Alle wissen es. Keiner will es wahrhaben – Teil 3: Gmund
Flutgefahr Tegernseer Tal: Gemeinden ringen um Hochwasserschutz

Und plötzlich stand das Wasser auf der Dorfstraße in Dürnbach. Dieses Jahr erwischte es auch den Ort am Eingang des Tegernseer Tals – an Stellen, die für Feuerwehr und den Bürgermeister neu waren.

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Überschwemmungsrisiko in Moosrain. / Foto: Redaktion

Alfons Besel, Bürgermeister von Gmund, spricht von “einer echten Überraschung – keiner sonderlich guten”. Der Dürnbach, das Gewässer, welches dem Ort den Namen gab, drückte Wasser in die Dorfstraße, ließ sie nahezu unpassierbar werden.

Es wurde kritisch für Anwohnerinnen und Anwohner. “Mehr hätte es nicht sein dürfen”, erklärt Besel, der Anfang Juni mit der Feuerwehr die kritischen Punkte seines Ortes abgefahren war.

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Plötzlich stand das Wasser – so wie hier auf der Dorfstraße in Dürnbach. / Foto: Sophia Kappert

Moosrain, Festenbach oder die Mangfall

Das Seeufer, Moosrain, Festenbach und die Mangfall – bekannte Orte mit Überschwemmungspotenzial. Aber der Dürnbach an der Stelle? Und genau das ist die Herausforderung für die Lokalpolitik in der Zukunft: Während Starkregen-Ereignisse auch in unserem Lebensraum zunehmen, Flächen verdichtet wurden und werden, können Hochwasser- und Überschwemmungsmaßnahmen nur mit großer Mühe von der Politik umgesetzt werden.

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Hochwasser und Überschwemmungsmaßnahmen

Regnet es stark, kommt das Elend für Gmund aus den Bergen auf Höhe der Holzeralm. Dort entspringen zwei Bäche. Sie bedrohen die Siedlungen nördlich der Mangfall; die überschwemmungsrelevant sind: Zum einen ist das der Festenbach, der in seinem Verlauf in Moosrain seinen Namen kurzfristig in Moosbach ändert, zum anderen ist das der Dürnbach, der durch die Ortsmitte führt.

Der Dürnach ist an vielen Stellen überbaut und mit der Bebauung des Landbaderfelds sind seine Ausweichmöglichkeiten geringer geworden. Diese potenziellen Hochwasser-Bäche können für Anwohner schnell, sehr schnell ein massives Risiko bedeuten.

Hier geht es zu Teil zwei:

Tegernsee: Wenn der Hang rutscht.

Jene, die gern das Wasser für den Garten aus dem naheliegenden Bach beziehen, sind sich oft genug nicht dem Risiko bewusst, ahnen nicht, wie schnell so ein Fließgewässer zu einer reißenden Flut anwachsen kann. Und nicht jeder, der an so einem Bach wohnt, hat als Bauunternehmer im Notfall auch einen Bagger zur Verfügung …

Moosrain: Wiesen statt Bauland

Mal waren es dort Landwirte, die nicht bereit waren, ihre Wiesen zwischen Bundesstraße und Festenbach in riesige Flutmulden verwandeln zu lassen. Ironischerweise sind sie es, die durch ihre hartnäckige Weigerung, Wiesen in Bauland zu verwandeln, jetzt den Kommunen passende Versickerungsflächen für das Wasser bereitstellen.

Oft schob man den Bäuerinnen und Bauern in Gmund die heißen Kartoffeln zu, weil mit ihren Feldern und Wiesen keine Einnahmen aus Gewerbe- und Wohngebieten zu machen war.

Die schlichte Erkenntnis, dass angesichts veränderter Klima- und somit Wetterereignisse, man nicht einfach immer weiter versiegeln kann, ist noch nicht bei jeder und jedem angekommen. Katastrophen haben bei Menschen eine kurze Erinnerungszeit.

Lieber Bachzugang als Hochwasserschutz

Mal sind es aber eben auch Anwohner, die nichts von ihrem Grundstück abgeben wollen, um den dortigen Moosbach auszubauen. Das Ziel dahinter? Ein schnellerer Abfluss des Wassers aus dem nahegelegenen Rückhaltebecken.

