gut durchdacht”. Besonders glücklich ist er über die vier Unterrichtsräume, in denen tagsüber Deutschkurse oder auch Integrationskurse angeboten werden können. Niedermeier ist das Bindeglied zur Gemeinde und zum Helferkreis; er macht das ehrenamtlich, wie die etwa 20 Helferinnen und Helfer auch.

Die sind ebenfalls glücklich mit dem neuen Container-Stadtteil. “Die Kommunikation ist nicht immer so gut gewesen im Landratsamt”, gibt eine Ehrenamtliche zu, die sich bereits 2015 um Flüchtlinge gekümmert hat, “man hat den Eindruck, dass die Flüchtlinge auch willkürlich behandelt wurden”. Sie erklärt noch, dass der Gang ins Landratsamt die Geflüchteten zum Teil sehr nervös mache. Ihr Mann pflichtet ihr bei, dass das Landratsamt stellenweise überfordert war, doch beide sind von der neuen Unterkunft sehr angetan.

Lisa Richters von der Caritas freut sich, dass nicht mehr zwischen Tür und Turnhalle Beratungsgespräche führen müssen. Die Caritas bietet an vier Tagen die Woche eine Beratung an. Die Ehrenamtskoordinatorin sieht aber auch die Herausforderung, “Wir müssen uns üben mit einer Großunterkunft”. Wichtig ist ihr zu sagen, dass es immer um die “Hilfe zur Selbsthilfe” gehe und dass viele vermutlich gar keine Beratung mehr brauchen würden, weil sie schon länger im Landkreis sind.

Fünf Jahre Moarhölzl

Die neue Unterkunft soll fünf Jahre halten, dann besteht die Option auf Verlängerung. Gesamtkosten? Die wisse man noch nicht. Die Marktgemeinde Holzkirchen hat das Grundstück verpachtet, die Kosten übernimmt der Freistaat.

Am Schluss harren alle noch ein wenig auf dem Kies vor der Großunterkunft aus. Drei Kilometer weiter wird in der Nachbar-Gemeinde Warngau ein weit größerer Komplex entstehen. 500 Menschen sollen in dem Containerdorf im Gewerbegebiet Birkerfeld wohnen. Aktuell werden die Leitungen verlegt und die Tiefbaumaßnahmen stehen an. Die Proteste dagegen haben den Landrat stark getroffen.

Hier ist der Beweis, dass es vorwärtsgeht, wenn Menschen und Berufsgruppen an einem Strang ziehen. Doch wegprotestieren ist wohl für manche einfacher, als miteinander zu reden und dranzubleiben. Das nächste Mal gehe es auch deutlich schneller, verspricht von Löwis.

SOCIAL MEDIA SEITEN

Anzeige
Aktuelles Reportage

Diskutieren Sie mit uns
Melden Sie sich an und teilen Sie
Ihre Meinung.
Wählen Sie dazu unten den Button
„Kommentare anzeigen“ aus

banner