Sicherungen durchgeknallt

Um Mietschulden einzutreiben wurde Mietern in Valley der Saft abgedreht. Das folgende Wortgefecht zwischen Vermieter und Mieter endete in einer Anklage wegen Beleidigung und Nötigung. Nun traf man sich vor Gericht wieder.

Einfach mal den Strom abdrehen, um Mietschulden einzutreiben? So einfach geht das nicht, entschied heute das Amtsgericht Miesbach.
Einfach mal den Strom abdrehen, um Mietschulden einzutreiben? So einfach geht das nicht, entschied heute das Amtsgericht Miesbach.

Ungefähr sechs Jahre haben die Mieter in Valley gewohnt. Sehr harmonisch kann die Zeit nicht gewesen sein. Laut Anklage soll der Vermieter immer wieder den Strom abgeschaltet, um ausstehende Zahlungen einzufordern und die Bewohner mit Worten wie „Arschlöcher“ und sogar einem Besenstiel bedroht haben. Die Polizei wurde gerufen und Anzeige erstattet. Nun musste das Amtsgericht klären, was genau vorgefallen war. Allerdings fehlte den Zeugen mitunter die genaue Erinnerung an den Vorfall.

Im März dieses Jahres war es wieder einmal so weit. Ein Ehepaar, das mit seinen Eltern beziehungsweise Schwiegereltern in dem Haus in Valley zur Miete wohnte, hatte plötzlich irgendwann gegen 21 Uhr kein Licht mehr.

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Sicherung raus, aber wieso?

Die Frau hatte sofort den Vermieter in Verdacht, den Strom abgestellt zu haben. Da dieser im gleichen Haus wohnte, ging sie zu ihm und forderte ihn auf die Elektrizität wieder anzuschalten. Der Vermieter erklärte jedoch, er wolle zuerst 500 Euro für ausstehende Mitschulden.

Was dann genau passierte und wer den Strom für wie lange abgedreht hat, war schwierig zu klären. Bereits dem ersten Zeugen, dem Ehemann besagter Mieterin, fehlte anscheinend ein Großteil der Erinnerung an den Tag, sodass er wohl am liebsten gar nichts ausgesagte hätte. Richter Walter Leitner verlor schnell die Geduld:

Nun lassen Sie sich nicht alles aus der Nase ziehen.

Nach mehrmaligem Nachhaken erklärte er, seine Frau wäre die Aufbrausendere und habe die Unterhaltung mit dem Vermieter geführt. Er selbst habe abseits gestanden und nur äußerst wenig mitbekommen. Allerdings sei der Strom tatsächlich abgeschaltet worden. Nachdem das nicht zum ersten Mal passierte, ging man zum Vermieter und wollte sich beschweren.

“Ich habe gar nicht mit dem Vermieter gesprochen, sondern in der Zeit nach Kerzen gesucht”, so der Zeuge. Beleidigt oder gar bedroht habe er sich nicht gefühlt. Den Antrag auf Strafverfolgung habe er nur unterschrieben, weil man ihm sagte er solle zur Polizei fahren und dort etwas unterschreiben, so der Ehemann. Damals wusste er gar nicht so recht, was er da unterschrieb – und weiß es auch bis heute nicht.

Resolute Frau nimmt Stellung

Die ebenfalls als Zeugin geladene Frau hatte eine deutliche bessere Erinnerung an den Vorfall. So ging sie, laut eigener Aussage, nach dem Stromausfall zu dem Vermieter und forderte ihn ruhig auf, den Strom wiederherzustellen. Nach einer Viertelstunde Warten, ging sie noch einmal zu ihm und klopfte etwas heftiger an die Tür.

Der Vermieter habe seine Wohnungstür mit einem Stiel in der Hand geöffnet, sie bedroht und ihren Mann sowie ihren Schwiegervater als “Arschlöcher” bezichtigt. Sie habe sich bedroht gefühlt, zumal es bereits in der Vergangenheit einen ähnlichen Vorfall gegeben hatte. Daraufhin habe sie die Polizei gerufen. Erst ganze zwei Tage später wurde der Strom dann wieder angeschalten.

Bis dahin habe man eine Behelfsleitung aus der darüber liegenden Wohnung gelegt, um wenigstens den Kühlschrank betreiben zu können. Der Sicherungskasten befinde sich für die Mieter unzugänglich hinter einer verschlossenen Tür im Kellerbereich des Vermieters, so die Zeugin.

Wer kann in den Keller?

Auch ihr ebenfalls im Haus wohnender Schwiegervater war davon überzeugt, dass der Vermieter der Schuldige in Sachen “Stromausfall” war. Zum einen habe der Vermieter das selbst gesagt, zum anderen habe er – der Schwiegervater selbst – die Sicherung wieder eingedreht. Wenig später wurde sie jedoch wieder herausgedreht. Der Keller sei meist für alle frei zugänglich, ließ er im Gegensatz zu der Zeugin verlauten.

Erst auf intensive Nachfrage konnte der Schwiegervater sich erinnern, dass der Strom ganze zwei Tage ausgeschalten war. Daran, dass er beleidigt wurde, konnte er sich gar nicht mehr erinnern. Der Zeuge:

Aber es könnte schon sein. Er spricht häufig türkisch. Da weiß ich nicht, was er sagt. Vielleicht hat er mich beleidigt.

Auch er habe sich bedroht gefühlt. An besagtem Tag stand er nämlich in der Wohnung des Vermieters, um mit diesem die Sache zu klären. Der habe ihn mit den Worten „Raus, raus“ angesprochen. Das nahm der Zeuge als Bedrohung wahr. Richter Leiter sah das bei der heutigen Verhandlung jedoch anders: „Das ist doch sein gutes Recht, Sie aufzufordern seine Wohnung zu verlassen.“

Doch wie sich bei der Verlesung des Strafregisters herausstellte, ist der Angeklagte kein Unbekannter und bereits aktenkundig. Insgesamt 13 Mal stand er wegen unterschiedlichen Straftaten vor Gericht und ist auch einschlägig vorbestraft. Einmal wurde er verurteilt, weil er eine schwangere, säumige Mieterin bedrohte und ihr sogar in den Bauch schlug.

Keine Beleidigung, aber Nötigung

In dem Fall heute, ließ der Staatsanwalt die Anklage wegen Beleidigungen fallen, sah jedoch wegen des abgestellten Stroms den Tatbestand der versuchten Nötigung gegeben. Der Verteidiger widersprach der Ansicht. Seiner Meinung nach könne nicht nachgewiesen werden, dass der Vermieter für den Stromausfall verantwortlich sei. Eine herausgesprungene Sicherung könne die unterschiedlichsten Ursachen haben. Der Verteidiger erklärte:

Der Vermieter ist ebenfalls nicht dafür verantwortlich, sofort die Sicherungen wieder einzuschalten, wenn – wie hier – der Zugang zum Sicherungskasten frei zugänglich ist.

Richter Leiter beeindruckte diese Aussage jedoch wenig und befand den Angeklagten für schuldig. Die Begründung: Als Vermieter habe er die Pflicht seine Mieter mit Strom zu versorgen. Der Strom war weg und er habe den Mangel nur gegen eine Zahlung von 500 Euro beseitigen wollen. Die Summe sei zwar nie gezahlt worden, aber die Bedingungen für den Tatbestand der versuchten Nötigung seien erfüllt.

Zudem verstoße der Angeklagte auch noch gegen seine Bewährungsstrafe wegen unerlaubten Fahrens ohne Führerschein. Er wurde schließlich zur Zahlung von 40 Tagessätzen von je 25 Euro verurteilt.

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