Energiepark samt Streichelzoo mitten in Rottach?

Das Thema Energie beschäftigt weiter die Lokalpolitik am Tegernsee. In Rottach wurde gestern ein Projekt vorgestellt, das die Wende in der südlichen Tal-Kommune voranbringen soll. War der Gemeinderat mutig?  

So soll er aussehen, der geplante Energiepark samt Streichelzoo in Rottach-Egern. / Quelle: Erneuerbare Energien Egern

Auf der einen Seite: Die Kißlinger Straße in Rottach-Egern. Ein riesiges Grundstück, vereinzelt ein paar Bäume und Sträucher. In den 80ger Jahren als Golfplatz genutzt, liegt es laut dem Besitzer seit etlichen Jahren brach. Nur noch zweimal im Jahr wird gemäht – das Heu geht als Spende an die Rotwildfütterung der Wallberger Jäger. Eine Platzvergeudung, wie der Besitzer findet.

Auf der anderen Seite: Steigende Energiepreise, aus der Not heraus geschlossene Gasdeals mit Ländern wie Katar und der drohende Klimakollaps. Auch hier in der Tegernseer-Tal-Blase, die meist von solch bundespolitischen Entscheidungen und Problemen abgeschirmt zu sein scheint, ist man sich bewusst: Energietechnisch muss sich etwas ändern.

Und nun? Die Gemeinden rund um den See beschäftigen sich seit Monaten immer wieder mit Energieeinsparungen, Photovoltaik-Anlagen oder Blockheizkraftwerken. Parteiübergreifend scheint man sich einig zu sein, dass eine Wende im Tal notwendig ist. So richtig vorpreschen will außer die Stadt Tegernsee dabei aber niemand. Besonders beim Thema Solarpark zeigen sich die anderen Gemeinden noch sehr zögerlich.

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Umso mehr sorgte gestern Abend im Rottacher Gemeinderat ein Energieprojekt-Antrag für Aufsehen – zumindest bei denen, die wussten, worum es geht. Denn nachdem Bürgermeister Christian Köck (CSU) den Tagesordnungspunkt vorlas, hieß es lediglich: „Wir haben in einer nicht-öffentlichen Sitzung Anfang November eine umfassende Präsentation seitens des Bauwerbers erhalten und daraufhin lebhaft und kontrovers diskutiert.“ In der öffentlichen Sitzung gestern Abend mit zahlreichen Zuschauern wurden die Pläne weder gezeigt noch erläutert.

Erneuerbare Energien Egern

Die TS hatte bereits vor der Sitzung Kontakt zu den Projekt-Entwicklern, sodass der Redaktion die Ideen und Pläne des Energie-Projekts vorlagen. Auf den bislang ungenutzten Flächen in der Kißlingerstraße möchte der Eigentümer zu 100 Prozent erneuerbare Energie erzeugen. Die Motivation dahinter: 

Als Urlaubsort benötigt Rottach-Egern zur Unterbringung in erster Linie Hotelbetten für seine Gäste. Hierbei steht meist das „sehr energieintensive“ Wellnessangebot als auch der Übernachtungspreis zu anderen Fremdenverkehrsorten im Wettbewerb. […] Wir benötigen ein komplettes Umdenken im Bereich der Energie und zwar nicht nur der Umwelt zuliebe.Webseite von „Erneuerbare Energien Egern“

Konkret geht es um drei Pfeiler auf dem Grundstück: Photovoltaik-Anlagen, ein mit Holz verschaltes Biomasse-Kraftwerk und eine Grundwasserwärmepumpe, über die die Energiegewinnung erfolgen soll. Zusätzlich soll ein frei zugänglicher Info-Stadel für Besucher und Schulklassen entstehen, in dem auch Schafe und andere Hoftiere unterkommen sollen. Zusammengefasst: Ein Energiepark mit Streichelzoo.

Bachmair-Erbengemeinschaft steckt hinter dem Projekt

Trotz der zentralen Lage sei das Grundstück aufgrund der angrenzenden Wohnbebauung und der Buchenhecken visuell abgeschirmt. Die Projekt-Entwickler betonen: „Die Fläche ist trotz ihrer zentralen Lage kaum zu sehen. Diese Uneinsehbarkeit reduziert die optische Belastung erheblich, wodurch das Vorhaben das Orts-und Landschaftsbild so gut wie nicht beeinträchtigt.“

Beantragt wird das gesamte Projekt von der Hotel Max Bachmair am See oHG, die durch Franz Herrmann, Patentanwalt und Schwiegersohn des 2015 verstorbenen Karl Rauh, vertreten wird. Die Offene Handelsgesellschaft besteht aus der Bachmair am See-Erbengemeinschaft, die das ehemalige Grande-Hotel 2019 in Erbpacht an die Hirmer Gruppe übergab. Die Villa Adolphine, das Parkhotel sowie das Sporthotel blieben in der Familie Rauh-Herrmann-Bachmair.

