Viel ist in den letzten Wochen über das Gastro-Projekt hinten im Tal – zwischen Spitzing, Guffert, Rotwand und Schinder – geschrieben worden. Seit Ende Dezember 2021 öffentlich wurde, dass neben dem Tegernseer Gastronom Johannes Rabl auch Bayern Torhüter Manuel Neuer aus Tegernsee als Player des neuen Forsthaus Valepp Rescue-Teams aktiv ist, organisiert sich der gesamte Natur- und Denkmalschutz Widerstand Oberbayerns gegen das Projekt.
Ein verspäteter Aufschrei. Bereits 2021 wurde in der TS über das Immobilien-Pacht-Projekt der Bayerischen Staatsforsten berichtet. Die Ausschreibung des Erbpachtrechts für das denkmalgeschützte Ensemble des ehemaligen Forsthauses startete bereits noch früher.
Ein Niederbayer durchforstet die Tal-Archive
Rabl, der zusammen mit seinem Partner Neuer seit Kurzem auch „offiziell“ den Zuschlag für das Objekt erhalten hat, beschäftigt sich schon sehr lange mit den maroden historischen Gebäuden im Tal. Zu der Zeit richtete sich der weit gereiste Hotelmanager gerade heimisch am Tegernsee ein. Er übernahm als Pächter den ebenfalls traditionsreichen Leeberghof. Zwei Jahre später folgte der denkmalgeschützte Lieberhof, ebenfalls in Tegernsee. Wie er selbst sagt, habe er jetzt seinen Platz gefunden, an dem er leben will. Der geborene Niederbayer genießt die Natur und die besonders Heimatverbundenheit im Tal.
Wir wollen von Rabl, den wir auf der Terrasse seines Tegernseer Gasthauses Lieberhof treffen, wissen, woher seine Faszination für diese alten und traditionsreichen Gemäuer kommt.
Mich reizen die Geschichten, die die alten Bauwerke in sich tragen. Ich habe die Archive des Forsthauses regelrecht durchforstet.
Neubauprojekte gebe es im Tegernseer Tal unzählige, darin stecke keine Herausforderung für ihn. Vielmehr wolle er den Geist der alten Häuser bewahren und ihre Geschichte in einer neuen Zeit weitererzählen.
Idealist oder knallharter Geschäftsmann
Das hört sich erst mal gut, aber auch sehr idealistisch und selbstlos für einen Geschäftsmann an. Fast zu gut für das neue zig Millionen-Tourismus-Business im Tal. Die Realität ist aber, dass dort im Tal ein halb verfallenes Gebäude steht, das Millionen verschlingen wird, bis es wieder den aktuellen Brandschutz-, Hygiene und Denkmalschutzvorschriften entspricht. Und ob man dann damit überhaupt wieder Geld verdienen kann, scheint fraglich. Bei Regen oder Schnee verirrt sich kaum ein Wanderer oder Biker in die Gegend. Also doch Promi-Partys zur Finanzierung, wenn es dunkel wird im Tal?
Der Unternehmer hält lachend entgegen, dass ein wiedereröffnetes Forsthaus in der Valepp bestimmt keine Goldgrube werden wird. Die Herausforderung sei wohl vielmehr keine Verluste zu machen. Diese Erkenntnis hat der Tegernseer Manager schon vor fünf Jahren gewonnen. Damals wurde er von den Staatsforsten beauftragt, ein tragfähiges Gasthofkonzept für das, zu der Zeit schon drei Jahre nicht bewirtschaftete Gebäude zu entwickeln. Das Projekt scheiterte letztendlich an der Finanzierung. Wie schon viele andere Versuche der Schlierseer Forstbehörde zuvor.
Forstbetriebe vertrauen Rabls Konzept
Als aber dann 2020 das Forsthaus zur Erbpacht ausgeschrieben wurde, war der umtriebige Hotelier wieder sofort mit am Start, wie er berichtet:
Wir haben ein neues Projektkonzept eingereicht. Meine Erfahrungen aus 2017 haben mir natürlich sehr geholfen. Ich war mit den besonderen Herausforderungen der Immobilie, dessen Geschichte und dem bestehenden Verkehrsproblem sehr vertraut.
Nun das Vertrauen der Forstbetriebe erhalten zu haben, die strengen Auflagen, die an die Erteilung des Erbbaurechts gekoppelt sind, mit seinem Konzept zu erfüllen, freut den Gastronomen sichtlich.
Luxusbleibe mit Partylocation oder traditioneller Alpengasthof?
