Baukultur in Bad Wiessee:
Laufstall statt Schulweg? Bauern-Adel will Platz für Vieh und Maschinen

Die Landwirte im Tal fühlen sich bedroht. Wird damit jedes Bauprojekt zum nackten Existenzkampf für sie? In Bad Wiessee in einer Bauausschuss-Sitzung wirkte das so …

Bald keine grüne Wiese mehr nahe der Hagngasse? Foto: Martin Calsow

Johannes Höß führt den Manglhof. Das ist nicht irgendein Hof. Das ist ein Hof mit Historie: “Der Manglhof ist einer der drei Wiesseer Ausgangshöfe des 15. Jahrhunderts, und daher eines der ersten Gebäude von Bad Wiessee […] Der Manglhof wurde 1737 von Leonhard Höß neu erbaut […]. Heute wird der Manglhof in der sechsten Generation geführt.” (Zitat von der Webseite)

Johannes Höß ist ein erfolgreicher Züchter großer Milchkühe. Besitzt Bergwald, Almen und vermietet Ferienwohnungen. Er gehört, das kann man getrost sagen, zum Bauern-Adel am Westufer. Er hat das alte landwirtschaftliche Motto “wachsen oder weichen” verinnerlicht.

Jetzt will der Landwirt an der Hagngasse in Bad Wiessee was für sein Jungvieh hinstellen und eine Maschinenhalle. Darum ging es in der jüngsten Bauausschuss-Sitzung in Bad Wiessee. Genau auf dem Weg, an der Schule vorbei, hoch zu den Sportstätten. Höß will einen sogenannten Jungviehstall bauen sowie eine Maschinenhalle. Beide Gebäude sollen dort entstehen, wo der Prinzenruhweg über die Hagngasse in den Schulweg mündet. Wichtig zu wissen: Dieser “Schulweg” ist kein offizieller Weg; er gehört zum Grundstück von Höß. Er erduldet das aber. Durchaus ein Entgegenkommen.

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Schulweg statt Laufstall

Nun nutzen viele diesen Weg, um sich einige Meter Bundesstraße zu sparen. Auch Kinder gehen oder radeln hier lang, um zur KITA und Schule zu gelangen. Dieser Weg wird jetzt, sollte die Planung genehmigt werden, deutlich nach Westen verlegt. Dann aber immer noch nicht offiziell zu einem Weg umgewidmet. Die beiden Landwirtschafts-Gebäude sollen jeweils links und rechts entstehen. Der Blick von Norden auf die Kirche, eine der denkmalgeschützten Wegmarken im Ort, wird sich damit massiv verändert.

Dies scheint den zuständigen Kreisbaumeister, Christian Boiger, der sich das vor Ort anschaute, nicht beeindruckt zu haben. So berichteten es zumindest Anton Bammer, der Wiesseer Bauamtsleiter. Überhaupt: Das Bauvorhaben von Höß sei ja, weil Landwirtschaft, als privilegiertes Vorhaben anzusehen. Die CSU, die man durchaus auch traditionell aufseiten der Landwirte ansiedeln kann, fand wohlmeinende Worte für das Bauvorhaben. Bauernkollege Georg Erlacher (CSU) holte zum großen Lamento aus: Bauern seien dieser Tage überhaupt in ihrer Existenz gefährdet. Dieser schlimme Bundesminister in Berlin … Wer könne da schon glücklich in die Zukunft schauen? So einer wie der Höß Hans, der investiere. Das müsse man generell unterstützen.

Ab in den Laufstall ? Foto: Martin Calsow

Mal sind es Wölfe, Minister aus Berlin, Anbindegesetze oder Photovoltaik. Und immer geht es gegen die Landwirte. Böse Zungen kommentieren diesen Nörgel-Reflex der Bauern mit einem Witz: ‘Warum gibt man Kindern von Oberland-Bauern in der Kindheit zu enge Schuhe? Genau, weil sie dann das Jammern früh lernen.’

Daran denkt man, wenn man Erlacher so zuhört. Von den anderen Fraktionen ist wenig zu dieser Klientelpolitik zu hören. Laufställe und eine Maschinenhalle – warum nicht? Schmückt den Ort. Man hat hier schon Schlimmeres durchgewunken. Siehe das Haus des Grauens an der Seestraße in Bad Wiessee … Dann lieber ein Laufstall mit lieben Viechern?

Laufstall rocks – ein Laufstall, der ist pfundig

So ein Laufstall ist ja eine prima Investition. Zuerst ist da die Förderung: Über das bayerische Sonderprogramm Landwirtschaft erhalten Anbindehalter, die erstmalig auf kleine Laufställe umstellen, bis zu 40 Prozent Zuschuss, weitere mit bis zu 30 Prozent. Konkret: bei erstmaliger Umstellung auf Laufstallhaltung für Milchvieh (max. 30 Kühe) und bei Tierwohlmaßnahmen min. 5.000 Euro und max. 150.000 Euro. Gefördert werden übrigens auch Berggüllefässer. Aber auch die Tiere und Flächen selbst werden subventioniert. Eine Zahl verdeutlicht das. Die bayerische Landwirtschaft erhält jährlich 1.000 Millionen Euro an EU-Agrarsubventionen als Direktzahlungen. Was unsere Bauern im Tal an Subventionen erhalten, ist hier zu erfahren.

Wenn der Nachwuchs aber nicht mag

Und was passiert eigentlich mit den Laufställen und Maschinenhallen, wenn der Nachwuchs den Hof nicht weiterführt? Hat man dann plötzlich Wohnraum in einer der besten Ecken des Tals geschaffen? Der Boden ist versiegelt, der Natur-Drops gelutscht. Und Wohnraum braucht halt jeder … Und warum hat in dem Gremium an diesem Abend keiner der Räte die Frage gestellt, ob das Bauvorhaben auch wirklich unter dem Vorsatz “Privilegierung” läuft? Wird hier ein Maschinenpark ausgelagert, um am Haupthof mehr Ferienwohnungen zu etablieren? Ist das nicht der Fall? Gut, aber so eine Frage könnte man als demokratisch gewählter Vertreter auch mal stellen.


Um keinen falschen Eindruck zu erzeugen: Unsere Landwirte arbeiten hart, meist sieben Tage, tragen mit ihrer Arbeit für den Erhalt unserer, vor allem für den örtlichen Tourismus wichtigen, Kulturlandschaft bei. Man muss dieser Branche keine Knüppel zwischen die Beine werfen, sollte sie aber im Bauausschuss ,wie alle anderen, gleich behandeln.

Aber die Larmoyanz einiger Bauern im Landkreis, so wirkt es, soll jedes kritische Hinterfragen zum Verstummen bringen. Und so wurde auch an diesem Abend vom Bauausschuss der Antrag durchgewunken. Höß darf, so das Gremium bauen. Das Grundstück ist bislang nicht mit Wasser versorgt, und soll laut Gemeindeverwaltung auch nicht in absehbarer Zukunft passieren. Ist eh wurscht. Laut Anton Bammer werden die Viecher mit Brauchwasser versorgt, Trinkwasser sei nicht nötig. Unklar bleibt: Was passiert mit dem Weg durch die Wiesen? Wie schnell sich so eine Sicht auf Wegerechte ändern kann, sieht man auf der anderen Straßenseite. Hier wird bis heute ein Radlweg zwischen Alt-Wiessee und Abwinkl verhindert, vom Eigentümer; einem anderen Höß.

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