Warum auch jetzt kein Zug im Oberland fährt
Servus Bahn-Deutschland

Seit Mittwoch war klar, dass eine Schneewalze auf München und dem Oberland zukommt. Die Bahn war gewarnt. Und dennoch: Bis heute bleiben die Züge im Depot. Woran liegt es?

Heute am Vormittag fuhr nichts. Jetzt heißt es Nachmittag. Sicher ist das nicht. Zeigt sich das Industrieland Deutschland bzw. Bayern gerade von seiner Dritte-Welt-Seite?

Erst kam der Regen, dann der Schnee. Bis zu 80 Zentimeter in 24 Stunden. Ein dickes Brett für alle, die die Mobilität in unserem Landkreis und in München garantieren sollten. Straßenmeistereien wie auch die privaten Räumdienste ackerten Tag und Nacht.

Dennoch: Das Landratsamt bat alle Menschen, daheim zu bleiben, nicht ins Auto zu steigen. Auch wenn die Erinnerung einiger Wichtigtuer solche Ereignisse schon immer präsent hält: Das war schon viel Schnee in kurzer Zeit. Aber: Das Wetterereignis war bekannt. Wetterexperte Jörg Kachelmann warnte schon am Mittwoch im SPIEGEL: “Wenn Sie Termine haben in den südlichen Wetteraktivitätsgebieten, die im problematischen Zeitraum enden, rechnen Sie mit Schwierigkeiten beim Heimkommen, welches Verkehrsmittel Sie auch immer benutzen wollen. Vergessen Sie nie, in welchem Land Sie sich befinden. Was auch immer passiert, es wird »überraschend« sein.”

“Wir waren betriebsbereit!”

So war das dann wohl auch für die Deutsche Bahn. Am Samstag ging nichts mehr im Süden. In München fuhr nichts mehr auf Schienen. Tram, S-Bahn oder Fernbahn – alles stoppte. Und auch wir hier im Oberland standen vergebens am Bahnsteig.

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Wir haben Michael Bourjau, Chef der TBG, dazu befragt. Der lehnt sich einigermaßen entspannt zurück. Seine Leute haben ihre Hausaufgaben gemacht: “Unsere Mitarbeiter räumten die Bahnsteige und machten mit einem eigenen Räumgerät die Strecke frei. Sowas funktioniert nur mit einer motivierten Mannschaft, die bereit ist, Verantwortung zu übernehmen. Wir waren Samstagnacht wieder betriebsbereit.” 

Der Tegernsee Bahn gehört die 12,4 Kilometer lange Strecke, zwischen Schaftlach und Tegernsee, die Bahnsteige und Haltepunkte in Moosrain und Finsterwald, sowie die Bahnsteige in den Bahnhöfen Gmund und Tegernsee. 

DB Netz-Agentur-Land

Danach ist alles DB Netz-Agentur-Land. Und von der Bahn-Tochter sind wir Kummer gewohnt. Immer wieder hat in jüngster Zeit der Infrastruktur-Zweig des Unternehmens mit zum Teil mit kurzfristigen Entscheidungen den Zugverkehr in der Region lahmgelegt, so wie jüngst auf der Strecke München-Salzburg. Nun ist die Bahn Netz keine Start-Up-Bude für Pizza-Lieferungen aus Berlin, sondern ein milliardenschweres Unternehmen mit Expertise. 

Warum nicht mal nach Luftunterstützung fragen?

Wintereinbrüche dieser Art kommen vor, aber statt vorbereitet zu sein, greift man lieber in die Schublade der Ausreden. Schneebruch ist da eine feine, weil für jeden verständliche Erklärung. Bäume auf Gleise. Das versteht jeder. Nur – auch Autobahnen waren davon betroffen, und trotzdem ging das dort ratzfatz.

Aber die Bäume, hört man den Bahn-Funktionär klagen. Im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen gab es am Sonntagnachmittag Entwarnung: für die Straßenverbindungen in die Jachenau, und nach Fall und Vorderriß. Warum? Die Straßen dort wurden wieder freigegeben, nachdem ein Polizeihubschrauber mit dem sogenannten Down-Washing Bäume vom Neuschnee mithilfe des Windes der Rotorblätter befreit hatte. Irre. Und irre effizient. 

Spricht man mit Experten, hört man schnell, dass wir es mit einem aufwendig organisierten, wenig auf Krisen eingestellten Riesen zu tun haben. “Die haben schlicht zu wenig Räumfahrzeuge. Wenn dann noch Schneebruch dazukommt, machen die lieber alles dicht um keine Risiken einzugehen. Das ist zwar die schlechteste Lösung, aber man hat seine Ruhe”, sagt uns eine Quelle, die anonym bleiben will.

BRB wartet auf die DB

Und die BRB (aka BOB)? Die lässt zwar am Sonntag leere Züge im Tal hin und herfahren, aber verweist auch auf die Betreiber der Gleise. “Hautproblem sind Bäume, die auf den Gleisen liegen. “Nicht nur einzelne, sondern richtig viele”, sagt uns Annette Luckner, Pressesprecherin BRB. Und: die Deutsche Bahn kümmere sich erstmal um Fernverkehr, dann um den regionalen.

Detlef Neuß von Pro Bahn betont heute Morgen in der FAZ, dass “der Bahnverkehr in Deutschland „nach jahrzehntelanger Sparpolitik nur noch auf Kante genäht“ sei. Früher sei die Bahn „viel besser gegen heftige Winterbrüche gerüstet“ gewesen. Eines der vielen Probleme sei, dass die Bahn aus Kostengründen – bis in die jüngste Vergangenheit – immer mehr Gleise als Abstellmöglichkeiten zurückgebaut habe. Ganze Züge würden direkt in den Bahnhöfen abgestellt werden, wenn sie ihr Ziel nicht mehr ansteuern könnten. 

Durch die verstopften Bahnhöfe wird der Bahnverkehr noch schneller blockiert und kommt großflächig zum Erliegen“, sagte der Bundesvorsitzende von Pro Bahn. Er forderte, dass „viele Fehler der alten Bahnreform von 1994 korrigiert werden“ müssten. „Statt auf möglichst viele Gewinne der Bahn zu schauen, muss der Betrieb im Alltag funktionieren“. 

Und so wird wohl auch vermutlich der heutige Tag ohne Zugverkehr im Oberland ins Land gehen. Pendler, Schülerinnen oder Ausflügler werden auf die Straße ausweichen müssen – und diverse, kilometerlange Staus erzeugen. Läuft nichts in Bahn–Deutschland.

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