In dem besagten Konzept ist von einem „Alpengasthaus“ die Rede ohne die „Attribute eines Hotels oder einer Luxusherberge“. Konkret heißt es: „Das Forsthaus muss für den Tagesausflügler geöffnet und für jeden Geldbeutel leistbar sein“. Was aber, wie Rabl einschränkt, nicht bedeutet, dass auch Biker und Wanderer sich nicht auch über besondere Produkte aus der Region freuen würden.
Auch die 12 Gästezimmer mit 28 Betten seien eher einfach und funktional geplant mit Nasszellen. Die Übernachtungsgäste seien auch die einzigen, die morgens und nachdem die Tagesausflügler das Tal verlassen, noch vom Personal betreut werden, betont der Hotelexperte und ergänzt noch:
Wer wirklich den “Party-Luxus des Tegernsees” sucht, wird sich kaum in einen kleinen Gasthof 13 Kilometer von jeder Zivilisation entfernt, einmieten. Bei uns wird man die Wildfütterung gemeinsam mit dem Förster als Highlight des Abends erleben.
Das kommt dem Einheimischen schon sehr vertraut vor. Man denke nur an die Alm-Eventlocations auf der westlichen Seeseite und all die Versprechungen, die dort zu Planungsbeginn gemacht wurden.
Transparenz als vertrauensbildende Maßnahmen
Wir wollen von dem Hotelier wissen, wie er dem Misstrauen der Menschen in der Umgebung und den Naturfreunden entgegenzutreten gedenkt. Wie Vertrauen aufbauen, in dieser doch sehr vergifteten Tal-Atmosphäre bei touristischen Angeboten in den Schutzgebieten?
Indem wir von Anfang an mit den Menschen das Gespräch suchen, die dem Projekt kritisch gegenüberstehen und sie aktiv in der Entstehungsprozess mit einbeziehen.
Das hat mal erst mal nicht so gut geklappt, was auch Rabl eingesteht. Im Schlierseer Bauausschuss ist der Hotelier mit seinem Bauvorbescheids-Antrag im Dezember 2021 im ersten Anlauf gescheitert. Die Naturschützer laufen Sturm gegen das Projekt und inzwischen wurde eine Petition gegen die Vergabe des Erbbaupachtvertrages beim bayerischen Haushaltsausschuss eingereicht.
Verkehrschaos oder Shuttlebus in die Valepp?
Die Presse überschlug sich. Umweltpolitiker verorten oben in der Valepp schon „Ferrari Garagen“ und weit Schlimmeres. Das sei natürlich alles Quatsch, entgegnet Rabl. Ein „essenzieller Bestandteil des Konzeptes“ sei die „Reduzierung des Individualverkehrs“ auf der Mautstraße. Die Straße sei von Frühjahr bis Herbst jetzt schon zu stark frequentiert und teilweise gefährlich für Fußgänger und Radfahrer, macht der potenzielle neue Hausherr deutlich und ergänzt:
Wir wollen an der Moni Alm eine Schranke errichten, die die Zahl der Autos im Talbereich begrenzt. Und auch einen hoteleigenen E-Shuttleservice für die Hotelgäste zu den Parkplätzen an der Sutten einrichten.
Zudem wolle man sich als einer der ersten Betriebe im Tal als „Klimaneutraler Betrieb“ zertifizieren lassen. Dazu gehöre laut Rabl auch ein E-Bike-Konzept, selbst erzeugter Strom durch Photovoltaik-Anlagen, ein eigener Brunnen, die Nutzung der Forsterzeugnisse für den Umbau sowie der Rückbau der bestehenden Parkplätze vor dem neuen Alpengasthof. Da sei man schon sehr weit Lösungswege zu entwickeln, wie Rabl verrät.
Zusammenarbeit mit Kreisbauamt und Denkmalschutzbehörde
Auch zu der Kritik an den möglichen Baumaßnahmen an den denkmalgeschützten Gebäuden bezieht der Gastronom Stellung. Von illegaler „Entkernung“, die von den Naturschützern unterstellt wurde, will Rabl nichts wissen. Vielmehr seien sowohl das Kreisbauamt und die Behörde für Denkmalschutz seit dem Planungsbeginn in das Gesamtkonzept mit einbezogen gewesen. So verpflichteten sich die Investoren alle Bausünden der letzten Jahrzehnte zu entfernen. Auch aufgrund des Denkmalschutzes sollen zum Beispiel die Dachgauben rückgebaut werden. „Was original ist, wollen wir erhalten. Zerstörtes Ersetzen und Neues verträglich ergänzen“, erklärt Rabl.
