Hier, wo das Geld noch zählt

Da sitzt er nun im Auto und fährt die Kollegin von SPIEGEL TV durch seine Gemeinde. So ein Bürgermeister erzählt gern, wie das hier im schönen Rottach-Egern so läuft mit den Oligarchen. Und dabei offenbart der Köck Christian eine ganz eigenwillige Sicht auf die Putin-Unterstützer. Ein Kommentar.

Deutschlandweite Berichterstattung über Demos gegen Alischer Usmanow (li.) in Rottach-Egern, doch Christian Köck (re.) bezieht keine klare Stellung.

Ein Kommentar von Martin Calsow:

Zwei Demos gab es gegen Putin und seinen Oligarchenfreund Alischer Usmanow. Mal hat es die örtliche Junge Union organisiert, mal der Rottacher Gemeinderat Thomas Tomaschek. Bei beiden Terminen waren Bürgermeister und der Landrat vor Ort. Es war ein Zeichen der parteiübergreifenden Solidarität mit einem Land, das überfallen wurde. Es war auch ein Aufstehen gegen jene, die das System Putin unterstützten. Kann man naiv finden. Ist aber auch vielleicht nur ein gesellschaftlicher Ausdruck von Wut und Verzweiflung über das Morden 1000 Kilometer östlich.

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Wer war nicht da? Genau, der 1. Bürgermeister des Ortes, in dem Usmanow seine Villen besitzt. Komisch. Fragte man Christian Köcks Kollegen, kamen seltsame Termin-Entschuldigungen, die keiner so richtig glauben wollte. Jetzt hat Köck sich im Fernsehen dazu geäußert.

Köck spricht von “Hetzjagd” gegen Usmanow – und meint das ernst

“Es war für mich schon eine Hetzjagd”, erklärt er der Kollegin von SPIEGEL TV besorgt, kritisiert die “personenbezogene, populistische Herangehensweise der Veranstaltung”. Aber etwas Kritik wäre schon ok, fand der CSU-Politiker. “Ich denke, wenn Herr Usmanow wirklich Unterstützer dieses Kriegs ist, dann ist Kritik berechtigt.” Später bringt er den Politiksprech-Klassiker: “Meines Wissens ist der Name nicht aufgetaucht. Das war alles vor meiner Zeit.”

So spricht Christian Köck in der dritten Kriegswoche und gefällt damit vielen auffällig Stillen im Tal. Hier vermischt sich in der Zwischenwelt der gut verdienenden Entscheider-Gruppe eine sehr deutsche mit einem originären Tegernseer Lebensmotto. Zuerst ist da das sehr bequeme deutsche Relativieren. Man müsse die andere Seite hören. Überhaupt, es gäbe ja auch eine berechtigte russische Seite, und wie kommt man dazu, den armen Usmanow in die Verantwortung zu nehmen. Der habe ja nur viel Geld. Damit kuschelt man sich in das bequeme Bett des Relativierens, um ja nicht das Rottacher Köpfchen in die kalte Realität zu strecken und eine Haltung an den Tag legen zu müssen.

Motto: Pinkel den Groß-Geldigen nicht ans Bein

Obendrauf kommt das Tegernseer Tal Gschaftler Motto: Pinkel den Geldigen nicht ans Bein. Bedenke: Wes Brot ich ess, des Lied ich sing’, mal zu russischen, mal zu arabischen Klängen. Zu viele verdienen an und mit ihnen. Die Modeärztin, die teure Vitamin-Spritzen an zahlungskräftige ‘Arrabba’ verhökert, das Moskauer Doppelkinn wegsaugt und Petersburger Haxn in basische Bäder steckt. Der Architekt, der auch gern drei Mal neu plant, wenn der Mann aus dem Osten nur fein überweist, bestimmt auf ein Konto in Deutschland.

Der Hausbeschicker, die Maklerin, der Innendekorateur, der Caterer. Köck weiß, wer ihn wählt. Und die wissen, wer sie bezahlt. Da braucht es keine Kritik an etwas, was man hier am See ja eh nicht ändern kann. Krieg? Der ist weit weg. Die Folgen? Sollen andere tragen.

Auch deswegen sind so rasend viele ukrainische Familien im ersten Schwung in Rottach-Egern gelandet, gell? Haltung ist wie Wohnraum in Rottach-Egern seit jeher ein rares Gut. Auch dafür steht ein Christian Köck, der treue Vasall der Reichen und Schönen. Nur gut, dass es mit einem CSU-Landrat und den Bürgermeister-Kollegen aus Kreuth, Bad Wiessee und Tegernsee Politiker mit Rückgrat gibt. Stand heute hat die Westbank-Gemeinde 96 geflüchtete Menschen aufgenommen.

Wir können auch anders

Wenn Gemeindevertreter in diesen Zeiten nicht proaktiv den ankommenden Flüchtlingen helfen, sondern sich lieber in Mitleid für Oligarchen ergehen, läuft etwas falsch. Denn die unglaubliche Unterstützung auch durch gut Vermögende in Bad Wiessee oder Kreuth zeigt ja: Geht die Politik mit gutem Beispiel voran, ermuntert und schafft Strukturen, wird sie von einer breiten Zustimmung und Hilfe, finanziell und räumlich, aus der Bevölkerung getragen.

Da verzeiht man auch der Verwaltung, die von seiner Flüchtlingswelle auch überfordert ist, manchen Hickup. Denn wir wissen: Wir helfen Menschen, die aus einem Krieg kommen. So sieht kluge und menschliche Politik auf kommunaler Ebene aus. Positiver Nebeneffekt: Man hat keine Zeit für bräsige Oligarchen-Verteidigungsreden.

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