Als potentielle Verbraucher des Energieparks werden unter anderem der Kindergarten St. Josef, die evangelische Kirche, Personalhäuser und natürlich umliegende Hotels genannt. Nach TS-Informationen soll auch die Hirmer-Gruppe Interesse an dem Projekt gezeigt haben, um das Bachmair am See künftig mit Energie aus unmittelbarer Nähe zu versorgen.

E-Werk soll Projekt angeblich unterstützen wollen

Grundsätzlich ist das Projekt erst einmal unabhängig vom Tal-Versorger, dem E-Werk Tegernsee, geplant. Dies scheint allerdings wohl kein Problem darzustellen: „Gespräche mit dem E-Werk Tegernsee haben gezeigt, dass der örtliche Energieversorger das Vorhaben explizit begrüßt, Überproduktionen verwerten und die Infrastruktur (Leitungen, Verteiler) herstellen kann.“ Eine Win-Win-Situation für alle?

Der Gemeinderat sieht das völlig anders. Man habe sich laut Bürgermeister Köck sowohl in der nicht-öffentlichen Sitzung als auch auf einer Klausurtagung am vergangenen Samstag intensiv damit beschäftigt. „Wir haben auch das Landratsamt und andere Behörden abgefragt, wie deren Stellungnahmen ausfallen würden, sollten wir diesen Weg einschlagen, und die waren bislang alle kritisch und ablehnend.“ Köck nannte dabei den Emissionsschutz, den Klimaschutz, aber auch den Denkmalschutz im Hinblick auf die Auferstehungskirche. Der Rathaus-Chef betont:

Wir wollen nicht verhehlen, dass dieses Projekt durchaus zukunftsweisend ist und wir grundsätzlich aufgeschlossen sind. Aber wir als Gemeinde sind zu dem Schluss gekommen, dass es auf dieser Fläche nicht geeignet ist. Es geht hier um Verträglichkeit, die Gleichbehandlung im Ort und Bezugsfälle.Christian Köck (CSU), Bürgermeister der Gemeinde Rottach-Egern

Heißt: Die Gemeinde befürchtet, dass durch das Projekt andere Personen oder gar Landwirte auf die Idee kommen, PV-Anlagen für ihre Wiesen zu beantragen, wie Anton Maier (CSU) im Laufe der Sitzung deutlich machte: „Mit PV-Anlagen auf Grünflächen hab ich von Haus aus ein Problem.“ Man dürfe die Natur nicht mit Gewalt verschandeln. „Wir haben so viele Dachflächen in der Gemeinde, auf denen Platz wäre.“ Welche Dachflächen gemeint sind, ob kommunal oder privat, und vor allem wer die PV-Anlagen bezahlt, blieb in der Diskussion offen. 

„Energie-Wende ja, aber nicht hier“

Erwartungsgemäß meldete sich auch Thomas Tomaschek (Die Grünen) zu Wort und hielt ein mehrminütiges Plädoyer für das Projekt ab. „Wir haben ein gemeinsames Ziel im Landkreis Miesbach und zwar bis 2035 klimaneutral zu sein – diesem Plan hat auch Rottach-Egern zugestimmt.“ Andererseits wolle man weder Windkraft noch Stromtrassen. Es heißt immer: „Energie-Wende ja, aber nicht im eigenen Ort.“ Doch Rottach müsse seiner Verantwortung nachkommen: 

Wir können nicht von den anderen Gemeinden um uns herum erwarten, dass sie unsere Aufgabe erfüllen, und wir in Rottach in Schönheit sterben.Thomas Tomaschek, Gemeinderat (Die Grünen)

Der Grünen-Gemeinderat ist der Meinung, man sollte einen Bebauungsplan ‚Sonderplan Energie‘ aufstellen und dann die ganzen Bedenken prüfen, die daraufhin folgen. Wenn es letztlich doch nicht klappt, „dann haben wir es wenigstens versucht.“ 

Köck will keinen Aktionismus

Noch während Tomaschek sprach, ging ein Raunen durch die Zuschauerreihen. Einige ältere Herrschaften, offensichtlich Nachbarn des Grundstücks, äußerten immer lauter werdende Beschwerden. Auch Köck versuchte Tomaschek in seinem Vortrag zu unterbrechen. Am Ende erklärte der Bürgermeister: Er sei sich bewusst, dass das Thema Energie akut ist und andere Gemeinden bestimmte Weichen stellen. Doch dann kam das große Aber:

Uns geht es um eine vernünftige Ortsplanung und da müssen wir nicht in Aktionismus verfallen, sondern die Zeit für sich arbeiten lassen.Christian Köck (CSU), Bürgermeister der Gemeinde Rottach-Egern

Der Großteil der Gemeinderatsmitglieder sprach sich eindeutig gegen das Projekt aus und erntete Applaus von den zufriedenen Grundstücks-Nachbarn aus den Zuschauerreihen. Letztlich stimmten 17 Ratsmitglieder gegen den Energiepark mit Streichelzoo – nur die Grünen Tomaschek, Michael Mayr und einzige SPD-Vertreterin Margit Lehnerer stimmten dafür.

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