Auch mit den Vereinen, die sich jetzt mehrfach öffentlich wie vehement gegen das Projekt ausgesprochen haben, suchen die Investoren das Gespräch. „Wir wollen unser Konzept transparent offenlegen“ bestätigt Rabl die Bemühungen und berichtet weiter, dass erste Treffen bereits stattfanden. Wie mit dem Bürgermeister der Seegemeinde in Schliersee Franz Schnitzenbaumer oder den Vertretern der Schutzgemeinschaft Tegernseer Tal (SGT):
Das war ein gutes Gespräch. Wir hatten das Gefühl, dass wir einige Bedenken aus dem Weg räumen konnten. Wir wollen in Kontakt bleiben.
Bei dem Treffen mit der SGT sei auch Manuel Neuer dabei gewesen. Direkt nach dem Training mit den Bayern. Der Profifußballer habe es sich nicht nehmen lassen, selbst das Projekt mit vorzustellen. Am 9. März trifft man sich mit dem Bauausschuss der Gemeinde Schliersee in der Valepp, informiert der Tegernseer Hotelier weiter.
Was macht der Fußballer Manuel Neuer in der Valepp?
Apropos der Neuer: Wie kommt eigentlich ein Manuel Neuer dazu, sich an einem Gastronomieprojekt in der tiefsten Voralpenbergwelt nicht nur mit seinem Geld, sondern auch aktiv zu beteiligen? Rabl erklärt, dass die beiden seit einigen Jahren gute Freunde seien. Und auch mal gemeinsam in die Berge losziehen. Bei einem dieser Ausflüge mit dem Bike seien sie beim Forsthaus vorbeigekommen.
Damals hatte ich das Konzept schon längst vorbereitet. Manu war aber bis dahin nicht in meine Pläne involviert. Erst als wir in der Valepp waren, habe ich ihm von meinem Projekt erzählt.
Der Bayernspieler sei absolut begeistert gewesen. Nicht aufzuhalten, wie der Tegernseer Wirt grinsend berichtet. Neuer habe sofort bei dem Projekt dabei sein wollen. Also habe man zusammen die Firma gegründet.
Neuers Zeiten der Unsichtbarkeit im Tal sind vorbei
Wer aber den Neuer Öffentlichkeit verfolgt, weiß, dass der Profi der Bayern kein Medienmensch ist. Er auch strikt darauf achtet sein Privatleben von seinem Job zu trennen. Und im Tegernseer Tal wollte Neuer immer nur eins sein: Privatmensch.
Das ist nun Geschichte, was auch Rabl so sieht. Neuer verhalte sich keineswegs wie ein typischer Investor, vielmehr bringe er sich aktiv in die weitere Konzeptentwicklung ein.
Im Gespräch erweckt Rabl einen sehr vertrauenswürdigen Eindruck. Seinen Enthusiasmus für das Projekt und die Bewahrung der Geschichte des ehemaligen Forsthauses kauft man ihm durchaus ab.
Wie sieht der weitere Weg aus?
Aber bewahrt das die heimische Fauna und Flora vor den Auswüchsen des Tourismus im tiefen Tal? Ist es wirklich möglich Gastlichkeit im Außenbereich verträglich mit dem Schutz der Umwelt zu verbinden, wie sich das die „neuen Förster“ jetzt auf die Fahnen schreiben?
Was Hoffnung macht? Vielleicht der Wille, sich mit den Kritikern nicht nur auseinander, sondern zusammen zu setzen, die Zusammenarbeit mit der Gemeinde und dem Kreisbauamt, der gute Ruf, den ein Neuer zu verlieren hat, die Art und Weise, wie der Tegernseer Hotelier bisher seine Häuser führt und nicht zu vergessen ein Erbpachtvertrag mit dem Forstbetrieb, der eine Sonderkündigungsklausel einräumt bei der Nichteinhaltung der Vorgaben.
Aber bevor es wirklich losgeht, muss noch der Haushaltsausschuss im Landtag über die eingereichte Petition entscheiden. Und falls diese abgelehnt wird, muss das gleiche Gremium noch der Übertragung des Erbbaurechts an Rabl und Neuer zustimmen. Erst dann werden die bereits vorbereiteten Verträge unterschrieben.
Und wenn es so weit ist, müssen sich Rabl, Neuer und die Bayerischen Staatsforsten an ihren Versprechungen messen lassen.
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