Jene Überschwemmungsmaßnahme, die die Gemeinde bereits 2009, auch damals gegen massiven Widerstand von einigen Bürgern, für 1,9 Millionen Euro hat fertigstellen lassen. In drei Phasen will die Gemeinde seit 2014 den Festenbach, der von den Hängen nordöstlich Mariensteins durch Moosrain führt, hochwassersicher machen.

Das Regenrückhaltebecken war schon Anfang Juni 2024 – am Abend – laut Besel schnell gefüllt: “Da fehlte auch nicht mehr viel.”

Nur ein schnellerer Abfluss der Wassermengen durch den Ort kann das Schlimmste, einen Bruch oder Überflutung des Dammes, verhindern. Aber da sind die Bürger, die am Bach leben …

Moosbach, Hochwasser-Damm und Bahngelände

Nimby – so kürzt man das Verhalten einiger Bürgerinnen bei kommunalen Maßnahmen ab: nicht bei mir. Hochwasserschutz will jeder, aber wehe, es geht um einen Quadratmeter des eigenen Grundstücks. Zuweilen wird dann auch der romantische Bachverlauf als Argument herbeigezogen.

In Moosrain wird darüber schon lange gestritten. Doch eine Verzögerung durch kleinteilige Anwohnerwünsche kann weitreichende Folgen haben. Der Moosbach müsste in der Ortsmitte, da ist sich die Expertise sicher, breiter und tiefer werden.

Im Bereich zwischen dem Hochwasser-Damm und der Siedlung soll das Gelände so modelliert werden, dass der Gmunder Ortsteil durch wild abfließendes Wasser nicht in Mitleidenschaft gezogen wird. Auch westlich der Bahn sind Geländemodellierungen vorgesehen.

Dort, wo der Moosbach zwischen den Häusern Richtung Bundesstraße fließt, sollte das Bachbett über eine längere Strecke eingetieft werden. Anwohner haben sich lange dagegen gewehrt. Da wurde dann auf andere “Quertreiber” verwiesen.

Der Überbau des ehemaligen Hotels Eder, direkt an der Bundesstraße, blieb ja bestehen. Dass dadurch die Kosten des Bachausbaus in die Höhe getrieben werden, kritisierte vor sieben Jahren Gemeinderätin Helga Wagner (Grüne) damals in einer Gemeinderatssitzung: „Dass sich einer zum Schaden der Allgemeinheit wehren kann, verstehe ich nicht“.

Vom kleinen Bach zum reißenden Strom

Aber dennoch gilt: Extremwetter kann diesen reizenden kleinen Bach kurzfristig zu einem reißenden Strom anschwellen lassen. In Moosrain sind Verkehrswege wie die Bahnlinie und die Bundesstraße, Siedlungen um die Schaftlacher Straße, Waldeck etc. bei einem Starkregen-Ereignis vor Überflutung noch nicht ausreichend abgesichert.

Wie in Bad Wiessee am Zeiselbach wird auch hier durch Klagen und Forderungen der immer drängendere Hochwasserschutz verzögert. Aber das betrifft nicht nur Menschen, die hier leben. Auch in der Politik des Freistaats wurde in Vergangenheit Hochwasserschutz nicht immer priorisiert. Hubert Aiwanger hat sich da besonders hervorgetan.

Nur – es hilft nicht, die Schuld bei Einzelpersonen zu suchen. Kommunen wie die Tegernseer Tal-Gemeinden müssen ein Bewusstsein für Klima-Auswirkungen entwickeln; die eben Starkregen und damit Hochwasser wahrscheinlicher machen.

Neue Erkenntnisse fließen in neue Maßnahmen

Das hat einen neuen Erkenntniswert für jene, die noch vor zehn Jahren in Gmund bei Bürgerversammlungen erleben, sich speziell für Gebiete in Moosrain mehr Bebauung gewünscht hatten. Hochwasserschutz sieht selten schön aus, mutet den Leuten eine Menge zu; vor allem Kompromissbereitschaft. Aber wer will wegen eines Stückes Garten die Überflutung Dutzender Häuser verantworten? 

Alfons Besel hat an diesem Montag Anfang Juni neue Erkenntnisse gewonnen. “Wir werden das in unsere Schutzmaßnahmen zum Hochwasser einfließen lassen”, erklärt er. Noch hat er mehr als eine Million Euro für Maßnahmen eingeplant. Ob das reichen wird, ist nicht sicher. Hochwasserschutz geht nur mit der Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger. Sonst säuft so ein Ortsteil unter Umständen ab …

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